wenigstens neben ihr, suchte er eine gegenständliche. Es erscheinen an den Porzellanen die Ansichten von Gebäuden, die Miniaturnachbildungen nach Gemälden, die farbigen Porträts. Viele Stücke derart lassen sich den Malern Schierholz (Klausthal) und Flemming (Wolfenbüttel) zuweisen; ihre Arbeiten sind ängstlich, ja steif und ungeschickt, dafür entschädigen sie durch liebenswürdige Naivetät und Aufrichtigkeit. Im gleichen Sinne peinlicher Porträtierung, doch weit gewandter malte Adolf Eli (Braunschweig) Blumen. Er ist zudringlich farbig und ohne Perspektive, trotz aller wohl studierten Schatten.
Endlich ist auch das zweite »bürgerliche« Rokoko Louis-Philippe’s durch einige Beispiele vertreten. Für eine längliche Schüssel ist ein zierliches Modell des 18. Jahrhunderts benutzt, wovon eine alte, fein bemalte Abformung in der Museumssammlung zu sehen ist; die Feinheiten des Reliefs sind durch das breite, schwere Goldornament ganz verdeckt, Beweis der nun eingetretenen Roheit des kunstgewerblichen Geschmacks. KARL STEINACKER.
BÜCHERSCHAU
Die Erziehung zum Sehen von Ludwig Volkmann. Ein Vortrag, Leipzig, Voigtländer’s Verlag. 48 S., 0,75 M.
»Die meisten Menschen haben ihre Augen nur im Kopfe, um sich nicht den Schädel einzustossen«. Diesen Ausspruch Giovanni Morelli’s berichtet uns Moriz Thausing in den Wiener Kunstbriefen 1883. Das gleiche Leitmotiv beherrscht auch das vorliegende kleine Schriftchen, das seinen Mitmenschen die Augen öffnen möchte. Sehen ist ja eine grosse und schwere Kunst, die von Geburt an mühsam gelernt wird. Wie lange dauert es, bis der Säugling im stände ist, seine Augäpfel mit den sechs Zügeln, die jeder hat, zu regieren, so dass sie endlich das Fixieren lernen! Wie lange währt es ferner, bis der Wille die Ciliarmuskeln beherrscht, damit Nahes und Fernes je nach Wunsch deutlich und scharf wird! Wieviel Mühe kostet es alsdann, bis aus dem Anglotzen ein verständnisvolles Erkennen und Begreifen wird! Und wieviel Zeit der Übung braucht es endlich, bis das Auge bis zum geniessenden Sehen fortschreitet! Das ist ein langer, viele Stadien umfassender Weg, und Unzählige gelangen nicht bis zur gewohnheitsmässigen Apperzeption der wechselnden Lichter und Schatten, die alles Sichtbare umspielen. Diese bei bevorzugten Menschen, etwa bei bildenden Künstlern, erreichte, gesteigerte Wahrnehmung schliesslich zum synthetischen Sehen, zum Sehen mit Genuss auszubilden, ist das Ziel, auf das derVerfasser dieser kleinen frisch und gemeinverständlich geschriebenen Schrift eindringlich hinweist. Diese Augenfrische, die stete Bereitschaft zur Kontemplation herbeizuführen, ist allerdings keine leichte Sache, sie erfordert ein sehr häufig wiederholtes Exerzitium. Sie ist eigentlich eine erworbene Nervenfertigkeit, die etwa dieselbe Stufe einnimmt, wie der Feldherrnblick, das rasche Notenlesen oder die zur Lösung von Schachaufgaben erforderliche tiefe Betrachtung des Problems. Inwieweit diese Übung nun wirklich bethätigt und die Intuition erreicht wird, hängt von der Begabung, Neigung und dem erweckten Interesse ab. Dass wir Nordländer mehr Hörmenschen als Sehmenschen sind, hängt sehr mit unseren Lebensgewohnheiten zusammen, und diese in Gedanken abzuwerfen, ist gar keine Kleinigkeit. Das Hören, das Reden, die Lektüre, das Einerlei der Umgebung wirkt der Lust der freien Betrachtung dauernd entgegen. Darum
verweist der Verfasser auch auf den Verkehr mit der unerschöpflich reichen, unendlichen vielgestaltigen Natur, an der wir unsere Augen stählen und stärken können, wenn wir sie mit den Augen des Künstlers, ohne Begierde, als »Weltauge«, wie es Schopenhauer nennt, erfassen. Zwei Dinge sind es aber, bei denen wir dem Verfasser dieser trefflichen kleinen Schrift etwas anzumerken haben. Das erste betrifft Schiller’s Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen. Schiller’s Auffassung ist die reifste und tiefste, die sich denken lässt: ihm ist die ästhetische Bildung die Frucht, das Ergebnis der ästhetischen Erziehung. Wenn wir in dem Sinne des Verfassers künstlerisch sehen gelernt haben, sind wir noch weit von dem idealen Ziele entfernt, das Schiller gekennzeichnet hat, nach dem wir immer zu streben haben, wenn wir es auch nie erreichen. Dass Schiller’s Tiefe gar selten ermessen wird, liegt daran, dass man ihn meist zu früh kennen lernt, zu einer Zeit, wo man seine philosophischen Schriften nur durchläuft, nicht durchdenkt. — Die andere Bemerkung betrifft Thausing’s Ausspruch, er könne sich recht gut eine Geschichte der Kunst denken, in der das Wort schön gar nicht vorkomme. Es verlohnt sich Thausing’s Meinung, nicht einen einzigen Satz kennen zu lernen. Er sagt in seinem Aufsatze über die Stellung der Kunstgeschichte als Wissenschaft folgendes:
Zu der Einsicht, dass ... Geschmacksurteile stets nur relativen Wert haben und sich im Wechsel der Zeiten und Verhältnisse fortwährend und sehr wesentlich ändern, zu dieser Einsicht sind die meisten unserer Kunstschriftsteller entweder nicht durchgedrungen oder sie machen keinen Gebrauch davon . . . Mit der Ästhetik als philosophischer Disziplin hat die Kunstgeschichte nichts gemein, oder doch nicht mehr, als etwa die politische Geschichte mit der Moralphilosophie . . . das heisst sie liefert der Ästhetik wohl einen Teil ihres Stoffes zur weiteren philosophischen Verarbeitung, ob aber diese davon Gebrauch macht oder nicht, das tangiert die kunstgeschichtliche Forschung keineswegs. Die Kunstgeschichte ist jedenfalls nicht berechtigt, auch ihrerseits in das philosophische Gebiet hinüber und hinauf zu greifen . . . was sie zu Tage fördern will, sind nicht ästhetische Urteile, sondern historische Thatsachen . . . Der Massstab der Kunstgeschichte ist kein ästhetischer; derselbe ist überhaupt kein absoluter, sondern ein relativer, je nach der auf- oder absteigenden Richtung, welcher die Kunstentfaltung einer Epoche folgt. Die Frage z. B., ob ein Gemälde schön sei, ist in der Kunstgeschichte gar nicht gerechtfertigt. Ich kann mir die beste Kunstgeschichte denken, in der das Wort »schön« gar nicht vorkommt. Sollte Thausing hier nicht recht haben? Zum Geniessen ist die Kunstgeschichte nicht da, sie ist kein Spiel, sondern Arbeit. Das meint natürlich auch der Verfasser der vorliegenden Schrift, der selbst exakte Studien veröffentlicht hat. In dem Zusammenhänge, in dem er den Thausing’schen Ausspruch anführt, könnte er aber leicht missverstanden werden.
Dr. Emil Jaeschke, Die Antike in der bildenden Kunst der Renaissance. I. Die Antike in der Florentiner Malerei des Quattrocento. Strassburg, 7. H., Ed. Heitz (Heitz & Mündel) 1900. (Zur Kunstgeschichte des Auslandes, Heft III.) 62 S.
Das vorliegende Buch will den Anfang machen zu einer systematischen Behandlung der Frage nach dem Einflüsse der Antike auf die bildende Kunst der Renaissance. Florenz bildet den Ausgangspunkt und eine Darlegung der Kulturverhältnisse ist der Hintergrund für J.’s Ausführungen. Im Mittelalter und bei Giotto bleibt die Antike nebensächlich; es treten nur gelegentliche Anklänge
Endlich ist auch das zweite »bürgerliche« Rokoko Louis-Philippe’s durch einige Beispiele vertreten. Für eine längliche Schüssel ist ein zierliches Modell des 18. Jahrhunderts benutzt, wovon eine alte, fein bemalte Abformung in der Museumssammlung zu sehen ist; die Feinheiten des Reliefs sind durch das breite, schwere Goldornament ganz verdeckt, Beweis der nun eingetretenen Roheit des kunstgewerblichen Geschmacks. KARL STEINACKER.
BÜCHERSCHAU
Die Erziehung zum Sehen von Ludwig Volkmann. Ein Vortrag, Leipzig, Voigtländer’s Verlag. 48 S., 0,75 M.
»Die meisten Menschen haben ihre Augen nur im Kopfe, um sich nicht den Schädel einzustossen«. Diesen Ausspruch Giovanni Morelli’s berichtet uns Moriz Thausing in den Wiener Kunstbriefen 1883. Das gleiche Leitmotiv beherrscht auch das vorliegende kleine Schriftchen, das seinen Mitmenschen die Augen öffnen möchte. Sehen ist ja eine grosse und schwere Kunst, die von Geburt an mühsam gelernt wird. Wie lange dauert es, bis der Säugling im stände ist, seine Augäpfel mit den sechs Zügeln, die jeder hat, zu regieren, so dass sie endlich das Fixieren lernen! Wie lange währt es ferner, bis der Wille die Ciliarmuskeln beherrscht, damit Nahes und Fernes je nach Wunsch deutlich und scharf wird! Wieviel Mühe kostet es alsdann, bis aus dem Anglotzen ein verständnisvolles Erkennen und Begreifen wird! Und wieviel Zeit der Übung braucht es endlich, bis das Auge bis zum geniessenden Sehen fortschreitet! Das ist ein langer, viele Stadien umfassender Weg, und Unzählige gelangen nicht bis zur gewohnheitsmässigen Apperzeption der wechselnden Lichter und Schatten, die alles Sichtbare umspielen. Diese bei bevorzugten Menschen, etwa bei bildenden Künstlern, erreichte, gesteigerte Wahrnehmung schliesslich zum synthetischen Sehen, zum Sehen mit Genuss auszubilden, ist das Ziel, auf das derVerfasser dieser kleinen frisch und gemeinverständlich geschriebenen Schrift eindringlich hinweist. Diese Augenfrische, die stete Bereitschaft zur Kontemplation herbeizuführen, ist allerdings keine leichte Sache, sie erfordert ein sehr häufig wiederholtes Exerzitium. Sie ist eigentlich eine erworbene Nervenfertigkeit, die etwa dieselbe Stufe einnimmt, wie der Feldherrnblick, das rasche Notenlesen oder die zur Lösung von Schachaufgaben erforderliche tiefe Betrachtung des Problems. Inwieweit diese Übung nun wirklich bethätigt und die Intuition erreicht wird, hängt von der Begabung, Neigung und dem erweckten Interesse ab. Dass wir Nordländer mehr Hörmenschen als Sehmenschen sind, hängt sehr mit unseren Lebensgewohnheiten zusammen, und diese in Gedanken abzuwerfen, ist gar keine Kleinigkeit. Das Hören, das Reden, die Lektüre, das Einerlei der Umgebung wirkt der Lust der freien Betrachtung dauernd entgegen. Darum
verweist der Verfasser auch auf den Verkehr mit der unerschöpflich reichen, unendlichen vielgestaltigen Natur, an der wir unsere Augen stählen und stärken können, wenn wir sie mit den Augen des Künstlers, ohne Begierde, als »Weltauge«, wie es Schopenhauer nennt, erfassen. Zwei Dinge sind es aber, bei denen wir dem Verfasser dieser trefflichen kleinen Schrift etwas anzumerken haben. Das erste betrifft Schiller’s Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen. Schiller’s Auffassung ist die reifste und tiefste, die sich denken lässt: ihm ist die ästhetische Bildung die Frucht, das Ergebnis der ästhetischen Erziehung. Wenn wir in dem Sinne des Verfassers künstlerisch sehen gelernt haben, sind wir noch weit von dem idealen Ziele entfernt, das Schiller gekennzeichnet hat, nach dem wir immer zu streben haben, wenn wir es auch nie erreichen. Dass Schiller’s Tiefe gar selten ermessen wird, liegt daran, dass man ihn meist zu früh kennen lernt, zu einer Zeit, wo man seine philosophischen Schriften nur durchläuft, nicht durchdenkt. — Die andere Bemerkung betrifft Thausing’s Ausspruch, er könne sich recht gut eine Geschichte der Kunst denken, in der das Wort schön gar nicht vorkomme. Es verlohnt sich Thausing’s Meinung, nicht einen einzigen Satz kennen zu lernen. Er sagt in seinem Aufsatze über die Stellung der Kunstgeschichte als Wissenschaft folgendes:
Zu der Einsicht, dass ... Geschmacksurteile stets nur relativen Wert haben und sich im Wechsel der Zeiten und Verhältnisse fortwährend und sehr wesentlich ändern, zu dieser Einsicht sind die meisten unserer Kunstschriftsteller entweder nicht durchgedrungen oder sie machen keinen Gebrauch davon . . . Mit der Ästhetik als philosophischer Disziplin hat die Kunstgeschichte nichts gemein, oder doch nicht mehr, als etwa die politische Geschichte mit der Moralphilosophie . . . das heisst sie liefert der Ästhetik wohl einen Teil ihres Stoffes zur weiteren philosophischen Verarbeitung, ob aber diese davon Gebrauch macht oder nicht, das tangiert die kunstgeschichtliche Forschung keineswegs. Die Kunstgeschichte ist jedenfalls nicht berechtigt, auch ihrerseits in das philosophische Gebiet hinüber und hinauf zu greifen . . . was sie zu Tage fördern will, sind nicht ästhetische Urteile, sondern historische Thatsachen . . . Der Massstab der Kunstgeschichte ist kein ästhetischer; derselbe ist überhaupt kein absoluter, sondern ein relativer, je nach der auf- oder absteigenden Richtung, welcher die Kunstentfaltung einer Epoche folgt. Die Frage z. B., ob ein Gemälde schön sei, ist in der Kunstgeschichte gar nicht gerechtfertigt. Ich kann mir die beste Kunstgeschichte denken, in der das Wort »schön« gar nicht vorkommt. Sollte Thausing hier nicht recht haben? Zum Geniessen ist die Kunstgeschichte nicht da, sie ist kein Spiel, sondern Arbeit. Das meint natürlich auch der Verfasser der vorliegenden Schrift, der selbst exakte Studien veröffentlicht hat. In dem Zusammenhänge, in dem er den Thausing’schen Ausspruch anführt, könnte er aber leicht missverstanden werden.
Dr. Emil Jaeschke, Die Antike in der bildenden Kunst der Renaissance. I. Die Antike in der Florentiner Malerei des Quattrocento. Strassburg, 7. H., Ed. Heitz (Heitz & Mündel) 1900. (Zur Kunstgeschichte des Auslandes, Heft III.) 62 S.
Das vorliegende Buch will den Anfang machen zu einer systematischen Behandlung der Frage nach dem Einflüsse der Antike auf die bildende Kunst der Renaissance. Florenz bildet den Ausgangspunkt und eine Darlegung der Kulturverhältnisse ist der Hintergrund für J.’s Ausführungen. Im Mittelalter und bei Giotto bleibt die Antike nebensächlich; es treten nur gelegentliche Anklänge