gewiesen hat, dass z. B. Cäcilius, ein attischer Kritikaster der augusteischen Zeit, sie »ein verfehltes Koloss« genannt hat. So kam gegenüber dem milden Typus des Phidias der gleichzeitige energischere mit stark gelocktem Haar, der kraftvolles Herrscherwesen ausdrückt, zur bildlichen Überlieferung. — Endlich bringt der Münchner Archäologe eine längst gehegte Vermutung zum Ausdruck, der auch eine Begründung nicht fehlt: »Sollte nicht das Phidiasische Ideal des Zeus von Olympia, das in der antiken Kunst vereinzelt dasteht und ohne Nachfolge geblieben ist, sollte es nicht dagegen bis auf den heutigen Tag fortleben in unserem Typus von Christus?« Die Legende erzählt ja von einem Maler des 5. Jahrhunderts in Byzanz, der Christus im Typus des Zeus malte und dem darob die Hand vertrocknete, was aber Gennadios durch Gebet wieder heilte. Die Kirche verdammte die Nachbildung des Zeus im Christus jedenfalls — wenn sie es merkte. Aber Theologen konnten keine Kunsttypen schaffen und zu allen Zeiten haben Künstler nicht anders wie auf Grundlage vorhandener Kunst schaffen können. So mag etwas von dem Geiste der grossartigsten Schöpfung des Phidias in unserem bärtigen Christustypus mit seinem schlichten, leise gewellten, bis zum Schulteransatz fallenden gescheitelten Haar, der von Osten kommend den jugendlich bartlosen Typus verdrängte, fortleben. m.
Zum Schlüsse des Jahres 1902 wird uns noch das archäologische »book of the season« beschert: Wilhelm Dörpfeld’s »Troja und Ilion«. Ergebnisse der Ausgrabungen in den vorhistorischen und historischen Schichten von Ilion 1870 — 1894. In diesem zweibändigen Werke von zusammen 650 Seiten mit 471 Abbildungen im Text, 68 Beilagen und 8 Tafeln sind die wissenschaftlichen Resultate aller Ausgrabungen, die seit dreissig Jahren in den prähistorischen und historischen Schichten von Troja stattgefunden haben, zusammengestellt. Kaiser Wilhelm II., der auf Befürwortung des Reichskanzlers und des preussischen Kultusministers die erforderlichen Mittel für den Abschluss der Ausgrabungen in Troja und für die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse 1894 bewilligt hat, hat die Widmung des Buches angenommen. Eine Reihe von Mitarbeitern haben unter Führung Dörpfeld’s den Plan des Buches aufgestellt und zur Ausführung gebracht. Alfred Brückner behandelt die Geschichte von Troja und Ilion und die jetzt (1893/4) und früher gefundenen Inschriften, Hubert Schmidt die gesamte Keramik, Alfred Götze die übrigen prähistorischen Kleinfunde, Hermann Winnefeld die Bildwerke aus Marmor und Thon sowie die Gräber und Grabhügel, Dörpfeld selbst die Geschichte der Ausgrabung, die Bauwerke der verschiedenen Schichten und den Vergleich der Ruinen mit dem Troja Homer’s. Wilhelm Wilberg ist bei der Herstellung der Aufnahmen und Pläne der Bauwerke dem Athenischen Institutssekretär behilflich gewesen. Hans von Fritze hat den Abschnitt über Münzen geschrieben, der einzige Mitarbeiter am Buche, der nicht auch bei den Ausgrabungen selbst thätig gewesen ist. Die Verleger, Beck & Barth in Athen, haben in Druck und Ausstattung des wichtigen Werkes ganz Treffliches geleistet. — Wenn wir bei dieser Gelegenheit auf die litterarische Produktion zur klassischen Archäologie des Jahres 1902 zurückblicken, glauben wir nur ein Werk noch anführen zu dürfen, das sich mit dem Dörpfeld’schen in seiner Art messen kann: das Resultat dreissigjähriger Forschung und dreissigjährigen Sammelns, das der berühmte römische Topograph Rodolfo Lanziani in seiner Storia dcgli Scavi di Roma e notizie intorno le collezioni Romane di Antichitâ niederlegte, dessen erster Band (ca. 1000—1530), sechs Jahrhunderte von Ausgrabungen und Antiquitätensammeln umfassend, im August dieses Jahres
bei Ermanno Loescher & Co. in Rom erschienen ist. Auch diese gewaltige Materialiensammlung, die in fünf Bänden über 60000 Notizen gliedern und zugänglich machen wird, verdient in erster Linie genannt zu werden. m.
INSTITUTE
Rom. Archäologisches Institut. In der Festsitzung am 12. Dezember begrüsste Professor Petersen die sehr zahlreich erschienenen Anwesenden und leitete mit einem kurzen Hinweis auf das seit Winckelmann’s Tagen so gewaltig ausgedehnte Forschungsgebiet der Archäologie die Ankündigung ein, dass dem Archäologischen Institut für die Leitung der römisch - germanischen Forschung in Deutschland eine eigene Kommission unter dem Vorsitz von Professor Dragendorf in Frankfurt a. M. angegliedert sei. Er gedachte dann des schweren Verlustes, den gerade diese Forschung im vergangenen Jahre durch den Tod Karl Zangenmeister’s und Felix Hettner’s erlitten hat. Professor Hülsen legte den Abschluss der Stadtrömischen Inschriften des grossen Corpus vor. Er sprach dabei den italienischen Gelehrten und Behörden Dank und Anerkennung aus und hob die bleibenden Verdienste von W. Henzen und Th. Mommsen um dieses Monumentaiwerk hervor. Professor Karl Robert aus Halle gab in italienischer Rede eine treffende und auf glückliche Kombinationen begründete Erklärung zweier römischer Rhea Silvia-Sarkophage aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. Besonders wertvoll war die Indentifizierung einer auf einem der Sarkophage dargestellten zuschauenden Göttin mit der Venus des berühmten Venus- und Romatempels Hadrian’s. Dr. Paul Hartwig hatte einen Gipsabguss der vatikanischen Demosthenes-Statue ausgestellt. Er konstatierte zunächst, dass die Haltung der Hände, insofern sie von der durch antikes Zeugnis verbürgten abweiche, erst von moderner Ergänzung herrühre. Nun war von ihm schon früher das Fragment zweier ineinander gefalteter Hände vorgelegt worden, deren Zugehörigkeit zu einer Demosthenes-Statue alsbald von ihm vermutet worden war. Er brachte jetzt für diese Vermutung den glänzenden Beweis, indem er vor den Augen der Anwesenden die falsche Restauration entfernte und einen Gipsabguss der beim Palazzo Barberini gefundenen Hände an die Stelle setzte. Der Vortragende hob dann in überzeugender Weise die grossen Vorzüge dieses Motivs sowohl für die Komposition der Statue als auch für den Charakter des Dargestellten hervor. Glücklichste Bestätigung erfuhr endlich Dr. Hartwig’s schöne Entdeckung durch einen gleichfalls aus jenem Funde stammenden Marmorfuss, der von Dr. Amelung aufgefundenen und als rechter Fuss des Demosthenes erkannt worden war. — Die Sitzung vom 19. Dezember leitete der Vorsitzende mit einigen Worten über Dr. Delbrück’s Bearbeitung dreier römischer Tempelreste ein. Dann ergriff Dr. Delbrück selbst das Wort und berichtete über seine jüngsten, von der italienischen Regierung freundlichst unterstützten Untersuchungen und Grabungen in Segni. Auf einer Plattform ziemlich in der Mitte der Stadt, hoch gelegen, stand ein Tempel mit der Front nach Süden. Er hatte drei Zellen, die mittlere, jetzt von der Kathedrale eingenommene, breiter, die seitlichen schmäler mit abgerundeten Hintermauern. Vor den Zellen drei Reihen von je vier Säulen. Die Bestimmung als Kapitolium wurde durch einige Terrakottafragmente gestützt, die sich auf Juno und Minerva deuten lassen. Diese und andere plastische Reste gestatteten ferner die Entstehungszeit des Tempels ins erste Viertel des fünften Jahrhunderts v. Chr. zu bestimmen. — Dann sprach Professor Petersen über Trajan’s Donaubrücke und Kanal. Beide werden in einem Briefe des Plinius nebeneinander
Zum Schlüsse des Jahres 1902 wird uns noch das archäologische »book of the season« beschert: Wilhelm Dörpfeld’s »Troja und Ilion«. Ergebnisse der Ausgrabungen in den vorhistorischen und historischen Schichten von Ilion 1870 — 1894. In diesem zweibändigen Werke von zusammen 650 Seiten mit 471 Abbildungen im Text, 68 Beilagen und 8 Tafeln sind die wissenschaftlichen Resultate aller Ausgrabungen, die seit dreissig Jahren in den prähistorischen und historischen Schichten von Troja stattgefunden haben, zusammengestellt. Kaiser Wilhelm II., der auf Befürwortung des Reichskanzlers und des preussischen Kultusministers die erforderlichen Mittel für den Abschluss der Ausgrabungen in Troja und für die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse 1894 bewilligt hat, hat die Widmung des Buches angenommen. Eine Reihe von Mitarbeitern haben unter Führung Dörpfeld’s den Plan des Buches aufgestellt und zur Ausführung gebracht. Alfred Brückner behandelt die Geschichte von Troja und Ilion und die jetzt (1893/4) und früher gefundenen Inschriften, Hubert Schmidt die gesamte Keramik, Alfred Götze die übrigen prähistorischen Kleinfunde, Hermann Winnefeld die Bildwerke aus Marmor und Thon sowie die Gräber und Grabhügel, Dörpfeld selbst die Geschichte der Ausgrabung, die Bauwerke der verschiedenen Schichten und den Vergleich der Ruinen mit dem Troja Homer’s. Wilhelm Wilberg ist bei der Herstellung der Aufnahmen und Pläne der Bauwerke dem Athenischen Institutssekretär behilflich gewesen. Hans von Fritze hat den Abschnitt über Münzen geschrieben, der einzige Mitarbeiter am Buche, der nicht auch bei den Ausgrabungen selbst thätig gewesen ist. Die Verleger, Beck & Barth in Athen, haben in Druck und Ausstattung des wichtigen Werkes ganz Treffliches geleistet. — Wenn wir bei dieser Gelegenheit auf die litterarische Produktion zur klassischen Archäologie des Jahres 1902 zurückblicken, glauben wir nur ein Werk noch anführen zu dürfen, das sich mit dem Dörpfeld’schen in seiner Art messen kann: das Resultat dreissigjähriger Forschung und dreissigjährigen Sammelns, das der berühmte römische Topograph Rodolfo Lanziani in seiner Storia dcgli Scavi di Roma e notizie intorno le collezioni Romane di Antichitâ niederlegte, dessen erster Band (ca. 1000—1530), sechs Jahrhunderte von Ausgrabungen und Antiquitätensammeln umfassend, im August dieses Jahres
bei Ermanno Loescher & Co. in Rom erschienen ist. Auch diese gewaltige Materialiensammlung, die in fünf Bänden über 60000 Notizen gliedern und zugänglich machen wird, verdient in erster Linie genannt zu werden. m.
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Rom. Archäologisches Institut. In der Festsitzung am 12. Dezember begrüsste Professor Petersen die sehr zahlreich erschienenen Anwesenden und leitete mit einem kurzen Hinweis auf das seit Winckelmann’s Tagen so gewaltig ausgedehnte Forschungsgebiet der Archäologie die Ankündigung ein, dass dem Archäologischen Institut für die Leitung der römisch - germanischen Forschung in Deutschland eine eigene Kommission unter dem Vorsitz von Professor Dragendorf in Frankfurt a. M. angegliedert sei. Er gedachte dann des schweren Verlustes, den gerade diese Forschung im vergangenen Jahre durch den Tod Karl Zangenmeister’s und Felix Hettner’s erlitten hat. Professor Hülsen legte den Abschluss der Stadtrömischen Inschriften des grossen Corpus vor. Er sprach dabei den italienischen Gelehrten und Behörden Dank und Anerkennung aus und hob die bleibenden Verdienste von W. Henzen und Th. Mommsen um dieses Monumentaiwerk hervor. Professor Karl Robert aus Halle gab in italienischer Rede eine treffende und auf glückliche Kombinationen begründete Erklärung zweier römischer Rhea Silvia-Sarkophage aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. Besonders wertvoll war die Indentifizierung einer auf einem der Sarkophage dargestellten zuschauenden Göttin mit der Venus des berühmten Venus- und Romatempels Hadrian’s. Dr. Paul Hartwig hatte einen Gipsabguss der vatikanischen Demosthenes-Statue ausgestellt. Er konstatierte zunächst, dass die Haltung der Hände, insofern sie von der durch antikes Zeugnis verbürgten abweiche, erst von moderner Ergänzung herrühre. Nun war von ihm schon früher das Fragment zweier ineinander gefalteter Hände vorgelegt worden, deren Zugehörigkeit zu einer Demosthenes-Statue alsbald von ihm vermutet worden war. Er brachte jetzt für diese Vermutung den glänzenden Beweis, indem er vor den Augen der Anwesenden die falsche Restauration entfernte und einen Gipsabguss der beim Palazzo Barberini gefundenen Hände an die Stelle setzte. Der Vortragende hob dann in überzeugender Weise die grossen Vorzüge dieses Motivs sowohl für die Komposition der Statue als auch für den Charakter des Dargestellten hervor. Glücklichste Bestätigung erfuhr endlich Dr. Hartwig’s schöne Entdeckung durch einen gleichfalls aus jenem Funde stammenden Marmorfuss, der von Dr. Amelung aufgefundenen und als rechter Fuss des Demosthenes erkannt worden war. — Die Sitzung vom 19. Dezember leitete der Vorsitzende mit einigen Worten über Dr. Delbrück’s Bearbeitung dreier römischer Tempelreste ein. Dann ergriff Dr. Delbrück selbst das Wort und berichtete über seine jüngsten, von der italienischen Regierung freundlichst unterstützten Untersuchungen und Grabungen in Segni. Auf einer Plattform ziemlich in der Mitte der Stadt, hoch gelegen, stand ein Tempel mit der Front nach Süden. Er hatte drei Zellen, die mittlere, jetzt von der Kathedrale eingenommene, breiter, die seitlichen schmäler mit abgerundeten Hintermauern. Vor den Zellen drei Reihen von je vier Säulen. Die Bestimmung als Kapitolium wurde durch einige Terrakottafragmente gestützt, die sich auf Juno und Minerva deuten lassen. Diese und andere plastische Reste gestatteten ferner die Entstehungszeit des Tempels ins erste Viertel des fünften Jahrhunderts v. Chr. zu bestimmen. — Dann sprach Professor Petersen über Trajan’s Donaubrücke und Kanal. Beide werden in einem Briefe des Plinius nebeneinander