Ein neues Erkennungszeichen für alte Bilder. Der Pariser Kriminalist Bertilion hat, wie bekannt, in letzter Zeit seinem Systeme der Identifizierung einer Person durch Messung gewisser Körperteile noch ein neues, nach seiner Behauptung geradezu untrügliches Kennzeichen angefügt, nämlich: das photographische Bild der Fingerabdrücke. Es ist ihm gelungen, die Linien und Poren einen solchen Abdruckes bis in ihre subtilsten Verteilungen festzuhalten und nach einem besonderen System diese Abdrücke, welche bei jedem Menschen durchaus eigentümlich sind, zu klassieren. Ein sinnreiches Schema ermöglicht es ferner, festzustellen, ob ein neu gemachter Fingerabdruck sich mit irgend einem der schon festgestellten deckt. Nun hat in der »Neuen Freien Presse« jemand die Beobachtung mitgeteilt, dass gewisse alte Meister die Neigung hatten, einzelne Partien der Oberfläche ihres Bildes mit dem Daumen zu behandeln. So ist z. B. nach den Angaben unseres Gewährsmannes an Dürer’s Allerheiligenbild mit der Lnpe an einzelnen Stellen eine solche Behandlung sichtbar. — Das Schlussglied dieser Gedankenkette ist nun bald gefunden: es wäre mit einem Worte möglich, wenn sich an einem unbeglaubigten Bilde eines Meisters Fingereindrücke finden und das Daumenbild dieses Meisters nach beglaubigten Werken seiner Hand etwa schon festgestellt wäre, einen Identitätsnachweis auf dieser Grundlage zu erbringen. Allerdings müsste man zunächst den Restauratoren — auf die Finger sehen.
In Hamburg ist nach langjähriger Verborgenheit im Auslande ein einheimisches Gemälde aufgetaucht und in dortigen Privatbesitz übergegangen, das für die moderne Hamburger Lokalkunst von Wichtigkeit ist. Es ist das Aquarellbildnis des Malers Jakob Gensler, gemalt von Hermann Kauffmann. Das Bild soll so ausgezeichnet sein, dass es Kenner für eins der schönsten Porträts erklärten, die je in Hamburg geschaffen sind.
In Wien tobt gegenwärtig ein ungemein heftiger Kampf um den Bau des städtischen Museums. Wir hatten früher schon berichtet, dass die beiden Konkurrenten um das Projekt: Otto Wagner mit einem durch und durch modernen Entwurf und Schachner mit einem der Gewohnheit entsprechenden waren. Im Preisgericht erhielt Schachner’s Projekt die grössere Stimmenzahl. Jetzt ist
die Frage der Ausführung an den Gemeinderat gekommen und ist hier selbstverständlich ins Politische übersetzt worden. Was werden wird, ist noch unbestimmt, zunächst hat aber die Majorität den, wie uns scheinen will, sehr vernünftigen Entschluss durchgesetzt, dass erst einmal von beiden Projekten genaue Modelle unter Einschluss des ganzen Karlsplatzes hergestellt werden.
Florenz. Castagno’s vor einigen Jahren aufgedecktes Fresko der Annunziatenkirche mit dem heiligen Hieronymus im Mittelpunkt ist den Blicken wieder entzogen und wiederum steht Alessandro Allori’s »Jüngstes Gericht« auf dem Altar. Die Patrone der Kapelle waren müde das Fresko zu sehen und die bloss gelegten Mauern; nach ihren Anschauungen war dies sicherlich »indecente«. Wenn man nicht ohne Einschränkung den Kunsthistoriker-Standpunkt als den richtigen proklamiert, wonach jedes Werk der älteren Kunst unter allen Umständen gezeigt werden muss, kann man ihnen nicht ganz unrecht geben. Es sah wirklich hässlich aus, halb fertig oder besser halb auf Abbruch. Aber man muss sich wundern, dass nicht ein sehr einfacher Ausweg gewählt wird, der den Vorzug hat, den Wünschen der Patrone und den legitimen Ansprüchen der Kunstfreunde zugleich gerecht zu werden. Wenn man nämlich das Altarbild mit Scharnieren versieht und beweglich macht — so wie z. B. im Palazzo Pitti ganz grosse Bilder ohne jede Schwierigkeit von der Wand in besseres Licht gedreht werden können —, so würde es jeden Augenblick möglich sein, auf Wunsch das Fresko zu zeigen: sonst aber würde die Kapelle in ihrem einheitlichen Schmucke nicht gestört. Dasselbe Prinzip müsste auf die Nachbarkapelle angewendet werden, wo ein anderes Castagnofresko — auf wenige Tage im Frühjahr, wie seiner Zeit gemeldet, sichtbar — hinter einem Altarbild verborgen ist. — Eine kurze Berichtigung über meine neulichen Angaben betreffend die Photographien von Brogi sei hier zugefügt. In den jetzt vorbereiteten Katalog sind auch die älteren Aufnahmen aus früheren Jahren einbezogen worden, die noch nicht mit isochromatischem Verfahren hergestellt sind. Es sind zumeist die hervorgehobenen Aufnahmen seltener Florentiner Kunstwerke dabei. Trotzdem bleiben diese wertvoll, da es vielfach die einzigen existierenden Reproduktionen sind. G. Gr.
Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig
Die Kunst der Renaissance in Italien
Von Adolf Philippi
Zwei starke Bände gr. 8° mit 427 Abbil
dungen und einem Lichtdruck.
Gebunden in 2 eleg. Leinenbände 16 M., in 2 Halbfranzbände 20 M.
Die Kunst des 15. u. 16. Jahrhunderts in Deutschland und den Niederlanden
Von Adolf Philippi
Ein Band gr. 8° mit 292 Abbildungen. Gebunden in Leinen 10 M.,
in Halbfranzband 11 M.
Inhalt: Ausstellung von Ffirstenberger Porzellan aus Privatbesitz im Herzoglichen Museum zu Braunschweig. Von Karl Steinacker. Die Erziehung zum Sehen von Ludwig Volkmann; Dr. Emil Jeschke, Die Antike in der bildenden Kunst der Renaissance. — Artur Kampf und Kallmorgen Vorsitzende der Berliner Kunstausstellung. — Zum Parthenonfries und zum betenden Knaben; Vom olympischen Zeus des Phidias; Wilhelm DörpfeJd’s »Troja und Ilion«. — Rom, Archäologisches Institut. — Germanisches Museum in Harvard; Rom, Kapitolinisches Museum; Ankauf für die Hamburger Kunsthalle; Sammlungen H. W. Mesdag; Budapester Kunstausstellungen. — Preisausschreiben für Plakate; Breslau, Bismarckbrunnen-Wcttbewerb. — Auktion bei Frederik Müller & Cie. — Nochmals die sogenannte himmlische und irdische Liebe; Ein neues Erkennungszeichen für alte Bilder; Hamburg, Aqurellbildiiis des Malers Jakob Gensler; Wien, Bau des städtischen Museums; Florenz, Castagno’s Fresko. — Anzeigen.
Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstrasse 13.
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G. m. b. H., Leipzig.
Soeben erschienen:
Katalog XXXVIII: Kupferstiche, Radierungen und Holz
schnitte der deutschen und niederländischen Schule. Katalog XXXIX: Miniaturen und miniaturenartig ge
rahmte Kupferstiche. Katalog XL: Alte Porzellangruppen, Figuren und Ge
fässe aus adeligem Besitze. Gratis gegen Portoersatz durch
Hugo Helbing, München
Liebigsfr. 21 * Wagmüllersfr. 15