Begabung des Malers und für die Grösse seines Könnens. Aber viel lieber betrachtet man doch ein Gemälde, das mit der Treue der Beobachtung und Lebenswahrheit der Schilderung zeichnerische und malerische Vorzüge und starke echte Empfindung so ganz verbindet, wie der »Zigeunertanz«, und viel mehr Freude als jene nicht von Effekthascherei freien Darstellungen gewähren einzelne kleine, farbig besonders schöne »Pferdestudien«.
Das Krankhafte in Anglada’s Bildern macht sich hier aber um so stärker fühlbar, als gleichzeitig in demselben Saale das Bild eines Deutschen gezeigt wird, das von blühender Gesundheit und quellender Frische förmlich strotzt, und gegen das übrigens auch, was sonst noch vorhanden, wie die trefflichen Schneebilder des Skandinaviers Anshelm Schnitzt erg, die tüchtigen, wenn auch nicht so wie wir es gewohnt sind, befriedigenden Gemälde Eugen Bracht’s, und wie die im einzelnen zum Teil sehr feinen, in der Gesamtheit aber recht langweilig wirkenden Werke der »Group of Glasgow landscape painters«, völlig zurücktritt und verblasst, nämlich die in natürlicher Grösse geschilderte Landschaft »Mittagsbrüten« von Carl Vinnen- Osterndorf. Es ist ein Werk von grossartiger, herrlicher Lebenswahrheit und Klarheit, erfüllt und durchglüht von Reinheit und Tiefe der Empfindung und Stimmung, ein Bild, so schlicht und monumental, und trotz der neun Jahre, die Vinnen zur Vollendung gebraucht, wie gesagt, so frisch, so farbenleuchtend, dass man es ein Meisterwerk nennen und wieder und wieder den innigen Wunsch aussprechen darf, dies durch und durch deutsche Kunstwerk möge der Nationalgalerie einverleibt werden, die ja »der deutschen Kunst« geweiht ist! pma Wamcke.
PERSONALIEN
Der Maler Professor Albert Kornek, Senior der Berliner Künstlerschaft, hat am 11. Januar sein 90. Lebensjahr vollendet.
DENKMALPFLEGE
Vom Meissner Dombau. In der Meissner Dombauangelegenheit sind wichtige Entscheidungen gefallen. Am 30. Dezember 1902 fand in Dresden die Hauptversammlung des Dombauvereins statt. Sie war ganz schwach besucht, so dass der Vorstand die Mehrzahl der Stimmen hatte. Drei Tage vorher war endlich die längst versprochene Denkschrift erschienen, die über die Geschichte, die Thaten und die Pläne des Vereins Auskunft giebt. Der erste Teil ist vom Oberschulrat Dr. Peter in Meissen, dem zweiten Vorsitzenden des Dombauvereins, verfasst. Man erfährt daraus nicht gerade viel Neues. Der Vorstand bleibt trotz aller Einwände von zuständigen Seiten auf seinen Plänen bestehen. Zustimmung zu der Absicht, nach Schäfer’s Entwurf zwei Türme zu bauen, kann der Bericht keine anführen, als die des inzwischen verstorbenen Frankfurter Architekten Linnemann, der bekanntlich zuerst einen eigenen Entwurf eingereicht, dann aber sich eine Zeitlang für den Schäfer’schen Entwurf erklärt hatte. Diese Zustimmung aber hat Linnemann durch eine Zuschrift an die Frankfurter Zeitung ausdrücklich zurückgenommen. Dieses zeitweilige Schwanken Linnemann’s ist neben Wallot’s bekanntem, nirgends schriftlich begründeten Lobwort die einzige Zustimmung, die der Dombauverein für Schäfer anzuführen weiss. Wir können uns das Schwanken nur daraus erklären, dass Linnemann sich dabei beruhigt hat, dass er die Ausführung der Glasfenster im Meissner Dom erhalten werde, dass sich später aber sein künstlerisches Gewissen wieder geregt hat. Es wäre nun gewiss angezeigt gewesen, dass der Vorstand des Meissner Dombauvereins
alle die gewichtigen Stimmen angeführt hätte, die sich gegen Schäfer erklärt haben und dass er sie widerlegte. Davon ist keine Rede. Der sehr wichtige Einwurf des Sächsischen Ingenieur- und Architektenvereins, dass ein zweitürmiges Motiv übermächtig ausfailen werde, wird nur erwähnt. Das Gutachten des Königl sächs. Altertumsvereins mit der Unterschrift des jetzigen Königs von Sachsen wird abgethan mit der Redensart, der Verein habe »erinnern zu müssen geglaubt«, dass nicht die Erneuerung, sondern die Erhaltung des Domes die wichtigste Aufgabe sei. Die Würdigung des Entwurfs durch den Dresdner Architektenverein wird hervorgehoben; die Mahnung des Vereins aber, den Schäfer’schen Entwurf durch Meister der mittelalterlichen Baukunst prüfen zu lassen, hat der Vorstand des Dombauvereins in den Wind geschlagen. Es ist ja möglich, dass ein solches Gutachten eingeholt worden und dass es ungünstig ausgefallen ist, aber erwähnt wird in der Denkschrift keinerlei Gutachten. Gar nicht besprochen wird in der Denkschrift der gewichtige Widerspruch der Professoren Dr. Otto Haupt in Hannover, Dr. Dehio in Strassburg und v. Bezold, ersten Direktors des Germanischen Museums in Nürnberg, ebensowenig der in der Deutschen Bauzeitung und der der berühmten englischen Society for protection of ancient buildings. Betreffs des ausgezeichneten Gurlitt’schen Buches über die Westtürme des Meissner Domes wird auf Schäfer’s Denkschrift hirigewiesen; schliesslich heisst es, der Vorstand verkenne nicht einen gewissen (!) Gegensatz zwischen dem grössten Teile seiner Mitglieder, darunter seine drei Vorsitzenden, und der Mehrzahl der Architekten, er dürfe sich aber nicht darin beirren lassen, die Beschlüsse der Generalversammlung auszuführen (also nichts Sachliches, sondern nur ein rein formelles Bedenken, das sich bei gutem Willen im Handumdrehen aus der Welt schaffen Hesse). Weiter wird noch gesagt, in den weitesten Kreisen des Sachsenlandes herrsche der Wunsch, den Meissner Dom durch monumentale Türme zu krönen. Dass diese weitesten Kreise nur in der Einbildung des Dombauvereins bestehen, ersieht man aus der geringen Mitgliederzahl. Der Vorstand wagt nicht einmal diese Zahl zu nennen, sondern sagt nur, es seien von 1897—1902 insgesamt 23500 M. durch Mitgliederbeiträge eingegangen. Wir hören, er habe nur noch gegen 1100 Mitglieder, darnach wäre die Zahl stark zurückgegangen, wie ja auch aus dem Vorstand eine Anzahl hervorragender Männer ausgetreten sind, weil sie das Vorgehen der Mehrheit nicht billigen konnten.
Es ist endlich aus dem Bericht festzustellen, dass die kritische Arbeit an den Beschlüssen des Dombauvereins nicht gänzlich erfolglos gewesen ist: die Pläne mussten ausgestellt werden, der Königl. sächs. Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler ist ein gewisses Aufsichtsrecht eingeräumt worden, und der Vorstand hat sich trotz der Annahme der Schäfer’schen Pläne entschliessen müssen, Schäfer aufzufordern, er möge überlegen, ob nicht der Aufbau der Türme in etwas zu luftiger und zu wenig geschlossener Weise gedacht sei. Schäfer hat sich zwar dazu bereit erklärt, aber einen neuen Entwurf hat er nicht geliefert. Schäfer hat dazu noch keine Zeit gefunden.
Die Denkschrift Schäfer’s über den Meissner Dombau kann man nicht anders als dürftig nennen. Man sollte doch meinen, er müsste zur Rechtfertigung seiner Entwürfe die Einwürfe seiner Gegner ausführlich widerlegen, er müsste sich vor allen Dingen ausführlich mit Gurlitt’s gewichtiger, so vornehmer und sachlicher Schrift über den Meissner Dom beschäftigen. Die wissenschaftlichen Gründe, die Gurlitt für die dreitürmige Anlage vorbringt und die in der wissenschaftlichen Welt durchaus überzeugt haben, fertigt Schäfer mit ein paar oberflächlich aburteilenden