des Marmors, für dessen griechischen Ursprung Gonse nichts aufzuführen hat, spricht wohl für ein archaisierendes Werk der römischen Kaiserzeit; die meisten Autoritäten erklären den Marmor für italienisch. Mit ausserordentlicher Kunst ist der unter Chiton, ungewöhnlich langer Aegis und Himation durchscheinende Körper gearbeitet, wovon die in der Revue de l’art ancien gegebene Rückansicht den besten Begriff giebt.
Der oben genannte Diadumenos von Vaison, der sich jetzt im British Museum befindet, ist der Ausgangspunkt, von dem aus der römische Professor der Archäologie Emanuel Löwy die Persönlichkeit dieses berühmten Polykletischen Siegers zu bestimmen sucht. In den Wiener Studien (XXIV, 2, soeben erschienen) erkennt er in dem Diadumenos den Pentathlonsieger Pythokles aus Elis, dessen Bildnis Polyklet nach Pausanias VI, 7 für Olympia gefertigt hat. Indem wir auf Löwy’s gelehrte Deduktionen verweisen, wollen wir nur daraus anführen, dass die im Abguss mit der in Olympia erhaltenen Originalbasis verglichene Vaisonstatue nicht nur die erforderliche Deckung der Fiisse mit den Einlassvorrichtungen der olympischen Basis, sondern auch vollkommen übereinstimmende Richtung der Figur ergab. Man hatte selbstverständlich auch an den Polykletischen Doryphoros bei Pythokles gedacht; aber hier .passen Fiisse und Stand des Neapolitaner Pentathlonsiegers, was der Doryphoros ja auch ist, nicht zu den Spuren und Abmessungen der olympischen Basis. Die Pythoklesstatue ist von Olympia, wohl in der Zeit der Antonine oder schon Hadrian’s, weggeführt worden; die olympische Basis zeigt die Spuren der Ersatzstatue. Eine weitere Basis der Pythoklesfigur hat sich auch in Rom vorgefunden, wohin wahrscheinlich das olympische Original verbracht worden war. Aber die römische Basis, die die Spuren mehrfachen Gebrauchs trägt, beweist nichts für das Standmotiv der Polykletischen Figur, welche den rechten Fuss vor-, den linken zurückgesetzt haben muss, wie der Diadumenos, das heisst nach Löwy »Pythokles, der sich die Siegerbinde umwindet«, es thut. m.
Die Aphrodite oder, wie Reinach sie genannt hat, die Amphitrite von Melos, ist gewiss eine der schönsten Marmorstatuen, welche die hohe Kunst des Altertums uns geschenkt hat. Nur die Archäologen können keine reine Freude au der »Venus von Milo« haben; ihr Apfel ist zum Zankapfel geworden, nachdem die Franzosen nicht davon ablassen wollen, ein ,Werk des beginnenden 4. vorchristlichen Jahrhunderts in ihr zu sehen, während die Ansicht, dass sie aus späthellenistischer Zeit stammt, in Deutschland gewichtige Vertreter mit gewichtigen Gründen für sich hat. Reinach hat bis jetzt zur Stütze seines Glaubens an das Alter der Venus die Gleichzeitigkeit mit der athenischen Poseidonstatue, welche ebenfalls auf Melos gefunden wurde und für welche eine Weihinschrift aus dem beginnender 4. Jahrhundert in Anspruch genommen wurde, behauptet. In der Revue archéölogique (September-Oktober 1902) giebt er nun den grossen Poseidon, der bis jetzt der Genosse der Venus war, preis. Der wird als eine 400 Jahre später entstandene Kopie der römischen Kaiserzeit betrachtet, frei nach einem Original, das einmal gleichzeitig mit der Venus entstanden war. Die Venus aber bleibt dem grossen Zeitalter des Praxiteles, vor allem aus Stilgründen, aber auch durch günstige Verschiebung der mit ihr gefundenen Inschriften erhalten. Reinach entgegen führt Furtwängler in den »Bayrischen Sitzungsberichten1902, Heft IV »der Fundort der Venus von Milo« aus, dass die stilistische und technische Verwandtschaft, welche den Poseidon mit der Venus verbindet, nicht zu bestreiten ist, dass sie aber sonst gar nichts zusammen zu thun haben. Denn der Ort der Auffindung ist ein ganz ver
schiedener. Der grosse Poseidon und die sogenannte Theodoridasinschrift sind am Meeresstrande gefunden; die Venus und die mit ihr zu Tage gekommenen Hermen und Inschriften lagen an der »Klima« genannten Stelle, einem Thal, das oberhalb des Meeres sich heruntersenkt. Dort war ein Gymnasion, ein Bau mit Nischen, das dem Hermes und Herakles geweiht und das im 2. bis 1. Jahrhundert mit der Venus, den Hermen und der jetzt in Berlin befindlichen von Antiphanes gefertigten Statue des Gottes Hermes ausgestattet worden war. Dass dabei auch noch Weihinschriften und Anathemata aus der älteren Zeit des Gymnasions zur Aufstellung kamen, ist erklärlich; so wurden die bärtige Herme, die Theodoridasinschrift, die unbärtige Herme mit verwandt. Aber die Venus mit der jetzt verschwundenen, doch mit ihr seiner Zeit gefundenen, durchaus anpassenden Inschrift des Künstlers aus Magnesia am Mäander, das erst um 250 v. Chr. gegründet worden ist, stand in der Nische, welche der Hypogymnasiarch Bakchios dem Hermes und dem Herakles nach der darüber befindlichen Inschrift geweiht hatte. Was Bakchios ausser der Nische gestiftet hatte, und wofür in der Inschrift eine Lücke ist, war wahrscheinlich das Standbild, eben die Venus; die Bakchiosinschrift ist aus dem Ende des 2. vorchristlichen Jahrhunderts, der Künstler aber muss nach der Gründung von Magnesia a. M. geboren sein. Löwy nimmt für die verlorene Künstlerinschrift rund 100 vor Christi an. Die Venus von Milo muss sich trösten, dass sie dreihundert Jahre jünger ist, als die Franzosen sie gerne hätten: als ob sie damit weniger schön wäre!
Griechische Giebelstatuen in Rom heisst ein weiterer Vortrag Furtwängler’s, der soeben in den »Münchner Sitzungsberichten« erschienen ist. Drei in der berühmten Sammlung Jacobsen in Kopenhagen befindliche Figuren, von denen zwei schon früher von dem Münchner Gelehrten als aus griechischen Giebelgruppen stammend erklärt worden waren, gehören formal zusammen; aber auch ein sachlicher Zusammenhang ist zwischen dem Apollon, der eilenden Frauengestalt und dem liegenden, die Giebclecke ausfüllenden Jüngling der Glyptothek Ny-Carlsberg zu konstruieren. Der Apollo passt vorzüglich in die AAitte des einen Giebels eines ihm geweihten Tempels; es ist der Kitharode, der feierliche Klänge auf den Saiten spielend und singend einherwallt. Und der andere, der hintere Giebel, soll die furchtbare Macht des Gottes zeigen: wo hat sich diese gewaltiger gezeigt als bei dem Schicksal der Niobiden? Die eilende Frau, welche die gleiche Grösse wie Apollo hätte, wenn sie nicht die Knie eingebogen hielte, gehört auch in die Mitte; es kann Niobe selbst sein oder eine Niobide. Der in die linke Ecke gehörige Jüngling ist ein von den Pfeilen des Gottes in den Nacken getroffener Sohn der Niobe. Wo dieser Apollotempel stand, ob es ein berühmter oder unberühmter war, sucht Furtwängler nicht zu entscheiden; aber es ist ihm unzweifelhaft, dass der nordische Mäcen drei nach Rom verbrachte Originalstatuen von griechischen Giebeln in seiner den besten öffentlichen Museen Konkurrenz bietenden Sammlung besitzt. — Bei dieser Gelegenheit macht Furtwängler noch darauf aufmerksam, dass er den Torso Medici immer noch als die Mittelfigur des Ostgiebels des Parthenons ansehe, allerdings nicht mehr als das Original, aber als Kopie der Mittelfigur, der Göttin Athena. m.
SAMMLUNGEN UND AUSSTELLUNGEN
Der diesjährige Staatshaushaltsetat für Preussen weist wieder eine Reihe interessanter Positionen auf dem Gebiete der Kunstpflege auf. Besonders das Berliner Kupferstichkabinett nimmt stärkere Mittel in Anspruch;
Der oben genannte Diadumenos von Vaison, der sich jetzt im British Museum befindet, ist der Ausgangspunkt, von dem aus der römische Professor der Archäologie Emanuel Löwy die Persönlichkeit dieses berühmten Polykletischen Siegers zu bestimmen sucht. In den Wiener Studien (XXIV, 2, soeben erschienen) erkennt er in dem Diadumenos den Pentathlonsieger Pythokles aus Elis, dessen Bildnis Polyklet nach Pausanias VI, 7 für Olympia gefertigt hat. Indem wir auf Löwy’s gelehrte Deduktionen verweisen, wollen wir nur daraus anführen, dass die im Abguss mit der in Olympia erhaltenen Originalbasis verglichene Vaisonstatue nicht nur die erforderliche Deckung der Fiisse mit den Einlassvorrichtungen der olympischen Basis, sondern auch vollkommen übereinstimmende Richtung der Figur ergab. Man hatte selbstverständlich auch an den Polykletischen Doryphoros bei Pythokles gedacht; aber hier .passen Fiisse und Stand des Neapolitaner Pentathlonsiegers, was der Doryphoros ja auch ist, nicht zu den Spuren und Abmessungen der olympischen Basis. Die Pythoklesstatue ist von Olympia, wohl in der Zeit der Antonine oder schon Hadrian’s, weggeführt worden; die olympische Basis zeigt die Spuren der Ersatzstatue. Eine weitere Basis der Pythoklesfigur hat sich auch in Rom vorgefunden, wohin wahrscheinlich das olympische Original verbracht worden war. Aber die römische Basis, die die Spuren mehrfachen Gebrauchs trägt, beweist nichts für das Standmotiv der Polykletischen Figur, welche den rechten Fuss vor-, den linken zurückgesetzt haben muss, wie der Diadumenos, das heisst nach Löwy »Pythokles, der sich die Siegerbinde umwindet«, es thut. m.
Die Aphrodite oder, wie Reinach sie genannt hat, die Amphitrite von Melos, ist gewiss eine der schönsten Marmorstatuen, welche die hohe Kunst des Altertums uns geschenkt hat. Nur die Archäologen können keine reine Freude au der »Venus von Milo« haben; ihr Apfel ist zum Zankapfel geworden, nachdem die Franzosen nicht davon ablassen wollen, ein ,Werk des beginnenden 4. vorchristlichen Jahrhunderts in ihr zu sehen, während die Ansicht, dass sie aus späthellenistischer Zeit stammt, in Deutschland gewichtige Vertreter mit gewichtigen Gründen für sich hat. Reinach hat bis jetzt zur Stütze seines Glaubens an das Alter der Venus die Gleichzeitigkeit mit der athenischen Poseidonstatue, welche ebenfalls auf Melos gefunden wurde und für welche eine Weihinschrift aus dem beginnender 4. Jahrhundert in Anspruch genommen wurde, behauptet. In der Revue archéölogique (September-Oktober 1902) giebt er nun den grossen Poseidon, der bis jetzt der Genosse der Venus war, preis. Der wird als eine 400 Jahre später entstandene Kopie der römischen Kaiserzeit betrachtet, frei nach einem Original, das einmal gleichzeitig mit der Venus entstanden war. Die Venus aber bleibt dem grossen Zeitalter des Praxiteles, vor allem aus Stilgründen, aber auch durch günstige Verschiebung der mit ihr gefundenen Inschriften erhalten. Reinach entgegen führt Furtwängler in den »Bayrischen Sitzungsberichten1902, Heft IV »der Fundort der Venus von Milo« aus, dass die stilistische und technische Verwandtschaft, welche den Poseidon mit der Venus verbindet, nicht zu bestreiten ist, dass sie aber sonst gar nichts zusammen zu thun haben. Denn der Ort der Auffindung ist ein ganz ver
schiedener. Der grosse Poseidon und die sogenannte Theodoridasinschrift sind am Meeresstrande gefunden; die Venus und die mit ihr zu Tage gekommenen Hermen und Inschriften lagen an der »Klima« genannten Stelle, einem Thal, das oberhalb des Meeres sich heruntersenkt. Dort war ein Gymnasion, ein Bau mit Nischen, das dem Hermes und Herakles geweiht und das im 2. bis 1. Jahrhundert mit der Venus, den Hermen und der jetzt in Berlin befindlichen von Antiphanes gefertigten Statue des Gottes Hermes ausgestattet worden war. Dass dabei auch noch Weihinschriften und Anathemata aus der älteren Zeit des Gymnasions zur Aufstellung kamen, ist erklärlich; so wurden die bärtige Herme, die Theodoridasinschrift, die unbärtige Herme mit verwandt. Aber die Venus mit der jetzt verschwundenen, doch mit ihr seiner Zeit gefundenen, durchaus anpassenden Inschrift des Künstlers aus Magnesia am Mäander, das erst um 250 v. Chr. gegründet worden ist, stand in der Nische, welche der Hypogymnasiarch Bakchios dem Hermes und dem Herakles nach der darüber befindlichen Inschrift geweiht hatte. Was Bakchios ausser der Nische gestiftet hatte, und wofür in der Inschrift eine Lücke ist, war wahrscheinlich das Standbild, eben die Venus; die Bakchiosinschrift ist aus dem Ende des 2. vorchristlichen Jahrhunderts, der Künstler aber muss nach der Gründung von Magnesia a. M. geboren sein. Löwy nimmt für die verlorene Künstlerinschrift rund 100 vor Christi an. Die Venus von Milo muss sich trösten, dass sie dreihundert Jahre jünger ist, als die Franzosen sie gerne hätten: als ob sie damit weniger schön wäre!
Griechische Giebelstatuen in Rom heisst ein weiterer Vortrag Furtwängler’s, der soeben in den »Münchner Sitzungsberichten« erschienen ist. Drei in der berühmten Sammlung Jacobsen in Kopenhagen befindliche Figuren, von denen zwei schon früher von dem Münchner Gelehrten als aus griechischen Giebelgruppen stammend erklärt worden waren, gehören formal zusammen; aber auch ein sachlicher Zusammenhang ist zwischen dem Apollon, der eilenden Frauengestalt und dem liegenden, die Giebclecke ausfüllenden Jüngling der Glyptothek Ny-Carlsberg zu konstruieren. Der Apollo passt vorzüglich in die AAitte des einen Giebels eines ihm geweihten Tempels; es ist der Kitharode, der feierliche Klänge auf den Saiten spielend und singend einherwallt. Und der andere, der hintere Giebel, soll die furchtbare Macht des Gottes zeigen: wo hat sich diese gewaltiger gezeigt als bei dem Schicksal der Niobiden? Die eilende Frau, welche die gleiche Grösse wie Apollo hätte, wenn sie nicht die Knie eingebogen hielte, gehört auch in die Mitte; es kann Niobe selbst sein oder eine Niobide. Der in die linke Ecke gehörige Jüngling ist ein von den Pfeilen des Gottes in den Nacken getroffener Sohn der Niobe. Wo dieser Apollotempel stand, ob es ein berühmter oder unberühmter war, sucht Furtwängler nicht zu entscheiden; aber es ist ihm unzweifelhaft, dass der nordische Mäcen drei nach Rom verbrachte Originalstatuen von griechischen Giebeln in seiner den besten öffentlichen Museen Konkurrenz bietenden Sammlung besitzt. — Bei dieser Gelegenheit macht Furtwängler noch darauf aufmerksam, dass er den Torso Medici immer noch als die Mittelfigur des Ostgiebels des Parthenons ansehe, allerdings nicht mehr als das Original, aber als Kopie der Mittelfigur, der Göttin Athena. m.
SAMMLUNGEN UND AUSSTELLUNGEN
Der diesjährige Staatshaushaltsetat für Preussen weist wieder eine Reihe interessanter Positionen auf dem Gebiete der Kunstpflege auf. Besonders das Berliner Kupferstichkabinett nimmt stärkere Mittel in Anspruch;