und prägen ihren Eindruck der Natur als Stil auf. Als mancherlei Stile, in denen sie sie zu erscheinen zwingen. Nicht der Künstler richtet sich nach der Natur, sondern die Natur nach dem Künstler. Man sehe die Bilder des unglücklichen Vincent Van Gogh, in denen ein Wald gleich grünen Flammen aufzüngelt oder die Äcker des Hügelabhanges in langen zitternden, wogenden Linien niederzufluten scheinen. Es sind seine Nerven darin, die ihn zu frühem Tode trieben, ln dem furchtbaren Porträt, das Toulouse- Lautrec, der gleichfalls unglücklich Verstorbene, von ihm entwirft (Eigentum der Frau Van Gogh-Bussum), sieht man die Hand des Schicksals. Zwei Schicksale: eines gemalten und eines malenden, ln Wuillard’s Interieurs ist die ganze Welt grossgeblumt, überall ein Wuchern von grossen farbigen Stoffmustern, ln den Landschaften von Maurice Denis, mit badenden Frauen, einer grossen Madonnenscene u. s. f., stilisieren sich Form und Farbe schon bis zum Geometrischen, ja Heraldischen. Bei Odilon Redon, der die liebevollsten und schlichtesten Blumenstudien malen kann, japanisiert und phantasiert die Natur mit den rötesten der roten Bäume und den goldigsten der echt vergoldeten Dekorlaunen. Gauguin, der auf Tahiti lebt, malt das irdische Paradies, wenn auch mehr irdisch als paradiesisch. Vallotton’s grosszügige japanische Farbengeometrie ist bekannt. Roussel, Bonnard, Valtat, der norwegische Bildhauer Gustav Vigeland ergehen sich in Jugendlichkeiten, über die man lächeln würde, wenn man es übers Herz brächte. Sie suchen. Es wird wieder einmal gesucht, mit allen Laternen des Talentes. Leben ist Suchen. Wien, 26. Januar.
BÜCHERSCHAU
Adolfo Venturi, La Galleria Crespi in Milano. Hoepli, Milano MDCCCC1).
Im neuesten Werke des Adolfo Venturi soll dem Titel nach eine kleine Privatgalerie in Mailand kritisch beleuchtet werden. Damit hat der ausgezeichnete Forscher sich aber nicht begnügt. Diese Galerie diente ihm nur als fester Punkt, um von hier aus Ausblicke nach allen Richtungen zu thun. Indem er die Säle dieser kleinen Sammlung durchmustert, streut er in überreicher Fülle neue Beobachtungen, neue Erkenntnisse, neue Ideen aus. Es ist eines jener Werke, denen gegenüber die Forschung Stellung nehmen muss, wie einst zu Morelli’s von Wahrheiten und Irrtümern strotzenden Schriften. Venturi schreibt selbst, dass er: »invece di compilarne semplicemente il catalogo, abbia preso le mosse per trattare di molti e grandi problemi della storia e della critica d’arte!«
Es ist vorauszusehen, dass nicht alle Venturi’s neue Bestimmungen Bürgerrecht in der Wissenschaft erhalten werden. Bedeutende Geister haben aber den Vorzug, selbst durch ihre Irrtümer — durch den Erisapfel ihrer abweichenden Meinung und den daraus erwachsenden Streit die wahre Erkenntnis zu fördern.
Eine der Neuerungen Venturi’s, die vielleicht am meisten Aufsehen erregen wird, dürfte die Rehabilitation der famosen büssenden Magdalena in der Dresdner Galerie sein. Der Verfasser schreibt gegen Morelli: »Das Fleisch
ist nicht von Porzellan, der rechte Ellenbogen ist nicht polierter Stuck. Welch ein Abstand zwischen dieser Magdalena und den Werken eines Adrian van der Werff.« Venturi hat sich ritterlich dieser schönen Dame angenommen, welche bedroht war, von dem Drachen »Gleichgültigkeitverschlungen zu werden. Ich muss doch hier bemerken, dass Morelli’s Vermutung, Adrian van der Werff sei der Autor, nur von wenigen gebilligt worden ist. Von einem holländischen oder vlämischen Künstler kann kaum die Rede sein; eher könnte man an einen Bologneser oder an Christofano Allori denken, wenn er der Urheber einer ähnlichen Kopie in den Uffizien ist.
Zu der Madonna di Casalmaggiore, die, wie bekannt, vor wenigen Jahren ins Städel’sche Institut kam, stellt Venturi sich etwas skeptisch und nennt sie »una pittura di Correggio veduta confusamente«. Der Conte della Palude bemerkte aber schon 1789, als er das Bild sah, dass es von den Unbilden der Zeit sehr gelitten hatte, ja nennt es unvollendet. Das Bild wurde später übermalt und vor einigen Jahren wieder von der Übermalung befreit. Dies könnte vielleicht genügen, das Verschwommene (confusamente veduta) im Bilde zu erklären.
Die Cortigiana Nr. 11a in derselben Sammlung, sowie das andere (als Heilige dargestellte) Frauenbildnis gehören nach Venturi, wie schon früher von Morelli angenommen, dem Bartolommeo Veneto. Ich muss hierzu folgende Bemerkungen machen: Von diesen recht verschieden behandelten Bildnissen hat das erste Berührungspunkte mit anderen Werken von Bartolommeo Veneto. So kommt der Blätterkranz um das Haupt bei der heiligen Katharina zu Glasgow vor, die sich ringelnden Locken bei der Frau mit dem Hammer, im Besitze des Herzogs Melzi in Mailand. Die Schmuckgegenstände an Brust und Stirn wiederholen sich ganz ähnlich sowohl in seiner Judith in Dresden als in seinem Porträt bei dem Duca Melzi, ferner in der anbetenden Madonna in der Coli. Benson zu London (sowohl bei Maria wie bei den Engeln). Henry Thode meint im Gegenteil in diesem interessanten Bildnisse ein Werk Dürer’s zu erkennen. Die spezifische Ausdrucksweise, die scharfe Zeichnung, der captivierende Blick haben gewiss viel Dürerisches, während eine gewisse Freiheit der Haltung und des Ausdruckes, die reinen, regelmässigen Gesichtszüge italienisch anmuten.
Zwei Alternative scheinen hier vorzuliegen: Entweder muss das Bildnis während des Aufenthalts Dürer’s in Venedig — wahrscheinlich während seines zweiten in den Jahren 1505—1506 — unter seinem starken Einflüsse entstanden sein, oder auch umgekehrt ist das Bildnis, wie Thode meint, von Dürer geschaffen unter dem Einflüsse des Venetianers. Im letzteren Falle dürfte das eben erwähnte, sehr verwandte und bezeichnete Bildnis bei dem Duca Melzi als Vorbild gedient haben. Doch erscheint die erste Alternative als die weitaus wahrscheinlichste. Aus den Werken Bartolommeo’s lässt sich meines Erachtens eine Gruppe verwandter Bilder ausscheiden. Es sind dies die sechs um die Madonna bei dem Grafen Donâ delle Rose sich gruppierenden Madonnenbilder. Wohl aus derselben Periode, wahrscheinlich auf ein Vorbild Bellini’s zurückgehend, unterscheiden sie sich im Stile von den übrigen Gemälden. Die Landschaften, die sich im Hintergründe mehrerer dieser Madonnen befinden, knüpfen sie aber mit jenen wieder zusammen.
Von anderen merkwürdigen Neubestimmungen in deutschen Galerien nenne ich noch die des Bacchanals in der Mainzer Galerie, welches von Crowe und Cavalcaselle (stranamento) dem Piazzetta oder Tiepolo zugeschrieben
wurde, nach Venturi aber ein Meisterwerk von Tizian ist.1) Con 196 inc. fototipogr. e 38 fotocalcogr.
BÜCHERSCHAU
Adolfo Venturi, La Galleria Crespi in Milano. Hoepli, Milano MDCCCC1).
Im neuesten Werke des Adolfo Venturi soll dem Titel nach eine kleine Privatgalerie in Mailand kritisch beleuchtet werden. Damit hat der ausgezeichnete Forscher sich aber nicht begnügt. Diese Galerie diente ihm nur als fester Punkt, um von hier aus Ausblicke nach allen Richtungen zu thun. Indem er die Säle dieser kleinen Sammlung durchmustert, streut er in überreicher Fülle neue Beobachtungen, neue Erkenntnisse, neue Ideen aus. Es ist eines jener Werke, denen gegenüber die Forschung Stellung nehmen muss, wie einst zu Morelli’s von Wahrheiten und Irrtümern strotzenden Schriften. Venturi schreibt selbst, dass er: »invece di compilarne semplicemente il catalogo, abbia preso le mosse per trattare di molti e grandi problemi della storia e della critica d’arte!«
Es ist vorauszusehen, dass nicht alle Venturi’s neue Bestimmungen Bürgerrecht in der Wissenschaft erhalten werden. Bedeutende Geister haben aber den Vorzug, selbst durch ihre Irrtümer — durch den Erisapfel ihrer abweichenden Meinung und den daraus erwachsenden Streit die wahre Erkenntnis zu fördern.
Eine der Neuerungen Venturi’s, die vielleicht am meisten Aufsehen erregen wird, dürfte die Rehabilitation der famosen büssenden Magdalena in der Dresdner Galerie sein. Der Verfasser schreibt gegen Morelli: »Das Fleisch
ist nicht von Porzellan, der rechte Ellenbogen ist nicht polierter Stuck. Welch ein Abstand zwischen dieser Magdalena und den Werken eines Adrian van der Werff.« Venturi hat sich ritterlich dieser schönen Dame angenommen, welche bedroht war, von dem Drachen »Gleichgültigkeitverschlungen zu werden. Ich muss doch hier bemerken, dass Morelli’s Vermutung, Adrian van der Werff sei der Autor, nur von wenigen gebilligt worden ist. Von einem holländischen oder vlämischen Künstler kann kaum die Rede sein; eher könnte man an einen Bologneser oder an Christofano Allori denken, wenn er der Urheber einer ähnlichen Kopie in den Uffizien ist.
Zu der Madonna di Casalmaggiore, die, wie bekannt, vor wenigen Jahren ins Städel’sche Institut kam, stellt Venturi sich etwas skeptisch und nennt sie »una pittura di Correggio veduta confusamente«. Der Conte della Palude bemerkte aber schon 1789, als er das Bild sah, dass es von den Unbilden der Zeit sehr gelitten hatte, ja nennt es unvollendet. Das Bild wurde später übermalt und vor einigen Jahren wieder von der Übermalung befreit. Dies könnte vielleicht genügen, das Verschwommene (confusamente veduta) im Bilde zu erklären.
Die Cortigiana Nr. 11a in derselben Sammlung, sowie das andere (als Heilige dargestellte) Frauenbildnis gehören nach Venturi, wie schon früher von Morelli angenommen, dem Bartolommeo Veneto. Ich muss hierzu folgende Bemerkungen machen: Von diesen recht verschieden behandelten Bildnissen hat das erste Berührungspunkte mit anderen Werken von Bartolommeo Veneto. So kommt der Blätterkranz um das Haupt bei der heiligen Katharina zu Glasgow vor, die sich ringelnden Locken bei der Frau mit dem Hammer, im Besitze des Herzogs Melzi in Mailand. Die Schmuckgegenstände an Brust und Stirn wiederholen sich ganz ähnlich sowohl in seiner Judith in Dresden als in seinem Porträt bei dem Duca Melzi, ferner in der anbetenden Madonna in der Coli. Benson zu London (sowohl bei Maria wie bei den Engeln). Henry Thode meint im Gegenteil in diesem interessanten Bildnisse ein Werk Dürer’s zu erkennen. Die spezifische Ausdrucksweise, die scharfe Zeichnung, der captivierende Blick haben gewiss viel Dürerisches, während eine gewisse Freiheit der Haltung und des Ausdruckes, die reinen, regelmässigen Gesichtszüge italienisch anmuten.
Zwei Alternative scheinen hier vorzuliegen: Entweder muss das Bildnis während des Aufenthalts Dürer’s in Venedig — wahrscheinlich während seines zweiten in den Jahren 1505—1506 — unter seinem starken Einflüsse entstanden sein, oder auch umgekehrt ist das Bildnis, wie Thode meint, von Dürer geschaffen unter dem Einflüsse des Venetianers. Im letzteren Falle dürfte das eben erwähnte, sehr verwandte und bezeichnete Bildnis bei dem Duca Melzi als Vorbild gedient haben. Doch erscheint die erste Alternative als die weitaus wahrscheinlichste. Aus den Werken Bartolommeo’s lässt sich meines Erachtens eine Gruppe verwandter Bilder ausscheiden. Es sind dies die sechs um die Madonna bei dem Grafen Donâ delle Rose sich gruppierenden Madonnenbilder. Wohl aus derselben Periode, wahrscheinlich auf ein Vorbild Bellini’s zurückgehend, unterscheiden sie sich im Stile von den übrigen Gemälden. Die Landschaften, die sich im Hintergründe mehrerer dieser Madonnen befinden, knüpfen sie aber mit jenen wieder zusammen.
Von anderen merkwürdigen Neubestimmungen in deutschen Galerien nenne ich noch die des Bacchanals in der Mainzer Galerie, welches von Crowe und Cavalcaselle (stranamento) dem Piazzetta oder Tiepolo zugeschrieben
wurde, nach Venturi aber ein Meisterwerk von Tizian ist.1) Con 196 inc. fototipogr. e 38 fotocalcogr.