In der Galerie zu Karlsruhe befindet sich ein Frauenbildnis, welches Oberdeutsch um 1520 genannt ist. Das ist aber nach unserem Verfasser weit gefehlt; denn es ist ein ferraresisches Werk, von keinem Geringeren als Ercole Roberti.
Der Johannes der Täufer in der grossherzoglichen Galerie zu Oldenburg ist nach Venturi ein echter Correggio. Die sehr an Correggio erinnernde Gestalt hat einen langgestreckten Körper mit einem verhältnismässig kleinen Kopf i).
Venturi bezeichnet die sehr rohe »Beweinung Christiin der alten Pinakothek zu München als Frühwerk Basaiti’s. In meinem Artikel über die italienischen Bilder der Münchner Galerie (Repert. für Kunstwissenschaft 1897) habe ich auch die Gründe entwickelt, welche trotz der augenfälligen Mängel dennoch für den jungen Basaiti sprechen. Morelli dagegen hatte das Bild als eine schwache vlämische Kopie bezeichnet.
In der Gemäldegalerie zu Wien hat unser Verfasser auch einige interessante Umtaufen vorgenommen. So ist die Pietâ daselbst nicht von dem schwachen Squarcionesken M. Zoppo, sondern von dem bedeutenderen und charaktervollen Cosimo Tura. Noch mehr Aufsehen dürfte es erregen, dass er die höchst anmutige Madonna mit dem stehenden Kinde, die immer als eines der schönsten Frühwerke Tizian’s bewundert worden ist, dem Giorgione zuschreibt. Dass er in der nämlichen Galerie Correggio’s Ganymedes gegen moderne Anzweifelungen in Schutz nimmt, dem muss ich durchaus beistimmen.
In den Gemäldegalerien von London und Paris begegnen uns wieder wichtige Neubestimmungen. Das phantastische Bild Nr. 1173 in der National Gallery, »an unknown Subjectgenannt, ist nach Venturi ein echter Giorgione. Ja, es ist nach dem Verfasser der einzige Giorgione in London und Hampton Court.
Nicht dem Melozzo da Forli, sondern dem Justus van Gent sind die beiden Gemälde »Rhetorik« und »Musikzuzuweisen, welche zu einer Serie gehören, die wahrscheinlich einst den Bibliotheksaal im Schlosse zu Urbino geschmückt hat. Der Verfasser nennt nicht die beiden hierher gehörenden Gemälde in der Berliner Galerie. Da sie aber in der Technik übereinstimmen, müssen sie wohl auch von Justus van Gent sein. Die Richtigkeit der Annahme des Verfassers ist hier nicht zu prüfen. Die neue und zugleich sehr entwickelte Öltechnik hat gewiss sehr viel Niederländisches. Es ist andererseits anzunehmen, dass Melozzo und Justus van Gent in sehr nahe Berührung kamen und sehr viel von einander gelernt haben. Vielleicht wird Venturi ein anderes Mal durch eine eingehende Vergleichung mit der »Kommunion der Apostel« aus San Agathe, jetzt in der Pinakothek zu Urbino, seine Behauptung näher begründen.
Das dem Raffael zugeschriebene Jünglingsporträt im Louvre ist nach unserem Verfasser von einem Nachfolger Correggio’s, vielleicht von Rondani. Morelli hatte es dem Bacchiacca zugeschrieben. Die weiche Malweise des sympathischen Bildnisses könnte in der That auf die Richtung Correggio’s deuten.
Die beiden grossen, dem Correggio zugeschriebenen Temperagemälde mit den Triumphen della Scienza, della Giustizia e dell’ Arte in dieser Galerie werden von Ven
1) Ähnliche Verhältnisse findet man bei einer von mir aufgefundenen Rötelzeichnung Correggio’s zu seinem Kuppelfresko in Parma (Städel’sches Institut zu Frankfurt a. M.). Vergleiche meinen Artikel in der Gazette des Beaux Arts 1901, wo die Zeichnung reproduziert ist.
turi sehr scharf kritisiert. Die Köpfe sind maskenartig, die Figur der Wissenschaft barock, die der Gerechtigkeit gobba, der Kopf Midas’ ist kopiert nach Laocoon. »II disegno é Ia parodia di quello del Correggio. Tutto é cartaceo senza profonditä.« Sie rühren aus dem 17. Jahrhundert her. — Ich möchte gern seine Meinung über die Skizze im Palazzo Doria erfahren, welche bekanntlich Morelli ebenso scharf verurteilte wie jetzt Venturi die angeblichen Originale. »La belle Ferronière« ist nicht, wie behauptet wurde, von Boltraffio, sondern in der That von Lionardo selbst in Mailand im »gusto toscana« gemalt.
In dem »Konzert« findet unser Verfasser weder das Kolorit noch die Zeichnung Giorgione’s. Hier findet man eine Vorliebe für das Runde und Fette, die mit Giorgione nichts zu thun hat. Es ist wahrscheinlich ein von diesem Meister beeinflusstes Jugendwerk Sebastiano Luciani’s. — Einige Forscher möchten auch noch hier Domenico Campagnola in Betracht ziehen. Und in der That befindet sich eine von den üppigen nackten Frauen auf einer ihm zugeschriebenen, gleichfalls ein Konzert darstellenden Federzeichnung der Coli. Malcolm (British Museum). Diese scheint jedoch eine Pastiche zu sein und wer weiss, ob sie überhaupt auf ihn zurückgeht. Steht das magisch fesselnde Bild nicht über dem Niveau Campagnola’s? Dieser war Nachahmer, geschickter Nachahmer, aber nichts als Nachahmer. Ist man überhaupt berechtigt, stilkritisch auf ihn zurückzugehen? Venturi schätzt das Bild jedenfalls höher, indem er es dem jungen Sebastiano zuschreibt1).
In den italienischen Galerien begegnen uns natürlich die meisten Neubestimmungen. Wir können hier nur einige der wichtigsten erörtern.
Das schwer zu bestimmende, viel umstrittene Altarwerk mit der Familie des Ludovico il Moro giebt Venturi wieder denr Zenale. Nachdem die letzte, von Morelli herrührende Benennung sich als nicht stichhaltig erwiesen hat, ist es natürlich, dass man wieder auf die frühere zurückgreift.
Das Diptychon mit der Kreuztragung und der klagenden Maria in der Galerie Poldi-Pezzoli ist nach der Meinung unseres Verfassers nicht, wie bis jetzt allgemein angenommen, von Luini, sondern von Solario. Diese Umtaufe hat, wie ich erfahren habe, die Mailänder Kunstkenner sehr überrascht. Ohne auf diesen besonderen Fall einzugehen,
1) Der Kreis der Möglichkeit ist mit Giorgione, Campagnola, Sebastiano noch nicht erschöpft. Wenn jetzt in kurzem ein Forscher käme und das Bild auf den jungen Tizian taufte, könnte man es ihm verargen? Gründe hierfür würden gewiss nicht ermangeln. Die Landschaft ist giorgionesk-tizianisch; man vergleiche sie z. B. mit der im Hintergründe im Fresko: »St. Antonius heilt einen Jüngling« in der Scuola del Santo zu Padua. Der junge Tizian hatte eine Vorliebe für das Volle der Körperformen. Man erinnere sich an seine »Himmlische und irdische Liebe«, auch noch an sein »Noli me tangere« in London. Auch vergleiche man den Kopf eines der Jünglinge mit dem des jungen Johannes auf der, allerdings viel späteren, Grablegung im Louvre. Ich persönlich möchte freilich noch auf Giorgione halten. Auf diesen Meister deutet, trotz der genannten Fehler, der allgemeine Eindruck. Auf einen besonderen Zug, der auf den Meister von Castelfranco hindeutet, habe ich in meinem Aufsatz über die Louvregalerie im Repertorium für Kunstwissenschaft aufmerksam gemacht. Daselbst habe ich auch auf eine Eigentümlichkeit hingewiesen, die die Zuweisung Venturi’s von »La belle Ferronière« an Lionardo bestätigt.