erlaube ich mir die allgemeine Bemerkung, dass zwischen Solario, Luini und Gaudenzio Ferrari, zwischen Cesare da Sesto und Giampietrino, zwischen Foppa, Borgognone und Boltraffio, zwischen Zenale, Foppa und Bernardino de’ Conti und wieder zwischen Foppa und Bramantino gar viele Grenzstreitigkeiten zu regulieren sind.
Das bekannte Breitbild mit der thronenden Madonna in derselben Galerie, welches auf den Namen Calisto da Lodi, Romanino, Moretto getauft worden ist und jetzt Brescianische Schule genannt wird, ist nach Venturi von Moretto.
Das kühl leuchtende, silbertönige Kolorit ist gewiss sehr Morettisch. Weniger erinnern die Gesichtstypen, die Körperformen und die Faltenlagen an den Brescianer. Man vergleiche z. B. das liebliche Christkind mit dem bei dem sonst so feinen Meister auffallend hässlichen Kindertypus. Das Bild erinnert sehr an ein Gemälde in der Galerie zu Padua, das fälschlich »Romanin« bezeichnet ist. Der Urheber dieses von Venturi nicht erwähnten Bildes muss auch der des Poldibildes sein. Vielleicht wäre die Bezeichnung »Brescianische Schule« vorläufig die sicherste.
Das vielerörterte prachtvolle Frauenbildnis, »La Schiavone« genannt, in der Galerie Crespi wird von unserem Verfasser als Jugendwerk Licinio Pordenone’s bezeichnet. Es hat viel in den breiten Formen, was auf diesen Meister deutet. Die Vergleichung mit anderen Bildern dieses Meisters hatte auch mich dazu gebracht diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Kann aber angenommen werden, dass dieser Nachahmer grösserer Meister je ein solch distinguiertes Werk schaffen konnte? Es wird von Crespi dem jungen Tizian zugeschrieben, und er besitzt Dokumente aus den Jahren 1640 und 1641, welche das Bild als ein Werk von Tizian erwähnen. Das Bild ist bezeichnet TV. Doch weder die nicht ganz unanfechtbaren Dokumente noch die Signatur überzeugen völlig. Von anderen wird das Bild als ein Werk Giorgione’s betrachtet; wieder andere bezeichnen es als eine ausgezeichnete Kopie nach Giorgione ’).
Die von Morelli gerühmten Teller aus der Fabrik Faenza im Museo Correr zu Venedig gehen nicht, wie dieser meinte, auf Zeichnungen Timoteo delle Vite, sondern auf Francia zurück. Namentlich gilt dies von den Darstellungen, bei denen die Gestalt des Gottes der Musik auftritt. Anderes ist Schülerwerk. Hier verweise ich den Leser auf meine Angaben in meinem Aufsatze: »Die Bildergalerie im Museo Correr« und auf eine daran geknüpfte Anmerkung der Redaktion (Repertorium 1894).
Das merkwürdige, nicht ganz vollendete männliche Bildnis in der Galerie Querini - Stampalia, von einigen Forschern dem Palma zugeschrieben, ist nach dem Verfasser wahrscheinlich von Giorgione.
Die heilige Familie in der Galleria Nazionale zu Rom giebt Venturi, im Gegensätze zu Frizzoni, welcher es dem Cariani zuschreibt, dem Moretto. — Die »Tempelreinigungin der Galerie Doria ist nicht von Dosso, sondern von einem, auch von Dosso beeinflussten vlämischen Nachfolger Mazzolino’s. Ich glaube Venturi kommt hier der Wahrheit sehr nahe. Ich habe vergeblich nach dem Dosso’schen Monogramm, einem von einem Knochen durchbohrten D, ge
1) Nach Vergleich mit. der Büste früher in der Coli. Pourtalès in Berlin, jetzt bei dem deutschen Gesandten im Haag sowie mit anderen Porträts, dürfte unser Bildnis Caterina Cornaro darstellen (vergl. Herbert Cook, Giorgione. London 1900. Wo Reproduktion der Büste). Die Königin von Cypern starb 1510. War Licinio aber 1510 schon als Bildnismaler thätig?
sucht, welches nach Morelli sich auf dem Bilde befinden soll; dagegen fand ich die Buchstaben IA.
Wollen wir jetzt die wichtigsten Neubestimmungen dieses reichhaltigen Werkes kurz zusammenfassen. Sie gelten vornehmlich folgenden Meistern:
Correggio, dem er die Magdalena in Dresden, den Johannes in Oldenburg zuschreibt, während er dessen Urheberschaft der angezweifelten Judith in Strassburg und Ganymedes in Wien mit seiner Autorität stützt. Giorgione, dem er das merkwürdige Bildchen in London, die Judith in St. Petersburg, die Madonna in Wien, ein Porträt in Budapest, ein zweites in Berlin, ein drittes in Venedig, Tizian, dem er als Meisterwerk ein verkanntes Bild in der Galerie zu Mainz vindiziert. Lionardo, welchen er als Urheber des umstrittenen Frauenporträts im Louvre anerkennt. Moretto, dem er das Breitbild mit der thronenden Madonna im Museo Poldi und die heilige Familie in der Nationalgalerie zu Rom zuschreibt; Bernardino Licinio, dem er die »Schiavone« in der Galerie Crespi zuerkennt; Francia, dem er eine schöne Zeichnung in der Albertina anweist; Bartolommeo Veneto, dem er ein umfangreiches Werk bestimmt und Battista Dossi und Tommaso Aleni, denen er eine ähnliche Wohlthat erweist. Hiermit ist aber bei weitem nicht erschöpft, was das Werk Venturi’s Neues und Interessantes bringt. Ein umfassender, nach Städten und Galerien geordneter Bericht wäre nötig, um den Leser in diesem von neuen Ergebnissen überreichen Werke einigermassen zu orientieren. Emil /acobsen.
NEKROLOGE
In München verstarb am 24. Januar der Bildhauer Thomas Dennerlein, der 1847 in Mitterteich geboren war. Seine Hauptarbeiten sind plastische Zuthaten zu einigen Münchner Monumentalbauten Neureuther’s.
PERSONALIEN
Reinhold Begas, der seit 25 Jahren an der Spitze des Akademischen Meisterateliers für Bildhauer steht, legt dieses Amt jetzt nieder. Zu seinem Nachfolger ist Ludwig Manzel vorgeschlagen.
AUSGRABUNGEN UND FUNDE
Rom. Forschungen in den Katakomben. Schon vor zwei Jahren trug Prälat Wilpert in einer Sitzung des Archäologischen Institutes das Ergebnis seiner jüngsten Forschungen über die Topographie der Katakomben der Appischen und Ardeatinischen Strasse vor. Diese haben für fünf Katakomben die Lage festgestellt, über welche man bisher nach De Rossi’s Forschungen irrige Ansichten hatte. Jetzt hat dieser Forscher seine topographischen Studien fortgesetzt und vertieft, und er hatte die Genugthuung, an dem von ihm für die Katakombe der Heiligen Markus und Marcellinus fixierten Ort thatsächlich die Grabkirche der beiden Heiligen zu entdecken. Der Grundriss der Kirche ist der eines griechischen Kreuzes. Im linken Arm liegt das Grab der Märtyrer, das mit Malereien reich geschmückt ist; im rechten Arm ist gleichfalls ein Grab gefunden, dessen Wände — wie die der Grabkirche überhaupt — reich mit kostbarem Marmor verkleidet waren. Im oberen Teil der Grabkirche ist noch die hohe Marmorbasis, welche Altar und Kathedra trug, an Ort und Stelle verblieben, und rechts daneben steht noch der Unterbau der »Mensa olearum«. Die Krypta ist ganz in den lebendigen Tuff eingehauen, der etwa ein Meter hoch ziemlich fest, darüber aber weniger fest ist, wodurch die frühe Zerstörung der Grabkirche veranlasst wurde. Denn