streitenden Konkurrenten, die geschäftig dahineilenden Dienstmädchen, die lungernden Lazzaronis, die balgenden, spielenden Kinder, das bummelnde Volk, der neugierige Sohn John Bull’s mit seiner Familie, die Behörden und die Geistlichkeit. Dass trotz der vielen im einzelnen festgehaltenen Momentbilder, der ungezählten Charakterköpfe das Ganze aus einem Gusse ist und eine lärmende, viel bewegte Scene aus dem Volksleben mit einer Lebenskraft undjmit dem höchsten künstlerischen Taktgefühl vor Augen geführt wird, das ist eine Leistung, wie sie nur ein Künstler vom Schlage eines Menzel fertig bringt. Das Bild trägt die Jahreszahl 1889 und gehört mit zu den letzten Schöpfungen des Meisters. Zur Piazza d’Erbe sind in der Galerie Henneberg allein siebenunddreissig Studien vorhanden, von denen jede einzelne von dem feinen Beobachtungssinn Menzel’s für Bewegung und lebensvolle Charakteristik erzählt. Eine treffliche mit Deckfarben hergestellte Studie ist das Innere der ehemaligen Klosterkirche Riddaghausen (Braunschweig); von besonderem Wert, weil sie ein instruktives Beispiel für Menzel’s Farbentechnik ist.
Über ein halbes Hundert von Kohle- und Bleistiftzeichnungen vervollständigen die künstlerische Physiognomie Menzel’s. Man kann an der Hand dieses Materials aufs genaueste verfolgen, wie Menzel schafft, wie er nimmer müde wird, eine Bewegung in ihren einzelnen Stadien festzuhalten, wie er solange ein und dasselbe Modell die gleiche Ausdrucksbewegung wiederholen lässt, bis sie jener gleicht, die er für ein Ganzes benötigt, so sehen wir ein hämmerndes Händepaar mehrmals nebeneinander aufgezeichnet; immer wieder weiss der Künstler der Natur einen neuen Zug abzuschreiben; wir sehen Aktstudien zu einem Faltenwurf, Studien für Gesten und Mimik. Zwischen dem Schwarz des Bleistiftes und dem Ton des Papieres weiss er noch die feinsten Nüancierungen aufzufinden, die feinsten Abstufungen im Schwarzen und Grauen macht er sich dienstbar; man darf ruhig sagen, dass in Menzel die Bleistifttechnik ihre höchste Vollendung erfahren hat.
Die Menzelsammlung — sie umfasst laut Katalog 115 »Arbeiten« des Künstlers — bildete den wertvollsten Bestandteil der Galerie.
Mit dreizehn Gemälden war der Münchner Franz Lenbach vertreten — mit Gutem und Mittelmässigem. Zu dem Guten rechnen wir einen Bismarck, das letzte Bild des eisernen Kanzlers, das Lenbach in Friedrichsruh nach dem Leben gezeichnet hat. Es unterscheidet sich im wesentlichen nicht von den anderen Lenbach’schen Bismarckbildern, höchstens durch die Betonung, wahrscheinlich gewollte Betonung des Greisenhaften. Die bekannten, charakteristischen Züge sind sonst so virtuos wiedergegeben wie immer, wie das ja von Lenbach, der den Kanzler vielleicht einige dutzendmale nach dem Leben und einige hundertmale auswendig gezeichnet und gemalt hat, nicht anders zu erwarten ist. Bülow und Richard Wagner, zwei feine Musikerköpfe, sind im Profil gezeichnet; nur das Notwendigste hat Lenbach hier mit dem Pinsel festgehalten, um trotz der einfachsten Mittel ein treffliches Konterfei des nervösen Bülow und des selbstbewussten Wagner zu geben. Eine Hühnerfamilie, in Gemeinschaft mit Hofer gemalt, erinnert an die Zeit, wo Lenbach noch nicht im geistreichen Porträt sich selbst gefunden hatte.
Die anderen Lenbachs können wir ruhig übergehen und uns zu Franz Stuck wenden, der in der Henneberggalerie so ziemlich mit seinen besten Sachen, die er jemals geschaffen hat, vertreten ist. Wir meinen damit seine Kreuzigung Christi, die Vertreibung aus dem Paradies, den scherzenden Centauren und die Pietâ.
Ähnlich der Holbein’schen Pietâ ist der Leichnam Christi in der Pietâ Stuck’s starr ausgestreckt auf einer
Bahre, einem Marmorsockel. Maria steht vor der Leiche des Sohnes in stummem, grässlichem Schmerz. Wirsehen nichts als ihre schmerzverzerrten Hände, die sie vor das Gesicht hält, denn alles hüllt der gerade herabfallende Mantel ein. In einer einzigen starren Geste verkörpert sich das grenzenlose Leid der Gottesmutter. Die künstlerische Wirkung dieser Schöpfung liegt zum Teil im schroffen Gegensatz des Vertikalen und Horizontalen, der einzig und allein durch die beiden Figuren hergestelll ist; diesen Kontrast weiss der Künstler dadurch aufs höchste zu steigern, dass er auch das geringste störende Beiwerk beseitigt und über das Ganze einen fahlen, blaugrauen Ton legt. Das monumentale Werk ist durch seine Reduktion auf das rein Figürliche als plastisch gedacht zu betrachten. Die Form ist stilisiert, alles ist Linie, alles zeigt plastische Ruhe, ln der »Kreuzigung« paart sich dieser Klassizismus mit starken dramatischen und koloristischen Accenten. Die Gruppe oben verharrt in lautlosem Schauen, keine heftige Bewegung stört die Feierlichkeit des Augenblicks; in ohnmächtigem Schmerz ist Maria dem einen der Jünger in die Arme gesunken; doch auch das kann die Jünger, die gekommen sind, um auf das letzte Wort des menschgewordenen Gottessohnes zu hören, nicht aus der Fassung bringen. Der schwarze Mantel der Figur links im Vordergründe, das lebhafte Rot einer anderen Gewandung und die ganze Farbenharmonie geben, verbunden mit dem linearen Element, dem Gemälde einen stark dekorativen, symbolisierenden Ausdruck. Die unten tobende Menge, die nur durch eine grosse Anzahl wutverzerrter, bis zum Karikaturistischen gesteigerter Köpfe versinnbildlicht wird, bildet einen wirksamen Kontrast mit dem erdrückenden Stillschweigen, das die Katastrophe, mit der der Erlöser sein Werk abschliesst, lautlos begleitet. Die Apostel, die dem Meister gefolgt sind, sie klagen nicht, sie wissen, dass er nicht umsonst gelebt hat. Auch in dieser Schöpfung zeigt sich der Künstler in souveräner Beherrschung seines kraftvollen, von dekadentem Anstrich befreiten Talentes. Hellenische Lebensfreude predigt sein »Wein« und »Der Centaur mit Nymphe«. Die komische überredende Geste des drolligen Gesellen, der breite grinsende Zug im Angesicht und die scheue Nymphe, sie zeigen Stuck’s Freude am Neugestalten antiker Vorbilder und die Lebensbejahung seiner Künstler-Philosophie. Prächtigen dekorativen Wurf verrät ein Hochformat »Wein«, offenbar ein Werk des älteren Stuck. Die weibliche Aktfigur, die da auf einem Baumast Platz genommen hat, ist von so plastischer Klarheit, der weibliche Körper ist so formvoll und doch nicht weichlich wiedergegeben, dass er aus dem Rahmen zu treten scheint.
Mit stark theatralischen Mitteln arbeitet der Künstler in seiner pathetischen Vertreibung aus dem Paradies, freilich mehr denn eine simple Bibelillustration, eher eine imposante Tragödie, deren Personen das erste Menschenpaar sind. Neu ist hier der Gedanke, die Natur, von dem Zorn des strafenden Schöpfers erfüllt, an dem Vorgang teilnehmen zu lassen. Der Himmel ist verfinstert, ein furchtbarer Orkan beugt die starken Baumriesen, die sich am Hintergründe abzeichnen. Nur ein einziger glänzender Strahl fällt aus dem ewig verschlossenem Thor und beleuchtet die Menschenkinder, deren Glück für immer vernichtet ist. Mitleidslos treibt sie der Wächter des Paradieses von dannen. Das mächtige Schwert, das er in Händen hält, wird jedem Eindringling den Eintritt verwehren. Wir haben auch bei diesem Bilde die Zweiteilung von Handlung und Scenerie: im Vordergründe auf einer Art Podium die agierenden Personen, nach hinten gerückt in der Tiefe die Landschaft. Die räumliche Glaubwürdigkeit der Darstellung ist allerdings auf diese Art herab
Über ein halbes Hundert von Kohle- und Bleistiftzeichnungen vervollständigen die künstlerische Physiognomie Menzel’s. Man kann an der Hand dieses Materials aufs genaueste verfolgen, wie Menzel schafft, wie er nimmer müde wird, eine Bewegung in ihren einzelnen Stadien festzuhalten, wie er solange ein und dasselbe Modell die gleiche Ausdrucksbewegung wiederholen lässt, bis sie jener gleicht, die er für ein Ganzes benötigt, so sehen wir ein hämmerndes Händepaar mehrmals nebeneinander aufgezeichnet; immer wieder weiss der Künstler der Natur einen neuen Zug abzuschreiben; wir sehen Aktstudien zu einem Faltenwurf, Studien für Gesten und Mimik. Zwischen dem Schwarz des Bleistiftes und dem Ton des Papieres weiss er noch die feinsten Nüancierungen aufzufinden, die feinsten Abstufungen im Schwarzen und Grauen macht er sich dienstbar; man darf ruhig sagen, dass in Menzel die Bleistifttechnik ihre höchste Vollendung erfahren hat.
Die Menzelsammlung — sie umfasst laut Katalog 115 »Arbeiten« des Künstlers — bildete den wertvollsten Bestandteil der Galerie.
Mit dreizehn Gemälden war der Münchner Franz Lenbach vertreten — mit Gutem und Mittelmässigem. Zu dem Guten rechnen wir einen Bismarck, das letzte Bild des eisernen Kanzlers, das Lenbach in Friedrichsruh nach dem Leben gezeichnet hat. Es unterscheidet sich im wesentlichen nicht von den anderen Lenbach’schen Bismarckbildern, höchstens durch die Betonung, wahrscheinlich gewollte Betonung des Greisenhaften. Die bekannten, charakteristischen Züge sind sonst so virtuos wiedergegeben wie immer, wie das ja von Lenbach, der den Kanzler vielleicht einige dutzendmale nach dem Leben und einige hundertmale auswendig gezeichnet und gemalt hat, nicht anders zu erwarten ist. Bülow und Richard Wagner, zwei feine Musikerköpfe, sind im Profil gezeichnet; nur das Notwendigste hat Lenbach hier mit dem Pinsel festgehalten, um trotz der einfachsten Mittel ein treffliches Konterfei des nervösen Bülow und des selbstbewussten Wagner zu geben. Eine Hühnerfamilie, in Gemeinschaft mit Hofer gemalt, erinnert an die Zeit, wo Lenbach noch nicht im geistreichen Porträt sich selbst gefunden hatte.
Die anderen Lenbachs können wir ruhig übergehen und uns zu Franz Stuck wenden, der in der Henneberggalerie so ziemlich mit seinen besten Sachen, die er jemals geschaffen hat, vertreten ist. Wir meinen damit seine Kreuzigung Christi, die Vertreibung aus dem Paradies, den scherzenden Centauren und die Pietâ.
Ähnlich der Holbein’schen Pietâ ist der Leichnam Christi in der Pietâ Stuck’s starr ausgestreckt auf einer
Bahre, einem Marmorsockel. Maria steht vor der Leiche des Sohnes in stummem, grässlichem Schmerz. Wirsehen nichts als ihre schmerzverzerrten Hände, die sie vor das Gesicht hält, denn alles hüllt der gerade herabfallende Mantel ein. In einer einzigen starren Geste verkörpert sich das grenzenlose Leid der Gottesmutter. Die künstlerische Wirkung dieser Schöpfung liegt zum Teil im schroffen Gegensatz des Vertikalen und Horizontalen, der einzig und allein durch die beiden Figuren hergestelll ist; diesen Kontrast weiss der Künstler dadurch aufs höchste zu steigern, dass er auch das geringste störende Beiwerk beseitigt und über das Ganze einen fahlen, blaugrauen Ton legt. Das monumentale Werk ist durch seine Reduktion auf das rein Figürliche als plastisch gedacht zu betrachten. Die Form ist stilisiert, alles ist Linie, alles zeigt plastische Ruhe, ln der »Kreuzigung« paart sich dieser Klassizismus mit starken dramatischen und koloristischen Accenten. Die Gruppe oben verharrt in lautlosem Schauen, keine heftige Bewegung stört die Feierlichkeit des Augenblicks; in ohnmächtigem Schmerz ist Maria dem einen der Jünger in die Arme gesunken; doch auch das kann die Jünger, die gekommen sind, um auf das letzte Wort des menschgewordenen Gottessohnes zu hören, nicht aus der Fassung bringen. Der schwarze Mantel der Figur links im Vordergründe, das lebhafte Rot einer anderen Gewandung und die ganze Farbenharmonie geben, verbunden mit dem linearen Element, dem Gemälde einen stark dekorativen, symbolisierenden Ausdruck. Die unten tobende Menge, die nur durch eine grosse Anzahl wutverzerrter, bis zum Karikaturistischen gesteigerter Köpfe versinnbildlicht wird, bildet einen wirksamen Kontrast mit dem erdrückenden Stillschweigen, das die Katastrophe, mit der der Erlöser sein Werk abschliesst, lautlos begleitet. Die Apostel, die dem Meister gefolgt sind, sie klagen nicht, sie wissen, dass er nicht umsonst gelebt hat. Auch in dieser Schöpfung zeigt sich der Künstler in souveräner Beherrschung seines kraftvollen, von dekadentem Anstrich befreiten Talentes. Hellenische Lebensfreude predigt sein »Wein« und »Der Centaur mit Nymphe«. Die komische überredende Geste des drolligen Gesellen, der breite grinsende Zug im Angesicht und die scheue Nymphe, sie zeigen Stuck’s Freude am Neugestalten antiker Vorbilder und die Lebensbejahung seiner Künstler-Philosophie. Prächtigen dekorativen Wurf verrät ein Hochformat »Wein«, offenbar ein Werk des älteren Stuck. Die weibliche Aktfigur, die da auf einem Baumast Platz genommen hat, ist von so plastischer Klarheit, der weibliche Körper ist so formvoll und doch nicht weichlich wiedergegeben, dass er aus dem Rahmen zu treten scheint.
Mit stark theatralischen Mitteln arbeitet der Künstler in seiner pathetischen Vertreibung aus dem Paradies, freilich mehr denn eine simple Bibelillustration, eher eine imposante Tragödie, deren Personen das erste Menschenpaar sind. Neu ist hier der Gedanke, die Natur, von dem Zorn des strafenden Schöpfers erfüllt, an dem Vorgang teilnehmen zu lassen. Der Himmel ist verfinstert, ein furchtbarer Orkan beugt die starken Baumriesen, die sich am Hintergründe abzeichnen. Nur ein einziger glänzender Strahl fällt aus dem ewig verschlossenem Thor und beleuchtet die Menschenkinder, deren Glück für immer vernichtet ist. Mitleidslos treibt sie der Wächter des Paradieses von dannen. Das mächtige Schwert, das er in Händen hält, wird jedem Eindringling den Eintritt verwehren. Wir haben auch bei diesem Bilde die Zweiteilung von Handlung und Scenerie: im Vordergründe auf einer Art Podium die agierenden Personen, nach hinten gerückt in der Tiefe die Landschaft. Die räumliche Glaubwürdigkeit der Darstellung ist allerdings auf diese Art herab