noch alle möglichen Durchbohrungen zu erdulden. Der Schaden hat sich neuerdings in der sogenannten Loggia Foscara gezeigt, das heisst, jenem Trakt des Mittelgeschosses, welcher hinter der grossen offenen Hauptloggia liegt, gegen die Piazzetta, vom Hauptportal bis zur Wendung der Galerie nach Süden. Dieser Teil des Palastes, vor Zeiten offen, war schon lange vermauert und geschlossen worden. Der Kommunikation halber brach man nun in diese der Statik halber angebrachten Stützmauern Thüren, Fenster, Nischen durch, ja, um ein Treppchen nach den darübergelegenen grossen Sälen zu haben, brachte man solches in der Mauerstärke an, so dass diese Mauer, welche dort alles trägt, von dreissig auf vierzehn Centimeter Stärke reduziert wurde. Die eingebrochenen Thüren versah man nicht einmal mit einem Enllastungsbogen, sondern mit seit lange morsch gewordenen dünnen Bälkchen. Die in Rede stehende Mauer ist dergestalt gewichen, dass die Balkenköpfe der Decke aus ihren Lagerungen frei herausstanden. All diese Zustände konnte man nicht gewahr werden infolge der Holzverschalungen, welche nebst den Büchern alle Schäden verdeckten. Nun, nachdem die Bücher über Kopf und Hals entfernt werden, erkennt man mit Schrecken, was alles zu geschehen hat, nachdem auch diese Seite des Palastes, gleich der gegen Südosten, durch Verankerungen vor weiterer Bewegung gesichert sein wird.
Unverantwortlich ist, dass zwei Jahre nicht hingereicht haben, die Zecca zur Aufnahme der Bücher einzurichten. Projekte für und gegen, endlich Angriffnahme der Arbeiten und Beschluss, den grossen Lichthof mit einem Glasdach versehen, zum Lesesaal zu gestalten. Dieser vortreffliche Plan, von der Regierung gut geheissen, wurde der (nun mittlerweile vor kurzem abgeschafften) Künstleroberaufsichtskommission in Kunstsachen in Rom zur Begutachtung empfohlen und von dieser leider im letzten Augenblicke verworfen.
Somit Einstellung aller Arbeiten bis auf weiteres. — So ging und geht unendlich viel wertvolle Zeit verloren und der Schaden im Dogenpalast wächst langsam aber sicher, denn obgleich eine grosse Masse Bücher in Kisten verpackt ins Erdgeschoss verbracht wurden, in Räume, die selbst für minder Wertvolles zu feucht sein würden, so bleibt doch immer noch die Hauptmasse von den am gefährlichsten belasteten Stellen zu entfernen. Man schleppt sie ratlos bald hier- bald dorthin. Angesichts dieser trostlosen Zustände, während welcher natürlich die Marciana geschlossen ist, weil sie kein Lokal mehr hat, haben der Präfekt und Bürgermeister ein Gesuch an den König gerichtet, den grossen Ecksaal der Sansovinobibliothek, jetzt Teil des Königspalastes, vorübergehend zur Aufnahme wenigstens der wertvollsten Bücher einräumen zu lassen. Man wartet täglich auf den allerhöchsten Entscheid. — Wie beklagenswert ist es doch, dass nun, wer weiss auf wie lange, der so wichtige Bücherschatz nicht benutzt werden kann! Dem Minister fehlt es nicht am besten Willen, aber auch ihm gelingt es nicht, der bureaukratischen Hydra alle Köpfe abzuschlagen.
Letzthin fand eine sehr wichtige Gemeinderatssitzung statt, in welcher 300000 Lire als Zuschuss von Seiten der Stadt einstimmig votiert wurden für die in Angriff genommenen Wiederherstellungen der Hauptbaudenkmale Venedigs, S. Giov. e Paolo, Frari, Procuratien u. s. w. (500000 wurden seiner Zeit schon ausgesetzt für den Markusglockenturm). Ausserdem handelte es sich in dieser Sitzung darum, ob der nun vollkommen eisenumklammerte Glockenturm der Kirche S. Stefano wirklich abgetragen werden solle, oder ob man, den Vorschlägen der beiden Architekten Antonelli und Casetti Folge gebend, die Ver
stärkungsarbeiten vornehmen lassen solle, um durch solche, wie die beiden tüchtigen Nichtvenetianer versprechen, den Turm zu erhalten. Mit 34 Stimmen für und 11 gegen wurde der Vorschlag angenommen und zu diesem Zwecke 56000 Lire dafür ausgesetzt. Der Bürgermeister, Conte Grimani, der aus Gewissenspflicht die Niederlegung des Turmes empfohlen hatte, sowie Baumeister Cadet enthielten sich der Abstimmung, um nicht die Verantwortung einer möglichen Katastrophe auf sich zu laden. — Grimani hat, da ihm besondere Gewalt in der Sache, auch gegen die Beschlüsse, zusteht, »sobald Lebensgefahr für die Bevölkerung in Betracht kommt«, die beiden Architekten hierher beordert. Zur Zeit sind sie hier, doch ist ihre letzte Entscheidung noch nicht veröffentlicht worden.
Zu erwähnen ist noch, dass eins der ehernen Pferde über dem Hauptportale von S. Marco nun auch restauriert wird, sowie das grosse Fenster hinter dem Viergespann.
Der tüchtige Erzgiesser Munaretti, der sich in den letzten Jahren durch vortrefflich gelungene Monumentalgussleistungen ausgezeichnet hat, ist von der Regierung mit Wiederherstellung der vier Bronzestatuen Sansovino’s von der zertrümmerten Loggia betraut worden, sowie des prächtigen Gitters.
Markusbibliothek. Der Minister Nasi hat den gordischen Knoten durchhauen: er hat den lächerlichen Verschleppungen des Bibliothektransportes ein Ende gemacht, indem er einfach befahl, dass der Lichthof der Zecca mit Glas gedeckt und der Lesesaal der Bibliothek werde. So ist denn die ganze Frage gelöst und bleibt nur zu wünschen, dass die Arbeiten mit der nötigen Energie (?) betrieben werden.
Tintoretto’s Paradies wird nun endlich herabgenommen. Man wollte die Restaurationsarbeit zwei hiesigen Bilderrestauratoren übergeben. Diese jedoch konnten sich nicht einigen in ihren Ansichten über das, was zu geschehen habe. So hat man den geschätzten Canevaghi in Milano ausersehen für diese schwierige Arbeit: Fütterung und Reinigung des Riesenbildes.
Venedig, Januar 1903. a. WOLF.
DIE NEUEN ERWERBUNGEN DER NATIONAL
GALERIE
sind in gewohnter Weise wieder im zweiten Corneliussaale vereinigt worden, ehe sie ihre Plätze in der Galerie erhalten. Die Ausstellung kann sich zwar mit der vorjährigen nicht ganz messen, die durch die wahrhaft fürstliche Schenkung der Königs’schen Erben ihr Gepräge erhalten hatte, weist aber manches wertvolle und selbst köstliche Stück auf. Nahm damals das Ausland einen breiten Raum in Anspruch, so herrscht diesmal die deutsche Kunst fast ausschliesslich. Den Reigen eröffnet der wackere Dresdner Vorromantiker in der Landschaftsmalerei Kaspar David Friedrich mit einer Meeresküste, deren fein verschmolzene graue und grüne Töne und zarte Mondscheinbeleuchtung den Künstler von einer vorteilhafteren Seite zeigen als der bisher ausgestellte Mondaufgang. Die ältere Berliner Schule hat durch die Erwerbung eines Architekturbildes aus Hildesheim von dem bisher noch nicht vertretenen Hintze einen erwünschten Zuwachs erfahren. Eine wahre Überraschung bringt ein aus dem Pächter’schen Nachlass stammendes Interieur von Menzel. Der durch das offene Fenster hereinströmende und über den Fussboden und die Möbel flutende Sonnenschein, die kühlen Reflexe auf der vom Winde gebauschten Gardine, die Spiegelung der gegenüberliegenden Wand in dem alten Mahagonispiegel, all das ist mit einer Frische, Breite und Sicherheit vor uns hingezaubert, dass wir zuerst meinen, vor einem ganz modernen Bilde zu stehen. Und doch trägt es die Jahreszahl 1845. So weit
Unverantwortlich ist, dass zwei Jahre nicht hingereicht haben, die Zecca zur Aufnahme der Bücher einzurichten. Projekte für und gegen, endlich Angriffnahme der Arbeiten und Beschluss, den grossen Lichthof mit einem Glasdach versehen, zum Lesesaal zu gestalten. Dieser vortreffliche Plan, von der Regierung gut geheissen, wurde der (nun mittlerweile vor kurzem abgeschafften) Künstleroberaufsichtskommission in Kunstsachen in Rom zur Begutachtung empfohlen und von dieser leider im letzten Augenblicke verworfen.
Somit Einstellung aller Arbeiten bis auf weiteres. — So ging und geht unendlich viel wertvolle Zeit verloren und der Schaden im Dogenpalast wächst langsam aber sicher, denn obgleich eine grosse Masse Bücher in Kisten verpackt ins Erdgeschoss verbracht wurden, in Räume, die selbst für minder Wertvolles zu feucht sein würden, so bleibt doch immer noch die Hauptmasse von den am gefährlichsten belasteten Stellen zu entfernen. Man schleppt sie ratlos bald hier- bald dorthin. Angesichts dieser trostlosen Zustände, während welcher natürlich die Marciana geschlossen ist, weil sie kein Lokal mehr hat, haben der Präfekt und Bürgermeister ein Gesuch an den König gerichtet, den grossen Ecksaal der Sansovinobibliothek, jetzt Teil des Königspalastes, vorübergehend zur Aufnahme wenigstens der wertvollsten Bücher einräumen zu lassen. Man wartet täglich auf den allerhöchsten Entscheid. — Wie beklagenswert ist es doch, dass nun, wer weiss auf wie lange, der so wichtige Bücherschatz nicht benutzt werden kann! Dem Minister fehlt es nicht am besten Willen, aber auch ihm gelingt es nicht, der bureaukratischen Hydra alle Köpfe abzuschlagen.
Letzthin fand eine sehr wichtige Gemeinderatssitzung statt, in welcher 300000 Lire als Zuschuss von Seiten der Stadt einstimmig votiert wurden für die in Angriff genommenen Wiederherstellungen der Hauptbaudenkmale Venedigs, S. Giov. e Paolo, Frari, Procuratien u. s. w. (500000 wurden seiner Zeit schon ausgesetzt für den Markusglockenturm). Ausserdem handelte es sich in dieser Sitzung darum, ob der nun vollkommen eisenumklammerte Glockenturm der Kirche S. Stefano wirklich abgetragen werden solle, oder ob man, den Vorschlägen der beiden Architekten Antonelli und Casetti Folge gebend, die Ver
stärkungsarbeiten vornehmen lassen solle, um durch solche, wie die beiden tüchtigen Nichtvenetianer versprechen, den Turm zu erhalten. Mit 34 Stimmen für und 11 gegen wurde der Vorschlag angenommen und zu diesem Zwecke 56000 Lire dafür ausgesetzt. Der Bürgermeister, Conte Grimani, der aus Gewissenspflicht die Niederlegung des Turmes empfohlen hatte, sowie Baumeister Cadet enthielten sich der Abstimmung, um nicht die Verantwortung einer möglichen Katastrophe auf sich zu laden. — Grimani hat, da ihm besondere Gewalt in der Sache, auch gegen die Beschlüsse, zusteht, »sobald Lebensgefahr für die Bevölkerung in Betracht kommt«, die beiden Architekten hierher beordert. Zur Zeit sind sie hier, doch ist ihre letzte Entscheidung noch nicht veröffentlicht worden.
Zu erwähnen ist noch, dass eins der ehernen Pferde über dem Hauptportale von S. Marco nun auch restauriert wird, sowie das grosse Fenster hinter dem Viergespann.
Der tüchtige Erzgiesser Munaretti, der sich in den letzten Jahren durch vortrefflich gelungene Monumentalgussleistungen ausgezeichnet hat, ist von der Regierung mit Wiederherstellung der vier Bronzestatuen Sansovino’s von der zertrümmerten Loggia betraut worden, sowie des prächtigen Gitters.
Markusbibliothek. Der Minister Nasi hat den gordischen Knoten durchhauen: er hat den lächerlichen Verschleppungen des Bibliothektransportes ein Ende gemacht, indem er einfach befahl, dass der Lichthof der Zecca mit Glas gedeckt und der Lesesaal der Bibliothek werde. So ist denn die ganze Frage gelöst und bleibt nur zu wünschen, dass die Arbeiten mit der nötigen Energie (?) betrieben werden.
Tintoretto’s Paradies wird nun endlich herabgenommen. Man wollte die Restaurationsarbeit zwei hiesigen Bilderrestauratoren übergeben. Diese jedoch konnten sich nicht einigen in ihren Ansichten über das, was zu geschehen habe. So hat man den geschätzten Canevaghi in Milano ausersehen für diese schwierige Arbeit: Fütterung und Reinigung des Riesenbildes.
Venedig, Januar 1903. a. WOLF.
DIE NEUEN ERWERBUNGEN DER NATIONAL
GALERIE
sind in gewohnter Weise wieder im zweiten Corneliussaale vereinigt worden, ehe sie ihre Plätze in der Galerie erhalten. Die Ausstellung kann sich zwar mit der vorjährigen nicht ganz messen, die durch die wahrhaft fürstliche Schenkung der Königs’schen Erben ihr Gepräge erhalten hatte, weist aber manches wertvolle und selbst köstliche Stück auf. Nahm damals das Ausland einen breiten Raum in Anspruch, so herrscht diesmal die deutsche Kunst fast ausschliesslich. Den Reigen eröffnet der wackere Dresdner Vorromantiker in der Landschaftsmalerei Kaspar David Friedrich mit einer Meeresküste, deren fein verschmolzene graue und grüne Töne und zarte Mondscheinbeleuchtung den Künstler von einer vorteilhafteren Seite zeigen als der bisher ausgestellte Mondaufgang. Die ältere Berliner Schule hat durch die Erwerbung eines Architekturbildes aus Hildesheim von dem bisher noch nicht vertretenen Hintze einen erwünschten Zuwachs erfahren. Eine wahre Überraschung bringt ein aus dem Pächter’schen Nachlass stammendes Interieur von Menzel. Der durch das offene Fenster hereinströmende und über den Fussboden und die Möbel flutende Sonnenschein, die kühlen Reflexe auf der vom Winde gebauschten Gardine, die Spiegelung der gegenüberliegenden Wand in dem alten Mahagonispiegel, all das ist mit einer Frische, Breite und Sicherheit vor uns hingezaubert, dass wir zuerst meinen, vor einem ganz modernen Bilde zu stehen. Und doch trägt es die Jahreszahl 1845. So weit