italienischen und spanischen Klöster, Kirchen und Paläste ausrauben konnte, verlegte sich der französische Staat nicht etwa auf den ehrlichen und teueren Einkauf, sondern er verliess sich auf die Freigebigkeit der Privatsammler, und diese Freigebigkeit hat die kühnsten Hoffnungen überschritten. Zwar haben die Sammlungen im Louvre dadurch ein buntscheckiges Aussehen erhalten, indem, wie es gerade der Zufall oder die Laune der Schenker brachte, ein vielleicht minderwertiger Künstler ganz vollständig vertreten ist, während ein anderer, viel bedeutenderer Mann ganz fehlt oder sich nur sehr schwach zeigt, aber diese Lücken scheinen doch nach und nach verschwinden zu sollen. Eine davon ist durch die Sammlung Thomy-Thiery in glänzender Weise ausgefüllt worden. Diese Sammlung macht nicht wie die überschwenglich gelobte Kollektion Dutuit den Eindruck einer Rumpelkammer der Kunst, sondern sie zeigt uns, dass ihr Besitzer wirklichen Geschmack, feines Verständnis und eine scharf ausgeprägte Eigenart besass. Privatsammler, die Tanagrafigürchen und Renaissancebronzen, Rembrandtstiche und Louis Quinze-Möbel, pompejanische Malereien und ägyptische Mumien, persische Fayencen und chinesische Schnitzereien sammeln, sind eigentlich nur Steckenpferdreiter, die mehr der Kuriosität als dem künstlerischen Genüsse nachjagen. Eine solche Sammlung spiegelt kein fest gegründetes Bild ihres Besitzers wider, sondern erinnert uns an die bunt zusammengewürfelten Magazine der Antiquitätenhändler.
Bei Thomy-Thiery aber ist das nicht der Fall: er sammelt ausschliesslich Franzosen aus dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts und wählt sich auch hier unter Ausschluss der ganzen offiziellen und akademischen Kunst fast nur Leute aus dem Walde von Fontainebleau. In dieser Beschränkung aber zeigt sich der Sammler als Meister. Wer jetzt die bedeutendste Epoche der Malerei im 19. Jahrhundert studieren will, findet im Louvre alles beisammen und braucht nicht mehr in allen möglichen Privatsammlungen und Provinzmuseen Ergänzung der Louvrelücken aufzusuchen. Die grössten der grossen Landschaftsmaler von Barbizon sind hier mit den entzückendsten Perlen ihrer Kunst vertreten, gerade mit solchen Bildern, die wegen ihres geringen Umfanges von Museen ungern gekauft werden, die aber die Seele des Künstlers in ihrer herrlichen Nacktheit offenbaren, während er in grösseren Arbeiten oft gleichsam das Sonntagsgewand angelegt hat. Die Grossen sind alle da, aber ich glaube, keiner ist so herrlich vertreten wie Rousseau: von ihm sind vier berühmte und unvergleichliche Bilder da: das Dorf unter den breitästigen dunkellaubigen Bäumen, die lieblichen Ufer der Loire, die gewaltigen Eichen auf kleiner Anhöhe im freien Felde und der Frühling mit den lichten, schlanken Bäumen an dem Teiche, über den hinweg man weit, weit hinausschaut in die sonnenfrohe, lachend helle, grüne Au. Dazu gesellen sich dann wohl acht oder zehn köstliche kleine Arbeiten, eines wie das andere ein leuchtender Edelstein in dem Schmuckkästchen dieser Sammlung: die
Ebene vor den Pyrenäen, der Ferge, der Teich, der Waldesrand und andere, deren jedes das Glück einer Privatsammlung ausmachen würde.
Von Corot sind ebenfalls zwölf oder mehr Bilder da, lauter vorzügliche Sachen, unter denen dem Beschauer die Wahl schwer wird. Zwei davon möchte ich als ganz besonders bezeichnende Meisterwerke des grossen Poeten hervorheben: der Teich mit den Bäumen und den beiden Kühen im Wasser, am Ufer eine Frau mit einem roten Häubchen, silbern vibrierende Luft, zitterndes Laub, die ganze Poesie der Natur auf die Leinwand hingebannt; und der Abend, wo sich die schwarzen Baummassen gespenstisch von dem leuchtend hellen Himmel abheben. Ich nenne nur diese beiden, aber alle anderen Bilder Corot’s in dieser Sammlung sind wahre Kostbarkeiten, eine hinreissender und bezaubernder als die andere. Fast das nämliche lässt sich von den Daubignys sagen. Auf dem »der Sumpf« genannten Bilde sind die zarten Nüancen des Abendhimmels hingehaucht wie mit Feenfingern, zehn andere Bilder besingen den einschmeichelnden Reiz der stillen Flussufer und Sumpflandschaften. Ich erwähne noch »la Vanne«, wo sich das tiefe satte Grün der Bäume mit dem kräftigen Blau des Himmels zu einem starken Accord vereinigt. Auch für Dupré kann man sich nur wiederholen. Ein Sonnenuntergang am Sumpfe ist so delikat in seiner herrlichen Leuchtkraft, dass man vergebens nach Worten des Lobes sucht. Alle diese Leute waren eben Poeten, Poeten, die mit offenen Augen in die Natur hineinschauten, die voll und frei den würzigen Odem von Wiese, Wald und Feld einsogen, die das Geschaute und Empfundene verkündeten mit der Wahrheit und der Begeisterung echter Dichter. Vorzüglich vertreten ist auch Diaz. Seine Nymphen im Walde gehören sicher zu den feinsten, anmutigsten und poetischsten Erzeugnissen seiner etwas schwankenden Kunst. Decamps ist hier auf eine Weise vertreten, die fast einer Offenbarung gleichkommt. Ganz besonders mit Bezug auf seine ausgezeichneten Lichtstudien, Höfe, Intérieurs u. s. w., die in ihren überaus feinen und poetischen Wirkungen von Licht und Schatten bald an Pieter de Hooch, bald an die neueren Bail, Lhomond u. s. w. erinnern. Indessen ist er nicht nur mit diesen entzückenden, oft kaum handgrossen Bildchen vertreten: man lernt ihn in dieser Sammlung von allen Seiten seines Talentes kennen: es giebt da orientalische Scenen, Genrebilder, Hunde, Landschaften und Marinen. Millet hat keine bedeutende Nummer da, aber seine kleinen Bilder des Holzhackers, der Wäscherin, der Heumacher u. s. w. zeigt ihn so gut, wie er als Maler überhaupt gezeigt werden kann. Troyon ist ebenfalls sehr stark vertreten und hat hier einige seiner grossen und bekannten Bilder, die aber nicht seine besten sind. In zweien der hier befindlichen Arbeiten, in der Schafherde im Walde und in der Begegnung zwischen einer Schaf- und einer Kuhherde ebenfalls im Walde, lernt man ihn von seiner besten Seite kennen. Von Fromentin ist eine algerische Falkenjagd da, und dann sind hier noch drei Maler