Mit dem Hochmut der Ewigen wirft die Gottheit den Kopf in den Nacken. »Ägypten« wird man sagen, aber hier ist das Fünftausendjahralte neublütig geworden.
Fasse ich nach dieser langen Durchschau der in mehr als einer Hinsicht aufregenden schwarzen Symphonie meine Eindrücke zusammen, so sage ich: zweifellos einige starke und unmittelbar wiedergegebene Visionen. Dann ein natürlicher und sicherer Sinn für Raumverteilung und Tonwirkung, ln Gestaltung und Belebung der Einzelformen muss Kubin aber noch fast alles lernen. Da kann ihm jeder der namenreichen und die meisten der namenlosen Künstler des 16. Jahrhunderts, weil Mehrleister, auch Lehrmeister sein. Also viel treues Akt- und Kostümstudium, im Sommer langes Weilen in sonnendurchglänzten Wäldern und reichen tragenden Feldern, im Winter viel, sehr viel Beethoven, und der Gedankenzeichner wird, reicher geworden an Leben und Kunst, auch die Welt gerechter werten. Das Königsrecht sei dem Künstler gewahrt, das Heer der Schauenden durch lange Reihen angstverzerrter Mienen hindurchzuführen, aber auch der Königspflicht sei er erinnert, die Fahne vorzuhalten, auf der in leuchtenden Krystallen die Worte gestickt sind: Und doch! Das letzte Wort einer jeden grossen Kunst ist: Ja! »Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm«. (Fortsetzung folgt.)
EINE BÖCKLIN-AUSSTELLUNG IN WIEN
Von Ludwig Hevesi
Im Januar hat der Hagenbund eine interessante Ausstellung von weniger bekannten Böckliniana veranstaltet. Einiges davon, aus der Frühzeit, sah man schon an der Böcklinwand der letzten Internationalen zu Venedig hängen. Darunter das kleine Weimarer Selbstbildnis (1861), auf einer Säulenterrasse sitzend, den Blick hinausgewandt ins Ferne und Fernere, gleich Feuerbach’s Iphigenia. Und frühe Landschaften, noch ganz Schirmerisch, wie die so ernsthaft grünen, Blatt für Blatt greifbaren Ahornbestände (»Kentaur und Nymphe«, 1855), bei denen man an das Bekenntnis denkt: »Ja, ich war lange Schüler von Schirmer, aber ich habe auch lange gebraucht, um mich von ihm loszumachen, in der ganzen Weltanschauung«. Eine »Schlucht mit Wasserfall« (Basel 1848) ist noch ganz historisch-romantisch, bloss in zwei Tönen, einem bleichen Grau und einem schwarz gegebenen Grün, wie bei Vollmond. Eine schöne kleine Waldstudie zur neueren »Jagd der Diana«, wo Ölbäunie und Rotbuchen zweifarbig ineinander greifen und hinten das Erdreich in blauen Duft versinkt, hing schon in Venedig. Desgleichen diese und jene kleine Einzelfigur: Melpomene, Hoffnung u. s. f. Es waren aber auch einige Hauptbilder des Meisters in Wien noch unbekannt. So »Dichtung und Malerei« (1881 bis 1882). Henri Mendelsohn erzählt in seinem neuen Böcklinbuche (Berlin 1901), dass damals die Böcklingruppe in Florenz, der auch Hans v. Marées und Adolf Hildebrand angehörten, sich die Losung gegeben hatte: »Der Mensch im Raume«. Die Impressionisten riefen bekanntlich: »Der Mensch in Luft und Licht«. Auch Puvis in Paris trachtete zum Monumentaleren zurück, indem er das Verhältnis zwischen Mensch und Raum gesetzmässiger, organischer formulierte. Böcklin und seine Leute bauten ihr Schema damals nicht pyramidal, sondern fügten es aus wagrechten und senkrechten Elementen. Zu ihrer strengen Rhythmik gehörte es, die Mittellinie scharf hinzusetzen. So im »Tanz um die Bacchussäule«, wo die Säule das weithin sichtbare Rückgrat der Komposition bildet. In »Dichtung und Malerei« dient der blitzende Strahl des Springbrunnens als solche Mittellinie. Er steigt aus einem
Amethystbecken in der Mitte einer Halle von edlem Gestein. Smaragden und Rubinen schmücken den Bau, der über florentinischer Landschaft mit villengesprenkelten Cypressenhügeln hoch im Raume steht. Rechts und links von der »flüssigen Säule« stehen zwei Böcklin’sche Frauen, die füglich unter denen im Baseler Museum hängen könnten. Es ist das Bild, dass Hans Sandreuter auf dem Revers seiner Böcklinmedaille wiedergegeben hat. Auch eine »Nacht«, die in violenfarbenen Dämmerschleiern durch goldigen Dunsthimmel schwebt, hat in Basel eine nahe Verwandte. Und aus dem Jahre des herrlichen Baseler Bildes: »Vita somnium breve« und der grotesken »Susanna im Bade« (1888) stammt das Brustbild einer »Judith«, die auf den gespreizten Fingern beider Hände die Tasse mit der Flasche Rotwein und Gläsern darbringt. Nach dem »felinen« Ausdruck der halbgeschlossenen Augen und des nervös lüsternen Mundes, und den roten Schatten in Haar, Fleisch und den beiden dunklen, aber ganz durchscheinenden Händen könnte sie wohl zu der Rasse der modernen Salomen und Herodiaden Regnault - Klinger - Beardsley’scher Observanz zählen, ist aber doch nur die harmlosere wälsche Judith aus Keller’s »grünem Heinrich«, die dem germanischen Wesen entgegengesetzt wird.
Besonderes Interesse erregten einige unvollendete Bilder der kranken Zeit. Am 18. Mai 1892 wurde Böcklin vom Schlage gerührt. Damals standen, wie Mendelsohn mitteilt, drei Bilder auf seinen Staffeleien: die »Venus genetrix« (1895 vollendet und zwar, wie mir erinnerlich, mit äusserster Sorgfalt), ein »Nessus und Dejanira« und eine »Scene aus Ariost«. Diese ist augenscheinlich der »rasende Roland«, der nun auch hierher gelangte. Ariostische Motive kommen bei Böcklin immer wieder vor; man erinnere sich nur an die nackte Angelika vor dem roten Mantel des dunkel geharnischten Ruggiero, der ihren Drachen erlegt hat. Übrigens war er nichts weniger als Illustrator und wusste, wie Floerke erzählt, oft gar nicht genau, wie die romantischen Herrschaften, die er malte, eigentlich hiessen. Die Raserei Roland’s hat er sich aus mehreren Stanzen der Gesänge 23 und 24 zusammengestellt. E cominciö Ia gran follia, ... er hat durch Angelika’s Treulosigkeit den Verstand verloren, den später Astolf im Monde finden wird, in einer Vase verwahrt, aus der er sie schliesslich den mit Stricken gefesselten Tollhäusler aufschnupfen lässt. (»Messer Lodovico, wo habt ihr nur all das tolle Zeug her?«) Im Gedicht sind es drei Scenen, wie der Rasende un alto pino aus der Erde reisst und Hirten und Bauern durchwalkt, wobei er einem den Kopf »abpflückt«, wie einen Apfel oder eine Pflaume, und dann »per una gamba il grave tronco prese e quello usö per mazza addosso al resto«. Die Bauern räumen das Feld, gli altri sgombraro subito il paese. Aus allen diesen Momenten hat sich Böcklin einen einzigen zusammengestellt, der physisch gar nicht durchführbar wäre, aber eben darum die possanza estrema des Helden in ein märchenhaftes Licht rückt. Der nackte Riese (nur untermalt) stürmt mit ungeheuren Schritten in einen hoch gelegenen Weiler und schwingt einen mitten abgebrochenen dürren Baumstamm gegen die Überfallenen. Einige setzen sich mit Heugabeln und Spaten zur Wehre, andere fliehen Hals über Kopf den Abhang herab, übereinander purzelnd, ein Gestürzter noch bäuchlings weiter gleitend. Ihr panischer Schreck wirkt ebenso grotesk als ihr förmlich faschingsmässiges Kostüm. Man erinnert sich unwillkürlich an die kannibalische Laune früherer Böcklin’scher Germanen, die, das lange Messer quer zwischen den Zähnen, mit langen Gabillonschritten durch Flüsse waten, um römische Gurgeln abzuschneiden. Während aber Orlando so auf