es nun nicht eine schöne Aufmerksamkeit, wenn man in Rom — wo italienische, päpstliche Kunst in solcher Weise von Nordländern geehrt wird — den Entschluss fasste, den Deutschen eine kleine Gegenerkenntlichkeit zu erweisen, indem von den massgebenden Persönlichkeiten aus — ich wage es sogar ehrfurchtsvoll Se. Heiligkeit selbst zu nennen — den geistlichen Würdenträgern in Gent nahe gelegt würde, sie möchten den hierzu Berufenen die Erlaubnis zum Photographieren des grossartigsten Werkes germanischer, religiöser Malerei gewähren.
Auf welchem Wege dieses ausgestreute Samenkorn das Erdreich erreicht, in dem es zur That ausreifen kann, entzieht sich meinem Vermuten. Ich kann nur sagen: Nachdruck dieser Zeilen aus der »Kunstchronik« ist nicht nur gestattet, sondern höchst erwünscht, ja erbeten! Und zwar wende ich mich mit meiner Bitte ebensowohl an die ausländischen wie an unsere deutschen Zeitungen.
Dr. FERDINAND LABAN,
Bibliothekar der Königl Museen zu Berlin.
PARISER BRIEF
Eine ausserordentlich interessante Ausstellung vereinigt bei Georges Petit vier Künstler, die man, da es nun einmal nicht ohne das Schachtelsystem der »Schulengehen will, Impressionisten nennt: Lépine, Boudin, Jongkind und Sisley. Alle vier haben ungefähr zur gleichen Zeit gearbeitet, etwa zwischen 1860—1890, und alle vier sind tot. Nur Sisley hat lange genug gelebt, um Zeuge seiner Berühmtheit zu werden, die anderen sind gestorben, ehe es den eifrigen Bemühungen der Händler gelungen war, den Ruhm und die Preise ihrer Schützlinge in die gehörige Höhe zu treiben. Denn man darf sich bei allem Verständnis und bei aller Bewunderung für die Kunst der Impressionisten nicht verhehlen, dass ihr plötzlich zu schwindelnder Höhe aufgestiegener Ruhm sehr viel mit geschickter Reklame und geschäftigem Tamtam zu thun hat. Die ganze Gesellschaft der Maler, die man jetzt unter der Bezeichnung »Impressionisten« zusammenfasst, war bei Lebzeiten von gewissen Kunsthändlern monopolisiert; dreissig Jahre lang haben die Händler Boudins, Lépines, Jongkinds, Sisleys, Pizaros, Monets, Renoirs u. s. w. aufgespeichert, um jetzt, wo die Hälfte der Leute verschwunden ist und die andere im hohen Alter steht, die Schleusen der Magazine aufzuthun, nachdem man vorher durch fingierte Verkäufe und andere geschickte Machenschaften die Preise in die Höhe getrieben hat. Selbstverständlich werden die Schleusen vorläufig nur für diejenige Ware geöffnet, deren Urheber verschwunden sind. Claude Monet und Degas werden noch eine Weile warten müssen. Denn so lange der Künstler lebt, drückt er selbst seine Preise, indem er arbeitet und seinen ‘schon vorhandenen Werken somit Konkurrenz macht. Erst wenn die Quelle versiegt ist, kann man den ausgeströmten Segen in Flaschen fassen und nach der Seltenheit den höheren Preis bestimmen. Da nun Boudin, Jongkind, Lepine und Sisley tot sind, so ist es an der Zeit, dass die Händler ihre Schätze an die Öffentlichkeit und an den Mann bringen. Diese sehr reellen Erwägungen sind die Ursache der gegenwärtigen Ausstellung bei Georges Petit. Von Zeit zu Zeit lese ich in Büchern und Zeitschriften von den Opfern, die von gewissen Pariser Händlern gebracht worden seien, um der idealen Anschauung der Impressionisten zum Siege zu verhelfen. Das ist eine sehr thörichte Auffassung, die
von den betreffenden Künstlern durchaus nicht geteilt wird. Die Leute, die sich vor dreissig Jahren der Impressionisten bemächtigten, machten einfach eine geschäftliche Spekulation, die gelingen oder fehlschlagen konnte. Sie schufen das, was man sonst einen »Trust« oder ein »Cornernennt. Die Spekulation ist ihnen ausserordentlich geglückt, und hat ihnen jetzt schon, wo sie erst am Anfänge der Liquidation stehen, Millionen eingebracht. Ich sehe nicht ein, warum man den Leuten begeisterte Loblieder singen soll. Aber betreten wir die Ausstellung.
Es sind im ganzen hundert Bilder ausgestellt, fünfundzwanzig von jedem der genannten Künstler. Diese Ausstellung gewährt uns nicht nur einen genauen Einblick in die Art eines jeden der vier Maler, sondern sie ist zugleich ausserordentlich interessant, indem sie den Werdegang des sogenannten Impressionismus überzeugend vorführt. Die vier Leute greifen deutlich ineinander über, und obgleich in Wirklichkeit von einer solchen Entwickelung des einen aus dem anderen vermutlich nicht die Rede ist, stellen sie doch vier weiter schreitende Stufen in der Geschichte des Impressionismus dar, deren jede unmerklich zu der folgenden hinüberleitet. Besonders deutlich ist dies bei den drei erstgenannten; Sisley ist von dem ihm zunächst stehenden Jongkind durch eine weit grössere Kluft getrennt als Lépine von Boudin und Boudin von Jongkind. Der delikateste und zarteste von den vieren ist Stanislaus Lépine, der in seiner stillen Poetenart an die Leute von Barbizon und Ville d’Avray erinnert und in einigen seiner träumerischen Flussbilder und traulicher Gassen Corot’s erster Manier begegnet.
Alle vier Meister wählen fast genau die nämlichen Motive: mit ganz wenigen Ausnahmen bieten ihre Bilder Ansichten von Flussufern und vom Meeresstrande, und die vorteilhafteste Mise en page ist ihnen allen gemein. Was man sich von dem resoluten Verzichte der Impressionisten auf jede Auswahl und Bildwirkung erzählt, stimmt vielleicht für Degas, lässt sich aber weder auf die hier vertretenen vier Maler, noch auf Claude Monet anwenden. Ganz im Gegenteil suchen sich diese Künstler immer ein möglichst dankbares Motiv, und wenn sie es einmal gefunden haben, bearbeiten sie es wieder und wieder unter allen erdenklichen Beleuchtungen. Lépine kommt nur selten aus Paris und seiner nächsten Umgebung heraus, und geschieht dies doch, wie in seinen Bildern aus der alten normännischen Stadt Caen, so weiss er auch anderswo genau die nämlichen stillen träumerischen Winkel und Flussufer zu finden, die ihn in und bei Paris beschäftigen. Er ist bei weitem der sinnigste, in sich versunkenste Poet von den vieren. Er malt seine Bilder einzig, weil sie ihm Vergnügen machen. An das kaufende Publikum denkt er dabei nicht. Er liebt die duftigen Fernsichten auf der Seine, die einsamen Winkel am Kai, die stillen Gässchen, die von gemütlichem Volke belebten Plätze, und alles giebt er mit Liebe, Gemüt und Poesie wieder. Warum er eigentlich zu den Impressionisten gezählt wird, ist nur aus wenigen seiner Bilder, wo er den farbigen Reflexen der Luft auf dem Wasser gerecht wird, zu erkennen. Jedenfalls steht er im ganzen den Leuten um Corot und Rousseau viel näher als den Anhängern und Nachfolgern Monet’s, Pizarro’s, Renoir’s u. s. w., welche nahe daran sind, die Theorien des Impressionismus ad absurdum zu führen.
Boudin ist etwas weniger Poet und etwas mehr Maler als Lépine. Ihn freuen die hellen, klaren Accorde seiner Farben, die silbernen Wolken am hohen blauen Himmel, die roten leuchtenden Kleider und Sonnenschirme der Damen auf dem gelben Meeresstrande, die dunkelgrünen Bäume am silbernen Himmel, die roten Häuser am sil
Auf welchem Wege dieses ausgestreute Samenkorn das Erdreich erreicht, in dem es zur That ausreifen kann, entzieht sich meinem Vermuten. Ich kann nur sagen: Nachdruck dieser Zeilen aus der »Kunstchronik« ist nicht nur gestattet, sondern höchst erwünscht, ja erbeten! Und zwar wende ich mich mit meiner Bitte ebensowohl an die ausländischen wie an unsere deutschen Zeitungen.
Dr. FERDINAND LABAN,
Bibliothekar der Königl Museen zu Berlin.
PARISER BRIEF
Eine ausserordentlich interessante Ausstellung vereinigt bei Georges Petit vier Künstler, die man, da es nun einmal nicht ohne das Schachtelsystem der »Schulengehen will, Impressionisten nennt: Lépine, Boudin, Jongkind und Sisley. Alle vier haben ungefähr zur gleichen Zeit gearbeitet, etwa zwischen 1860—1890, und alle vier sind tot. Nur Sisley hat lange genug gelebt, um Zeuge seiner Berühmtheit zu werden, die anderen sind gestorben, ehe es den eifrigen Bemühungen der Händler gelungen war, den Ruhm und die Preise ihrer Schützlinge in die gehörige Höhe zu treiben. Denn man darf sich bei allem Verständnis und bei aller Bewunderung für die Kunst der Impressionisten nicht verhehlen, dass ihr plötzlich zu schwindelnder Höhe aufgestiegener Ruhm sehr viel mit geschickter Reklame und geschäftigem Tamtam zu thun hat. Die ganze Gesellschaft der Maler, die man jetzt unter der Bezeichnung »Impressionisten« zusammenfasst, war bei Lebzeiten von gewissen Kunsthändlern monopolisiert; dreissig Jahre lang haben die Händler Boudins, Lépines, Jongkinds, Sisleys, Pizaros, Monets, Renoirs u. s. w. aufgespeichert, um jetzt, wo die Hälfte der Leute verschwunden ist und die andere im hohen Alter steht, die Schleusen der Magazine aufzuthun, nachdem man vorher durch fingierte Verkäufe und andere geschickte Machenschaften die Preise in die Höhe getrieben hat. Selbstverständlich werden die Schleusen vorläufig nur für diejenige Ware geöffnet, deren Urheber verschwunden sind. Claude Monet und Degas werden noch eine Weile warten müssen. Denn so lange der Künstler lebt, drückt er selbst seine Preise, indem er arbeitet und seinen ‘schon vorhandenen Werken somit Konkurrenz macht. Erst wenn die Quelle versiegt ist, kann man den ausgeströmten Segen in Flaschen fassen und nach der Seltenheit den höheren Preis bestimmen. Da nun Boudin, Jongkind, Lepine und Sisley tot sind, so ist es an der Zeit, dass die Händler ihre Schätze an die Öffentlichkeit und an den Mann bringen. Diese sehr reellen Erwägungen sind die Ursache der gegenwärtigen Ausstellung bei Georges Petit. Von Zeit zu Zeit lese ich in Büchern und Zeitschriften von den Opfern, die von gewissen Pariser Händlern gebracht worden seien, um der idealen Anschauung der Impressionisten zum Siege zu verhelfen. Das ist eine sehr thörichte Auffassung, die
von den betreffenden Künstlern durchaus nicht geteilt wird. Die Leute, die sich vor dreissig Jahren der Impressionisten bemächtigten, machten einfach eine geschäftliche Spekulation, die gelingen oder fehlschlagen konnte. Sie schufen das, was man sonst einen »Trust« oder ein »Cornernennt. Die Spekulation ist ihnen ausserordentlich geglückt, und hat ihnen jetzt schon, wo sie erst am Anfänge der Liquidation stehen, Millionen eingebracht. Ich sehe nicht ein, warum man den Leuten begeisterte Loblieder singen soll. Aber betreten wir die Ausstellung.
Es sind im ganzen hundert Bilder ausgestellt, fünfundzwanzig von jedem der genannten Künstler. Diese Ausstellung gewährt uns nicht nur einen genauen Einblick in die Art eines jeden der vier Maler, sondern sie ist zugleich ausserordentlich interessant, indem sie den Werdegang des sogenannten Impressionismus überzeugend vorführt. Die vier Leute greifen deutlich ineinander über, und obgleich in Wirklichkeit von einer solchen Entwickelung des einen aus dem anderen vermutlich nicht die Rede ist, stellen sie doch vier weiter schreitende Stufen in der Geschichte des Impressionismus dar, deren jede unmerklich zu der folgenden hinüberleitet. Besonders deutlich ist dies bei den drei erstgenannten; Sisley ist von dem ihm zunächst stehenden Jongkind durch eine weit grössere Kluft getrennt als Lépine von Boudin und Boudin von Jongkind. Der delikateste und zarteste von den vieren ist Stanislaus Lépine, der in seiner stillen Poetenart an die Leute von Barbizon und Ville d’Avray erinnert und in einigen seiner träumerischen Flussbilder und traulicher Gassen Corot’s erster Manier begegnet.
Alle vier Meister wählen fast genau die nämlichen Motive: mit ganz wenigen Ausnahmen bieten ihre Bilder Ansichten von Flussufern und vom Meeresstrande, und die vorteilhafteste Mise en page ist ihnen allen gemein. Was man sich von dem resoluten Verzichte der Impressionisten auf jede Auswahl und Bildwirkung erzählt, stimmt vielleicht für Degas, lässt sich aber weder auf die hier vertretenen vier Maler, noch auf Claude Monet anwenden. Ganz im Gegenteil suchen sich diese Künstler immer ein möglichst dankbares Motiv, und wenn sie es einmal gefunden haben, bearbeiten sie es wieder und wieder unter allen erdenklichen Beleuchtungen. Lépine kommt nur selten aus Paris und seiner nächsten Umgebung heraus, und geschieht dies doch, wie in seinen Bildern aus der alten normännischen Stadt Caen, so weiss er auch anderswo genau die nämlichen stillen träumerischen Winkel und Flussufer zu finden, die ihn in und bei Paris beschäftigen. Er ist bei weitem der sinnigste, in sich versunkenste Poet von den vieren. Er malt seine Bilder einzig, weil sie ihm Vergnügen machen. An das kaufende Publikum denkt er dabei nicht. Er liebt die duftigen Fernsichten auf der Seine, die einsamen Winkel am Kai, die stillen Gässchen, die von gemütlichem Volke belebten Plätze, und alles giebt er mit Liebe, Gemüt und Poesie wieder. Warum er eigentlich zu den Impressionisten gezählt wird, ist nur aus wenigen seiner Bilder, wo er den farbigen Reflexen der Luft auf dem Wasser gerecht wird, zu erkennen. Jedenfalls steht er im ganzen den Leuten um Corot und Rousseau viel näher als den Anhängern und Nachfolgern Monet’s, Pizarro’s, Renoir’s u. s. w., welche nahe daran sind, die Theorien des Impressionismus ad absurdum zu führen.
Boudin ist etwas weniger Poet und etwas mehr Maler als Lépine. Ihn freuen die hellen, klaren Accorde seiner Farben, die silbernen Wolken am hohen blauen Himmel, die roten leuchtenden Kleider und Sonnenschirme der Damen auf dem gelben Meeresstrande, die dunkelgrünen Bäume am silbernen Himmel, die roten Häuser am sil