bernen Flusse. Er sucht farbige, malerische Wirkungen, wo Lépine in poetischen Stimmungen sinnt und träumt. Bei Jongkind wird diese Neigung noch stärker. Poet ist er nur noch als Maler. Die malerische Wirkung ist ihm alles, die Poesie nimmt er nur nebenbei mit, wenn es die Umstände gerade so fügen. Bei ihm finden wir schon die violetten, blaugrünen, lila und orange Töne, die nachher bei Sisley wie schroffe Herausforderungen losknallen. Und wie die Farben heftiger, und schliesslich sogar brutal werden, so wird auch die Pinselführung immer gröber. Bei Lépine sieht man kaum einen Pinselstrich, alles ist fein und delikat verrieben, bei Boudin wird die Faktur schon schwerer und gröber, Jongkind setzt mit spitzem Pinsel Klecks neben Klecks und Strich neben Strich, Sisley wirtschaftet rücksichtslos mit breiten Strichen drauflos, ln seinen Farben wirkt Sisley häufig wie ein Polemiker oder Volksredner, der seine Wahrheiten übertreibt, um seiner Effekte desto sicherer zu sein. Sein nicht gerade angenehmes Violett färbt Bäume, Land und Fluss, und was bei Lépine zur stillen Melodie wurde, wird bei ihm zum brutalen Kriegsgeschrei. Er macht häufig den Eindruck des durch Widerspruch zur Übertreibung Gereizten: »Was, Ihr wollt nicht glauben, das Bäume blau und Kalkmauern violett sind? Das will ich Euch jetzt einmal zeigen!« Und dann setzt er den zarten bläulichen Hauch in das knallendste und brutalste Violett um, und je disharmonischer und hässlicher so ein Bild wirkt, desto mehr wird es angestaunt und bewundert, und desto höhere Preise werden dafür bezahlt. Zum Glück wird diese Modekrankheit bald vorüber gehen, denn die jüngsten Ausläufer des Impressionismus sind mit Erfolg bemüht, die ganze Richtung zu Tode zu hetzen.
Eine hübsche Ausstellung hat die Société nouvelle de Peintres et de Sculpteurs bei Duran-Ruel veranstaltet. Bartholome zeigt hier die Bronzestatue einer schmerzversunkenen Frau mit ihrem toten Säugling, wahrscheinlich eine der zahlreichen Einzelfiguren zu dem grossen Totenmal, die nachmals bei der endgültigen Ausführung dieses monumentalen Werkes nicht benutzt wurden. Der Adel der Formen, wie die Tiefe der Empfindung ist bei dieser trauernden Mutter ebenso bewunderungswürdig wie bei dem Totenmal. Kleine Bronze- und Gipsfigürchen ruhender, tanzender oder spazierender Frauen zeigt der auf diesem Gebiete von früheren Ausstellungen vorteilhaft bekannte Bildhauer Louis Dejean. Alexander Charpentier ist mit zwei hübschen Plaketten und der charakteristischen Terrakottastatuette eines kleinen Mädchens vertreten, und Konstantin Meunier hat eine Büste des Malers Cottet gesandt, die mir bei allen Vorzügen der kräftigen und energischen Modellierung nicht auf der Höhe anderer Arbeiten dieses grossen Meisters zu stehen scheint.
Unter den Malern steht Jaques Emil Blanche mit einem ausserordentlich lebendigen und malerisch ungemein interessanten und wirksamen männlichen, einem ebenso vorzüglichen weiblichen Bildnisse und einer Anzahl famoser Skizzen an der Spitze. Lucien Simon hat zwei kräftige und farbenfrohe Aquarelle und zwei Ölbilder geschickt, alles Scenen aus der Bretagne, in der bekannten energischen Manier des Künstlers gemalt. Das eine dieser Ölbilder wirkt etwas trübe in seinen dunkeln Tönen, aus denen plötzlich ein grellroter Weiberrock herausknallt, dessen Leuchten den ganzen grossen Rest des Gemäldes in nächtliches Dunkel zurückdrängt. Aber die Art, wie Simon den Pinsel handhabt, wie er mit verblüffender Sicherheit breit und keck die Farben hinschmiert, ist so bewundernswert, dass die Freude daran alle Bedenken verstummen lässt. Cottet scheint mir auf dieser Ausstellung weniger gut vertreten und seine acht Bilder bedeuten sicherlich keinen
Fortschritt und vielleicht einen Rückschritt gegen frühere, weit bessere Arbeiten von ihm. Auch er hat wie Bartholomé eine Mutter mit ihrem toten Säugling dargestellt, natürlich in bretonischer Tracht, und die kleine Leiche ist ganz mit grellbunten Papierblumen bedeckt. Die Malerei ist hart und erdig, und die tiefe Empfindung Bartholomé’s fehlt ganz. Antonio de la Gandara ist ein Maler, dem man Originalität nicht absprechen kann, und der sich zahlreicher Bewunderer erfreut. Seine Bildnisse vornehmer Damen erinnern zwar an das Modejournal, aber er versteht es, den Modellen einen perversen Sphinxzug zu geben, der den Beschauer vor dem Bilde festhält. Seine Farben trägt er ganz dünn auf, die Konturen betont er scharf, die Schatten im Gesichte übertreibt er, und schliesslich werden Fleisch, Haar, Seide, Tapete, Sessel und Teppich hart und glatt wie aus Blech geformt.
Die neun kleinen Bilder Henri Martin’s sagen uns nichts Neues: es sind Veduten aus der Provence, in der Sonne glänzende Dörfchen, von Weinreben überschattete Bauernhäuschen, mit Blumentöpfen geschmückte Fenster, alles in der bekannten Pünktchenmanier gemalt, was hier, wo es auf die Wiedergabe hellen Sonnenlichtes ankommt, sehr gut wirkt. Albert Baertson mit seinen holländischen Kanälen und Dorfstrassen, Emil Claus mit seinen bunten Gärten in Pünktchenmanier, Henri Duhem mit seinen Mondscheinbildern von Häusern am Wasser, Schafherden auf dem Felde, André Dauchez mit seinen melancholisch düsteren Dünen und Heiden, Georg Griveau mit seinen hellgrauen Landschaften, Bildnissen und Stillleben, Eugen Vail’s venetianische Plätze und Kanäle, René Ménard’s Traumgegenden mit den verzauberten Wolkengebilden, Walter Gay’s Architekturen und Interieurs aus dem 17. und 18. Jahrhundert, René Prinet’s hübsche, von sanften Lichtwellen durchflutete Stuben, Ernest Laurent’s Porträts in Strichelchenmanier und Walter Sickert’s Veduten aus Venedig, London u. s. w. sind den früheren Arbeiten ihrer Urheber so ähnlich, dass über sie nichts Neues zu sagen ist. Henry Caro-Delvalle endlich, ein junger Künstler, der im letzten Salon Aufsehen erregte, ist mit dem grossen Bildnisse einer alten Dame und eines kleinen Mädchens erschienen, eine Arbeit, worin der Einfluss Manet’s deutlich zu erkennen ist, und die durch die geschickte und harmonische Abwägung der verschiedenen Schattierungen von Weiss interessant ist. Störende Zeichenfehler und eine sehr mangelhafte Perspektive verderben jedoch den angenehmen Eindruck des Gemäldes.
KARL EUGEN SCHMIDT.
MÜNCHNER BRIEF
(Emil Lugo — Alfred Kubin — Karl Bauer — Segantini)
(Fortsetzung)
»Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm«. Diese Worte geben die Grundnote im Schaffen Karl Bauer’s, eines in München lebenden Stuttgarters, dessen Gemälde und Lithographien vor einigen Wochen im Kunstverein ausgestellt waren. Die générosité des Descartes, Carlyle’s heroworship bestimmen das Gefühl, das er jenen Überwindern entgegenbringt, die es gestehen dürfen, dass ihr höchstes Glück die Persönlichkeit ist. Er ist ein männlich starkes und weiches süddeutsches Temperament. Etwas von Schiller’s geradliniger Begeisterungsfähigkeit ist in ihm. Jedem volledlen ruhigen Sinnenreiz ist sein Empfinden offen. Ein längerer Aufenthalt in Paris war von guter Frucht. Besnard, Aman-Jean, Carrière, Fantin-Latour haben sich in ihn eingegraben. Mehr noch das Leben dort. Die Männlein und Weiblein vom Boulevard St. Michel, in seinen Skizzenbüchern immer mit drei, vier trefflich gewählten
Eine hübsche Ausstellung hat die Société nouvelle de Peintres et de Sculpteurs bei Duran-Ruel veranstaltet. Bartholome zeigt hier die Bronzestatue einer schmerzversunkenen Frau mit ihrem toten Säugling, wahrscheinlich eine der zahlreichen Einzelfiguren zu dem grossen Totenmal, die nachmals bei der endgültigen Ausführung dieses monumentalen Werkes nicht benutzt wurden. Der Adel der Formen, wie die Tiefe der Empfindung ist bei dieser trauernden Mutter ebenso bewunderungswürdig wie bei dem Totenmal. Kleine Bronze- und Gipsfigürchen ruhender, tanzender oder spazierender Frauen zeigt der auf diesem Gebiete von früheren Ausstellungen vorteilhaft bekannte Bildhauer Louis Dejean. Alexander Charpentier ist mit zwei hübschen Plaketten und der charakteristischen Terrakottastatuette eines kleinen Mädchens vertreten, und Konstantin Meunier hat eine Büste des Malers Cottet gesandt, die mir bei allen Vorzügen der kräftigen und energischen Modellierung nicht auf der Höhe anderer Arbeiten dieses grossen Meisters zu stehen scheint.
Unter den Malern steht Jaques Emil Blanche mit einem ausserordentlich lebendigen und malerisch ungemein interessanten und wirksamen männlichen, einem ebenso vorzüglichen weiblichen Bildnisse und einer Anzahl famoser Skizzen an der Spitze. Lucien Simon hat zwei kräftige und farbenfrohe Aquarelle und zwei Ölbilder geschickt, alles Scenen aus der Bretagne, in der bekannten energischen Manier des Künstlers gemalt. Das eine dieser Ölbilder wirkt etwas trübe in seinen dunkeln Tönen, aus denen plötzlich ein grellroter Weiberrock herausknallt, dessen Leuchten den ganzen grossen Rest des Gemäldes in nächtliches Dunkel zurückdrängt. Aber die Art, wie Simon den Pinsel handhabt, wie er mit verblüffender Sicherheit breit und keck die Farben hinschmiert, ist so bewundernswert, dass die Freude daran alle Bedenken verstummen lässt. Cottet scheint mir auf dieser Ausstellung weniger gut vertreten und seine acht Bilder bedeuten sicherlich keinen
Fortschritt und vielleicht einen Rückschritt gegen frühere, weit bessere Arbeiten von ihm. Auch er hat wie Bartholomé eine Mutter mit ihrem toten Säugling dargestellt, natürlich in bretonischer Tracht, und die kleine Leiche ist ganz mit grellbunten Papierblumen bedeckt. Die Malerei ist hart und erdig, und die tiefe Empfindung Bartholomé’s fehlt ganz. Antonio de la Gandara ist ein Maler, dem man Originalität nicht absprechen kann, und der sich zahlreicher Bewunderer erfreut. Seine Bildnisse vornehmer Damen erinnern zwar an das Modejournal, aber er versteht es, den Modellen einen perversen Sphinxzug zu geben, der den Beschauer vor dem Bilde festhält. Seine Farben trägt er ganz dünn auf, die Konturen betont er scharf, die Schatten im Gesichte übertreibt er, und schliesslich werden Fleisch, Haar, Seide, Tapete, Sessel und Teppich hart und glatt wie aus Blech geformt.
Die neun kleinen Bilder Henri Martin’s sagen uns nichts Neues: es sind Veduten aus der Provence, in der Sonne glänzende Dörfchen, von Weinreben überschattete Bauernhäuschen, mit Blumentöpfen geschmückte Fenster, alles in der bekannten Pünktchenmanier gemalt, was hier, wo es auf die Wiedergabe hellen Sonnenlichtes ankommt, sehr gut wirkt. Albert Baertson mit seinen holländischen Kanälen und Dorfstrassen, Emil Claus mit seinen bunten Gärten in Pünktchenmanier, Henri Duhem mit seinen Mondscheinbildern von Häusern am Wasser, Schafherden auf dem Felde, André Dauchez mit seinen melancholisch düsteren Dünen und Heiden, Georg Griveau mit seinen hellgrauen Landschaften, Bildnissen und Stillleben, Eugen Vail’s venetianische Plätze und Kanäle, René Ménard’s Traumgegenden mit den verzauberten Wolkengebilden, Walter Gay’s Architekturen und Interieurs aus dem 17. und 18. Jahrhundert, René Prinet’s hübsche, von sanften Lichtwellen durchflutete Stuben, Ernest Laurent’s Porträts in Strichelchenmanier und Walter Sickert’s Veduten aus Venedig, London u. s. w. sind den früheren Arbeiten ihrer Urheber so ähnlich, dass über sie nichts Neues zu sagen ist. Henry Caro-Delvalle endlich, ein junger Künstler, der im letzten Salon Aufsehen erregte, ist mit dem grossen Bildnisse einer alten Dame und eines kleinen Mädchens erschienen, eine Arbeit, worin der Einfluss Manet’s deutlich zu erkennen ist, und die durch die geschickte und harmonische Abwägung der verschiedenen Schattierungen von Weiss interessant ist. Störende Zeichenfehler und eine sehr mangelhafte Perspektive verderben jedoch den angenehmen Eindruck des Gemäldes.
KARL EUGEN SCHMIDT.
MÜNCHNER BRIEF
(Emil Lugo — Alfred Kubin — Karl Bauer — Segantini)
(Fortsetzung)
»Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm«. Diese Worte geben die Grundnote im Schaffen Karl Bauer’s, eines in München lebenden Stuttgarters, dessen Gemälde und Lithographien vor einigen Wochen im Kunstverein ausgestellt waren. Die générosité des Descartes, Carlyle’s heroworship bestimmen das Gefühl, das er jenen Überwindern entgegenbringt, die es gestehen dürfen, dass ihr höchstes Glück die Persönlichkeit ist. Er ist ein männlich starkes und weiches süddeutsches Temperament. Etwas von Schiller’s geradliniger Begeisterungsfähigkeit ist in ihm. Jedem volledlen ruhigen Sinnenreiz ist sein Empfinden offen. Ein längerer Aufenthalt in Paris war von guter Frucht. Besnard, Aman-Jean, Carrière, Fantin-Latour haben sich in ihn eingegraben. Mehr noch das Leben dort. Die Männlein und Weiblein vom Boulevard St. Michel, in seinen Skizzenbüchern immer mit drei, vier trefflich gewählten