den an der Sonne ruhenden Alten, im Hintergründe der schlichte weisse Bau. Durch die Zweige hindurch bricht das Sonnenlicht und wirft seine hellen Flecken auf den kiesbestreuten Weg. Der Naturalismus feiert in diesem einfachen Motive Triumphe. Wenn je ein Künstler die durchdringende, hell leuchtende Sonne darzustellen verstand, so ist es Liebermann hier gelungen, das scheinbar Zufällige einer Naturbeobachtung, die tausend Kleinigkeiten, in einer Weise zu summieren, dass eine getreuere Nachahmung der Natur kaum mehr möglich scheint. Der Objektivismus der Kunst hat hier seinen Höhepunkt erreicht. Die Skala der braunen und grünen Töne ist in einer Reichhaltigkeit erweitert, die ans Unglaubliche grenzt, die perspektivische Kunst, in die Tiefe zu gehen, wirkt Wunder. Das Auge vermag es nicht zu fassen, dass es nur eine bemalte Leinwand vor sich hat, das Sonnenlicht auf den Boden scheint wirklich zu flimmern, die Blätter scheinen sich im Winde zu bewegen. Solchen Impressionismus, wie ihn Liebermann hier treibt, kann man sich ruhig gefallen lassen. Bildmässig wirkt die Darstellung, weil sie, so unvereinbar es mit den künstlerischen Absichten Liebermann’s scheint, doch eine gewisse Stimmung hat; etwas Ruhiges, Beschauliches — die Eigenschaften der »Altmännerhäusler«! — spricht aus dem Werke. Es gehört zu Liebermann’s reifsten Schöpfungen, denn hier pflegt er nicht ein Sondergebiet der Kunst, er giebt nicht einen einzelnen Faktor, sondern ganze Kunst.
Bei den »Schnittern« war es ihm hauptsächlich darum zu thun, die Bewegung der mähenden Bauern mit dem Pinsel festzuhalten. Das Koloristische tritt mehr zurück; er giebt hier ein künstlerisches Stenogramm von unzähligen Bewegungen, die das betrachtende Auge durch Summation in feste Formen kleidet, in Umrisse und Linien.
Zierden der Galerie waren zwei Gemälde von Giovanni Segantini »An der Tränke« und »Frühlingsweide«. »Klänge von Farben, Formen und Linien« benannte Segantini seine Schaffensprodukte. In der That klingt aus diesen seinen beiden Bildern das ewige Lied von der Erhabenheit und Grossartigkeit der Hochgebirgswelt, von der gewaltigen Majestät der Alpen, verständlich für jeden Beschauer, wie von überirdischen Tönen getragen.
Auf blumigen Matten weiden die Rinder, froh der wiedererwachten Natur. Neues Grün sprosst aus dem Boden, auf Gräsern und Halmen blinkt der Tau. Zackige Felsen und weisse Schneefelder liegen im Sonnenglanze in ewigem ernsten Schweigen. Die »Tränke«1) zeigt ein idyllisches Hochthal im Gebirge. An einem jener primitiven Brunnen, wie sie in Graubünden so häufig sind, hat eben eine Magd ihr Gespann, zwei rassenschöne, kräftige Ochsen, getränkt; zufrieden sind die Tiere von dem erquickenden Born zurückgetreten. Die Bäuerin beugt sich nun selbst über das kleinere Rohr, um ihren brennenden Durst zu stillen. Wir können es fassen, dass Tier und Mensch nach dem labenden Wasser verlangen. Denn in schwüler Sonne liegt die Wiese, kein Wölkchen trübt das tiefe Blau des südlichen Himmels. Im Hintergrund sehen wir ein friedliches Dörfchen, noch weiter zurück eine hochalpine Landschaft. Die sengende Frühsonne lässt die Bergriesen lange Schatten werfen. Die stille, natürliche Grossartigkeit dieses Bildes ist von überwältigender Wirkung. Jenes helle, im Sonnenlicht glitzernde Grün der Wiesen, die sonnenbeschienenen Schneefelder des Gebirgsstocks, die Lebewesen, die sich mit Natur verbrüdern, die pulsierende atmende Welt der Berge, das alles hat Segantini,
l) Das Bild ist in den Besitz der Basler Galerie übergegangen, während die Frühlingsweide kürzlich von Herrn Em. Meiner in Leipzig erworben wurde.
selbst mit der Natur eins geworden, in seiner individuellen Auffassung, mit seiner eigenartigen Technik, in einer Weise zur Anschauung gebracht, wie es nur ein Künstler kann, der in inniger Liebe zur Natur ihre intimsten Regungen zu beobachten, ihr Leben und Treiben kennen zu lernen, zu einer Lebensaufgabe macht.
Nur er, der in vollständiger Abgeschlossenheit auf seinen Engadiner-Bergen lebte, vermochte das. Die beiden Bilder der Henneberggalerie »Tränke« und »Frühlingsweide«, sie reihen sich dem Lebenswerk Segantini’s als hervorragende Schöpfungen ein.
Von dem Künstler besass die Galerie noch zwei Handzeichnungen »Beim Brunnen« und »Die beiden Waisen«, letzteres ein technisches Meisterwerk. Segantini hat hier in einer Art pointillistischer Technik mit Kreide auf blauen Karton gezeichnet, und so das schwach erhellte Dunkel einer rauchigen Bauernstube, deren glimmendes Kesselfeuer die Umrisse der einsamen Lebewesen nur schwach erscheinen lässt, vorzüglich wiedergegeben. —
Während, wie schon eingangs gesagt wurde, eine grosse Anzahl von Gemälden in Privatbesitz übergegangen ist, warten noch viele Stucks, Menzels, Piglheins und die beiden Böcklins der Käufer.
BÜCHERSCHAU
Friedrich Sarre. Denkmäler persischer Baukunst. Unter diesem Titel erscheint seit zwei Jahren im Verlag von Ernst Wasmuth ein bisher in vier Lieferungen vorliegendes grosses Prachtwerk, das dieser durch die reiche künstlerische Ausstattung ihrer grossen architektonischen und kunstgewerblichen Publikation ausgezeichneten Berliner Firma zu besonderer Ehre gereicht. Die grossen Lichtdrucke wie die farbigen Blätter sind weitaus das beste, was wir an Reproduktionen der reizvollen Kunst des persischen Orientes bisher gesehen haben. Sie sind von einer Schärfe und Klarheit, die Farben von einer Schönheit und Reinheit, dass sie neben dem künstlerischen Genuss und der wissenschaftlichen Belehrung zugleich ein treffliches Material für alle Bauschulen, kunstgewerbliche und technische Anstalten bilden, deren Bibliotheken nur zu sehr belastet sind mit zahllosen Publikationen von unzuverlässigen oder geringwertigen Nachbildungen. Das Werk wird noch im Laufe dieses Jahres mit einer fünften und sechsten Lieferung und dem Textband, der gleichfalls reich illustriert sein soll, abgeschlossen werden. Es ist nicht wie so viele ähnliche Werke über die Kunst des Ostens zu Hause in der warmen Stube durch Kompilation älterer Arbeiten und Ausnutzung von Photographien entstanden, sondern es ist die Frucht langjähriger Forschungen, die Dr. Friedrich Sarre seit fast zehn Jahren auf Reisen in Vorderasien und Persien gemacht hat, zum Teil in Begleitung seiner Mitarbeiter, der Architekten Bruno Schulz und Georg Krecker. Die vorzüglichen Aufnahmen sind von ihm selbst an Ort und Stelle gemacht worden. Sarre hat schon 1896 ein erstes Werk aus dem gleichen Gebiete veröffentlicht, seine »Reise nach Kleinasien«, das wichtige Resultate über die seldschukische Kunst gebracht hat. In diesem neuen Werke hat der Verfasser, der seither über die vorderasiatische Kunst die gründlichsten Forschungen gemacht hat, die Veröffentlichung der klassisch-persischen Baudenkmale des 13. bis 15. Jahrhunderts sich zur Aufgabe gemacht. Gleichzeitig hat er auch die Mutter dieser Kunst, die sassanidische Kunst, in ihren Monumenten studiert, und wir dürfen auch über sie ein grundlegendes Prachtwerk in kurzer Zeit erwarten, als neues Zeichen des Fleisses und der Opfer, die der Verfasser allen seinen Publikationen widmet. Als guter Berliner hat sich Dr. Sarre