zuerst mit einem Werk über Berliner Kunst eingeführt in dem 1895 bei J. A. Stargardt erschienenen Prachtwerk über die »Berliner Goldschmiedekunst«. Es ist eine durch gründliche archivalische Forschung, Kenntnis der Monumente, Gesckmack der Ausstattung gleich vorzügliche Publikation, wie wir ähnliche über deutsches Kunstgewerbe nur ganz wenige besitzen. Und doch, wie wenig sie gerade bei uns in Berlin bekannt ist, musste ich erst kürzlich wieder erfahren: einer der eifrigsten Berliner Sammler, der mit Vorliebe Silber sammelt, gestand mir, dass er nie davon gehört hatte. Das liegt zum Teil wohl daran, dass unsere Berliner Kunstsammler, fast ausnahmslos überlastete und überlaufene Geschäftsleute, eine Art Wasserscheu vor Büchern haben, in die sie doch nicht hineinsehen können. Aber ein gut Teil der Schuld liegt an den Berichterstattern und der Art der Berichterstattung über Iitterarische Erscheinungen in unseren deutschen und ganz besonders in unseren Berliner Zeitschriften und Zeitungen. Diese verdammten wissenschaftlichen Bücher — für eine Besprechung muss man ja hineinsehen und zuweilen sie sogar lesen oder gar von der Sache etwas verstehen! Und nun gar Bücher über den Orient! Ja wenn es noch Babel wäre, aber wer in ganz Berlin interessiert sich denn für die Kunst des Islam! Welches unserer Museen kümmert sich darum! Eine der wichtigsten Kunstepochen, deren Erzeugnisse in mancher Beziehung zum Vollendetsten und Reizvollsten gehören, die arabische Kunst, ist hier in Berlin eine terra incognita. Während wir seit Jahren zwei Orientkomitees für Ausgrabungen in Vorderasien haben, während wir die intimsten Freunde der Türken sind oder zu sein glauben, während wir uns vorbereiten, ihnen die Bahn nach Bagdad zu bauen, kümmert sich niemand bei uns um die grosse, herrliche Kunst, die diese Gegenden einst gehabt haben, sammelt niemand die Reste einer Kultur, von der bald nichts mehr zu haben sein wird. Niemand ausser Dr. Friedrich Sarre, dessen Fleiss und Gründlichkeit, dessen Geschmack in seinen Publikationen wir vor allem auch bei uns besten Erfolg wünschen, auch dafür, dass sie das Interesse und den Sammeleifer für diese Kunst anregen möge!
w. b.
Olof Granberg: Allart van Everdingen och haus »norskalandskap, dct gamla Julita och Wurmbrandt s kanoner. Stockholm 1902.
ln Houbraken’s »De groote Schouburg« (1718 — 1721) wird vom holländischen Landschafts- und Seemaler Allart van Everdingen (1621—1675) erzählt, dass er sich »zur See zu einem Orte an der Ostsee begeben«, aber »von einem fürchterlichen Sturme überfallen wurde, der mit oder gegen seinen Willen und nicht ohne Schaden ihn auf die norwegische Küste warf«. Auf diese Weise wurde er in stand gesetzt, Studien nach der Natur des Nordens zu machen, und Houbraken rühmt auch die »nordischen Landschaften« Everdingen’s als »besonders ansprechend«. Diese Gemälde mit sausenden Tannen, kleinen Holzhäusern bei schäumenden Wasserfällen und steilen Felsen, welche noch heute, wo sie ringsumher in den Galerien Europas hängen, dem Besucher einen Mund voll frischer und feuchter nordischer Luft und ein Gefühl von der Öde und dem strengen Ernst unserer Natur geben, scheinen, wie Bredius vermutet, durch den Reiz der Neuheit den Holländern des 17. Jahrhunderts gewaltig zugesagt zu haben, die ja in der Wirklichkeit und in künstlerischer Nachbildung nur ihr eigenes Flachland oder möglicherweise ihre Sandberge, die Dünen (wie in Jan Wijnants’ Landschaften) zu sehen gewöhnt waren. Ja Bredius glaubt, dass sogar der grosse Ruisdael von den Gemälden Everdingen’s zum Erfassen
von nordischen Motiven begeistert worden, welche er dann umdichtete und wiedergab in einer Weise, dass er den Vorgänger weit übertrifft. Diese Erklärung, wie Ruisdael, der, nach dem, was man weiss, niemals im Norden gewesen, dennoch Motive von dort geholt haben könne, ist sehr geistreich und trifft vermutlich auch die Wahrheit. Ist doch das blosse Faktum, dass ein grösserer Künstler ein Motiv von einem kleineren leiht und durch den Stempel seiner eigenen Individualität diese Anleihe zu etwas Grösserem und Prächtigeren umwandelt, sowohl in der Kunst- als Litteraturgeschichte so häufig, dass es kaum ausgesprochen werden braucht.
Aus der Anekdote Houbraken’s entstand die Legende vom langdauernden Aufenthalte Everdingen’s in Norwegen und seinen »norwegischen« Landschaften, und wie gewöhnlich ist die Legende mit der Zeit gewachsen. Während zum Beispiel der Schwede F. Boye in seinem übrigens sehr originellen Malerlexikon (von 1833) von Everdingen nur sagt, »dass eine von ihm gemachte Reise auf dem baltischen Meere (also der Ostsee) zu seiner Vervollkommnung in seiner Art beitrug«, lässt Emile Michel den nach Norwegen sturmgetriebenen Everdingen nach einiger Zeit eine neue Reise nach Norwegen vornehmen, um seine Erinnerungen von der norwegischen Natur aufzufrischen, ja er vermutet freigebig genug, dass auch Ruisdael in Norwegen Studien gemacht. Woermann glaubt sogar, dass Everdingen eine norwegische Reise in der Absicht gemacht, »die nordische Bergnatur der Kunst zu erschliessen«. Und in den Galeriekatalogen findet man oft die Landschaften Everdingen’s als »norwegisch« bezeichnet.
ln seinem .bekannten vortrefflichen Standard work »Les collections privées de Ia Suède« (1886) wagte indessen Olof Granberg mehr im Vorbeigehen seine Zweifel über den spezifisch norwegischen Charakter der Everding’schen Landschaften zu äussern. Der Norwege Andreas Aubert ging acht Jahre später etwas näher auf die Frage ein in seinem Buche »Den nordiske Naturfölelse og Professor Dahl«. Auch Aubert bekennt, in den Landschaften Everdingen’s mit ihrem entschieden nordischen Gepräge eben Norwegen nicht wiederzuerkennen. Er sagt: »Es ist eben nicht unsere »skjaergaards«-Natur, die Everdingen schildert; sogar die Häuser und die Mühlen können wir nicht wiedererkennen, und die Kirchen sind ganz^anders wie die unseren, sie zeigen mehr nach dem Süden, etwa nach den dänischen Kirchen«. Wenn der Maler in Norwegen war, so könnte es in Bohnslän gewesen sein, welche Provinz in der Zeit von Everdingen’s Reise 1640—1645 norwegisch war, aber 1660 von Schweden erobert wurde. Indessen scheint Aubert doch sich dieselbe Lösung des Problems wenigstens gedacht zu haben, welche jetzt durch die Arbeit eines schwedischen Kunsthistorikers sich als die richtige erweist, denn der Norweger nennt in einer Note den wertvollen Fund, den Bredius gemacht, als er in der Inventur über den Besitz des 1684 gestorbenen Bürgermeister Louis Trip folgende Notiz fand: »Een Stuck van Julita broeck, sijnde de Schuttgieterij in Zweden, gedaen door Allart van Everdingen«. Also:,ein Gemälde von Everdingen mit schwedisch-topographischem Gegenstand: das Besitztum Julita in Södermanland mit seiner Kanonengiesserei.
Dieses Gemälde wurde eine Zeit nachher im selbigen Trippenhuis wiedergefunden, dem stolzen Amsterdamer Palast der Kaufmannsfamilie Trip, welches bis 1885 als Galerielokal Dienst machte.
Bredius’ wertvoller Fund veranlasste natürlich auch in Holland Zweifel an dem norwegischen Charakter der Everding’schen Landschaften. So äusserle C. W. Bruinvis in seinem Artikel De van Everdingen’s (Oud Holland 1899) im Anschluss an Granberg solche Zweifel, und C. W. Moes