warf in einer Note zum Artikel Bruinvis’^die Hypothese auf, Everdingen habe seine Motive aus der Provinz Smâland im südlichen Schweden geholt.
Dies ist der Punkt, von dem die Arbeit Olof Granbergs ausgeht. Dieser Forscher hatte schon vorher in seinem Buche und späteren Zeitungsartikeln über die Gemäldesammlung der Königin Kristina, deren sehr verwickelte Schicksale er bis zu unseren Tagen verfolgt und klargelegt, einen hochentwickelten kunsthistorischen Spürsinn gezeigt. Und diese Eigenschaft hat ihm auch in der vorliegenden Detailuntersuchung nicht im Stiche gelassen. Sie war auch von nöten, denn den Aufenthalt Everdingen’s in Schweden glaubhaft zu machen, war eben nicht so leicht, wie es im Anfang aussah. Denn war es wirklich das Besitztum Julita in Schweden, welches das Gemälde vorstellte, und wie in aller Welt wäre dieser holländische Maler, übrigens nur durch Naturstücke bekannt, dazu gekommen, eine grosse Leinwand (viel grösser wie seine Landschaften) mit schwedisch-topographischem Gegenstände zu malen? Diejenigen Leute in Schweden, welche das jetzige Julita kennen, konnten dasselbe auf der Photographie von dem Amsterdamer Gemälde auch gar nicht wiederkennen.
Der Ausdauer und dem Eifer Herrn Granberg’s gelang es doch, die Schwierigkeiten zu besiegen. Durch einen glücklichen Fund im Archiv des schwedischen Generallandtmäterikontor von zwei alten Karten über die Julitagegend, wie sie 1684 aussah, also ungefähr vierzig Jahre nach der nordischen Reise Everdingen’s, wurde die Entdeckung gemacht, dass die alte Kanonengiesserei im Kirchspiele Julita, welche von dem österreichischem Oberst Melchior Wurmbrandt 1627 mit Zustimmung von Gustav Adolf angelegt wurde, um Kanonen für das schwedische Heer zu liefern, und schon 1663 niedergelegt wurde, nicht auf derselben Stelle wie das jetzige Julitagut gelegen war, sondern ein Stück Wegs von dort im Bezirke des Gutes JFägelsta. Weiter zeigten die Karten, dass die Julitakirche, welche auf dem Gemälde Everdingen’s so äusserst einfach im Vergleich mit der jetzigen aussah, noch 1684 beinahe ebenso einfach war, obschon damals ein Turm an sie angebaut worden war.
Durch Studium von irn Reichsarchiv zu Stockholm verwahrten weitläufigen Urkunden über die reiche holländische Kaufmannsfamilie Trip, die mit in die Reihe der ausländischen Kreditoren des schwedischen Staats gehört, gelang es Herrn Granberg zu beweisen, dass diese Familie zahlreiche Verbindungen mit Schweden gehabt, indem zwei Mitglieder derselben in Schweden als Kaufleute wohnhaft gewesen, nämlich Adriaen Trip, der in Norrköping 1646—1657 weilte, und Hendrik Trip, der eben zu Julita einige Zeit wohnte. Die Familie Trip war ohnedem in vielen Weisen mit der bekannten holländischen Familie De Geer und ihrem in Schweden verflanzten Zweige befreundet. Hendrik Trip, der Herr von Julita, war mit einer Tochter von Louis De Geer, Stammvater des schwedischen Zweiges, verheiratet.
Da nun der Bruder des einige Zeit in Julita wohnhaften Hendrik Trip, der Bürgermeister Louis Trip, eine von Everdingen gemalte Aussicht vom Julitagut besass, ist es eine Wahrscheinlichkeit, die an Gewissheit grenzt, dass der Maler den Hendrik Trip zu Julita besucht und dort Skizzen von dem grossen Industrie-Etablissement im hohen Norden genommen, Skizzen, welche er nachher in einer etwas freien Weise für sein grosses Panorama in Öl verwendete. Daraus folgt als ein noch wichtigeres Ergebnis der Untersuchung, dass Everdingen’s gewöhnliche kleinere Landschaften in Öl oder Ätzung ihre Motive nicht von der Alpnatur Norwegens, sondern jvon den Felsen, i Strömen und Tannenwäldern des mittleren Schwedens holen. Ent
weder hat also Houbraken in seiner Anekdote die skandinavischen Länder verwechselt (wie heute noch oft im Ausland vorkommt) oder hat Everdingen, nachdem er Schiffbruch an der nordischen Küste gelitten, seine Reise nach dem ursprünglichen Destinationsorte fortgesetzt, der ja auch nach dem alten Künstlerbiograph an der Ostsee lag.
Es ist in Wirklichkeit auch schlagend, wie die meisten von Everdingen’s Arbeiten direkt an die mittelschwedische Natur erinnern. Fährt man zum Beispiel durch den östlichen Teil von Södermanland mit der neuen Bahn von Stockholm bis Nynäs, wird man mehr als einmal Felsen und Waldpartien erblicken, welche denen auf den Gemälden Everdingen’s zum Staunen ähneln, und die vom Maler so geliebten kleinen Holzhäuser von horizontal gelegten und in den Ecken ausstehenden Stämmen findet man noch heute oft wieder. Was die reichen und grossartigen Wasserfälle betrifft, welche dann und wann in den nordischen Landschaften Everdingen’s sich finden, so können ihre Motive, wenn man Granberg’s Vermuten gutheissen darf, vielleicht in den Wasserfällen bei Elfkarleby (im nördlichen Uppland, Provinz im Norden, angrenzend an Södermannland) zu suchen sein, welche der Maler bei einem Besuch bei dem Schwiegervater Hendrik Trip’s, Louis de Geer, auf dem Gute Leufsta gesehen haben kann.
Mit der schwedischen Herkunft der Landschaften Everdmgen’s stimmt auch gut die Wahrnehmung Granberg’s, dass das sogenannte »Renntier« auf der schönen Landschaft im Braunschweiger Museum in der Wirklichkeit ein Elentier ist; dieses Tier kommt, wie bekannt, speziell in Schweden vor.
Ich habe ein Referat über die Resultate, zu denen der Verfasser kommt, zu geben versucht. Manche, die das interessante Buch lesen, werden vielleicht die Schreibweise ein bisschen zu umständlich finden. Mit vollkommener Offenheit lässt der Verfasser den Leser die ganze Zeit in die wissenschaftliche Maschinerie der Untersuchung hineinschauen, und einige etwas breite Abweichungen vom eigentlichen Gegenstände kommen vor, welche aber eine gewisse Berechtigung darin finden, dass der Verfasser seine Untersuchung nicht nur kunsthistorisch, sondern auch topographisch und artilleriehistorisch auffasst. Es sind aber wirkliche und solide Resultate, die Olof Granberg’s Forschung auch diesmal erntet, und die Ausführlichkeit ist, weil von Klarheit begleitet, aus dem Gesichtspunkte kunstwissenschaftlicher Methode ein Vorteil für andere, besonders jüngere Forscher. Die glühende Begeisterung für das aufgestellte Problem, die durch die ganze Untersuchung geht, giebt ihr ausserdem eine Spannung, wodurch sie sozusagen wie eine Art Roman wirkt.
Das Buch, in dem Verlage des Verfassers erschienen und zum Verkauf bei ihm (Adr.: Die Kunstakademie Stockholm) oder durch Nordiska Bokhandeln, Stockholm, ist reich und gut illustriert mit Lichtdrucken und Autotypien nach Gemälden und Radierungen Everdingen’s, wozu dann auch ein Catalogüe raisonné über seine Gemälde gefügt worden ist. John Kruse.
INSTITUTE
Rom. Archäologisches Institut. In der Sitzung vom 6. März legte Professor Mau eine neuerdings gefundene Inschrift aus Pompeji vor. Der darin genannte Mann, M. Lucretius Fronto, werde durch Wahlaufrufe der Nachbarschaft, die ihn zum Ädilen empfehle, als Besitzer des Hauses angezeigt. Auch eine andere Inschrift im Hause, ein Diptychon, ergäbe sich durch ihren Inhalt gleichfalls
Dies ist der Punkt, von dem die Arbeit Olof Granbergs ausgeht. Dieser Forscher hatte schon vorher in seinem Buche und späteren Zeitungsartikeln über die Gemäldesammlung der Königin Kristina, deren sehr verwickelte Schicksale er bis zu unseren Tagen verfolgt und klargelegt, einen hochentwickelten kunsthistorischen Spürsinn gezeigt. Und diese Eigenschaft hat ihm auch in der vorliegenden Detailuntersuchung nicht im Stiche gelassen. Sie war auch von nöten, denn den Aufenthalt Everdingen’s in Schweden glaubhaft zu machen, war eben nicht so leicht, wie es im Anfang aussah. Denn war es wirklich das Besitztum Julita in Schweden, welches das Gemälde vorstellte, und wie in aller Welt wäre dieser holländische Maler, übrigens nur durch Naturstücke bekannt, dazu gekommen, eine grosse Leinwand (viel grösser wie seine Landschaften) mit schwedisch-topographischem Gegenstände zu malen? Diejenigen Leute in Schweden, welche das jetzige Julita kennen, konnten dasselbe auf der Photographie von dem Amsterdamer Gemälde auch gar nicht wiederkennen.
Der Ausdauer und dem Eifer Herrn Granberg’s gelang es doch, die Schwierigkeiten zu besiegen. Durch einen glücklichen Fund im Archiv des schwedischen Generallandtmäterikontor von zwei alten Karten über die Julitagegend, wie sie 1684 aussah, also ungefähr vierzig Jahre nach der nordischen Reise Everdingen’s, wurde die Entdeckung gemacht, dass die alte Kanonengiesserei im Kirchspiele Julita, welche von dem österreichischem Oberst Melchior Wurmbrandt 1627 mit Zustimmung von Gustav Adolf angelegt wurde, um Kanonen für das schwedische Heer zu liefern, und schon 1663 niedergelegt wurde, nicht auf derselben Stelle wie das jetzige Julitagut gelegen war, sondern ein Stück Wegs von dort im Bezirke des Gutes JFägelsta. Weiter zeigten die Karten, dass die Julitakirche, welche auf dem Gemälde Everdingen’s so äusserst einfach im Vergleich mit der jetzigen aussah, noch 1684 beinahe ebenso einfach war, obschon damals ein Turm an sie angebaut worden war.
Durch Studium von irn Reichsarchiv zu Stockholm verwahrten weitläufigen Urkunden über die reiche holländische Kaufmannsfamilie Trip, die mit in die Reihe der ausländischen Kreditoren des schwedischen Staats gehört, gelang es Herrn Granberg zu beweisen, dass diese Familie zahlreiche Verbindungen mit Schweden gehabt, indem zwei Mitglieder derselben in Schweden als Kaufleute wohnhaft gewesen, nämlich Adriaen Trip, der in Norrköping 1646—1657 weilte, und Hendrik Trip, der eben zu Julita einige Zeit wohnte. Die Familie Trip war ohnedem in vielen Weisen mit der bekannten holländischen Familie De Geer und ihrem in Schweden verflanzten Zweige befreundet. Hendrik Trip, der Herr von Julita, war mit einer Tochter von Louis De Geer, Stammvater des schwedischen Zweiges, verheiratet.
Da nun der Bruder des einige Zeit in Julita wohnhaften Hendrik Trip, der Bürgermeister Louis Trip, eine von Everdingen gemalte Aussicht vom Julitagut besass, ist es eine Wahrscheinlichkeit, die an Gewissheit grenzt, dass der Maler den Hendrik Trip zu Julita besucht und dort Skizzen von dem grossen Industrie-Etablissement im hohen Norden genommen, Skizzen, welche er nachher in einer etwas freien Weise für sein grosses Panorama in Öl verwendete. Daraus folgt als ein noch wichtigeres Ergebnis der Untersuchung, dass Everdingen’s gewöhnliche kleinere Landschaften in Öl oder Ätzung ihre Motive nicht von der Alpnatur Norwegens, sondern jvon den Felsen, i Strömen und Tannenwäldern des mittleren Schwedens holen. Ent
weder hat also Houbraken in seiner Anekdote die skandinavischen Länder verwechselt (wie heute noch oft im Ausland vorkommt) oder hat Everdingen, nachdem er Schiffbruch an der nordischen Küste gelitten, seine Reise nach dem ursprünglichen Destinationsorte fortgesetzt, der ja auch nach dem alten Künstlerbiograph an der Ostsee lag.
Es ist in Wirklichkeit auch schlagend, wie die meisten von Everdingen’s Arbeiten direkt an die mittelschwedische Natur erinnern. Fährt man zum Beispiel durch den östlichen Teil von Södermanland mit der neuen Bahn von Stockholm bis Nynäs, wird man mehr als einmal Felsen und Waldpartien erblicken, welche denen auf den Gemälden Everdingen’s zum Staunen ähneln, und die vom Maler so geliebten kleinen Holzhäuser von horizontal gelegten und in den Ecken ausstehenden Stämmen findet man noch heute oft wieder. Was die reichen und grossartigen Wasserfälle betrifft, welche dann und wann in den nordischen Landschaften Everdingen’s sich finden, so können ihre Motive, wenn man Granberg’s Vermuten gutheissen darf, vielleicht in den Wasserfällen bei Elfkarleby (im nördlichen Uppland, Provinz im Norden, angrenzend an Södermannland) zu suchen sein, welche der Maler bei einem Besuch bei dem Schwiegervater Hendrik Trip’s, Louis de Geer, auf dem Gute Leufsta gesehen haben kann.
Mit der schwedischen Herkunft der Landschaften Everdmgen’s stimmt auch gut die Wahrnehmung Granberg’s, dass das sogenannte »Renntier« auf der schönen Landschaft im Braunschweiger Museum in der Wirklichkeit ein Elentier ist; dieses Tier kommt, wie bekannt, speziell in Schweden vor.
Ich habe ein Referat über die Resultate, zu denen der Verfasser kommt, zu geben versucht. Manche, die das interessante Buch lesen, werden vielleicht die Schreibweise ein bisschen zu umständlich finden. Mit vollkommener Offenheit lässt der Verfasser den Leser die ganze Zeit in die wissenschaftliche Maschinerie der Untersuchung hineinschauen, und einige etwas breite Abweichungen vom eigentlichen Gegenstände kommen vor, welche aber eine gewisse Berechtigung darin finden, dass der Verfasser seine Untersuchung nicht nur kunsthistorisch, sondern auch topographisch und artilleriehistorisch auffasst. Es sind aber wirkliche und solide Resultate, die Olof Granberg’s Forschung auch diesmal erntet, und die Ausführlichkeit ist, weil von Klarheit begleitet, aus dem Gesichtspunkte kunstwissenschaftlicher Methode ein Vorteil für andere, besonders jüngere Forscher. Die glühende Begeisterung für das aufgestellte Problem, die durch die ganze Untersuchung geht, giebt ihr ausserdem eine Spannung, wodurch sie sozusagen wie eine Art Roman wirkt.
Das Buch, in dem Verlage des Verfassers erschienen und zum Verkauf bei ihm (Adr.: Die Kunstakademie Stockholm) oder durch Nordiska Bokhandeln, Stockholm, ist reich und gut illustriert mit Lichtdrucken und Autotypien nach Gemälden und Radierungen Everdingen’s, wozu dann auch ein Catalogüe raisonné über seine Gemälde gefügt worden ist. John Kruse.
INSTITUTE
Rom. Archäologisches Institut. In der Sitzung vom 6. März legte Professor Mau eine neuerdings gefundene Inschrift aus Pompeji vor. Der darin genannte Mann, M. Lucretius Fronto, werde durch Wahlaufrufe der Nachbarschaft, die ihn zum Ädilen empfehle, als Besitzer des Hauses angezeigt. Auch eine andere Inschrift im Hause, ein Diptychon, ergäbe sich durch ihren Inhalt gleichfalls