Boden zu steigen und tragen eigentümlich massige Voluten und fünfeckige Deckplatten. Das Verhältnis hat etwas ungemein Pikantes. Dazu der heimliche Übergang aus dem Kreisrund ins Fünfeck, da es nur fünf Säulen giebt, und das scheinbar Asymmetrische des Treppchens, das aber innerlich doch in der Statue ihr Gegengewicht erhält. Das Ganze so äusserst einfach, wie eine geometrische Formel, und dabei höchst mannigfaltig. Wie reizvoll hätte sich dieser weisse Bau mit seinem blassroten Ziegeldach in einem unserer Parks ausgenommen, eine moderne Ädicula, eine Brahmskapelle voll weltlicher Weihe. Es ist Weyr’s Entwurf angenommen, mit Änderungen. Weyr ist uns schon lange das Canondenkmal schuldig, er ringt schwer gegen seine dekorative Naturkraft, um zu einer einfachen monumentalen Formel zu gelangen. Auch ist es heute schwerer als vor 25 Jahren, eine Künstlerstatue zu schaffen. Der akademische Muskelmensch mit seinem gestellten Modelltum, wie es bei allen Einläufen zum Vorschein kam, ist unerträglich geworden. Jeder Wiener kannte den Habitus Brahms’, seine ganz persönliche Erscheinungsform, und von dieser hat kein Bewerber etwas erhaschen können. Nur in Klinger’s Skizze erkannte man sein Sitzen und Schauen, sein Verhältnis zu sich selbst sofort. Merkwürdig übrigens, dass in Wien eine sehr ähnliche Brahmsbüste existiert, die gar nicht Brahms vorstellt, sondern den (verstorbenen) Keramiker Ernst Wahliss, der ihm äusserlich sehr gleich sah. Sie ist von Tilgner. Der konnte eine Brahmsbüste machen, selbst wenn er nicht wollte.
Tilgner’s Name ist in diesen Wochen auch wieder lebendig geworden, weil man ein reizendes Brunnenwerkchen von ihm in Bronze gegossen und in den Anlagen vor der (von Hansen erbauten) evangelischen Schule, gegenüber dem Naschmarkte, aufgestellt hat. »Dem Andenken Viktor Tilgner’s die Stadt Wien«, lautet die Inschrift. Als der Gipsabguss vor etwa zehn Jahren im Säulenhofe des Künstlerhauses stand, war alles entzückt und rief: Ankäufen! giessen! aufstellen! Aber man kaufte nicht an, goss nicht und stellte nicht auf. Und es wurden doch damals mehrere kleine Privatpalais gebaut, in denen dieses Brünnlein, der Einfahrt gegenüber oder in den Stiegenhallen, sich reizend gemacht hätte. Der Gipsbrunnen kam ins Gerümpel, verstaubte, zerbrach. Nach Tilgner’s Tode erwarb ihn Karl Moll, der Secessionist, für sein eigenes Heim oder — wenn es ihm gelingen sollte, das durchzusetzen — für ein Fleckchen des Stephansplatzes. Dann hörte man ein Jahrzehnt lang nichts weiter, bis jetzt plötzlich diese vollbrachte That den Naschmarkt überrascht. Der Errichter des Schindlerdenkmals hat das so in aller Stille ausgeführt, die Menge weiss es gar nicht, und auf dem Rathause hat man jetzt glücklicherweise Sinn für solche hübsche Allotrien. Der Brunnen ist mit zwei Kindern geschmückt, deren eines einen Fisch in die Luft hält. Dieser speit Wasser und trifft eine Ente, die erschreckt um die Ecke huscht und dabei ein anderes »Kindlumwirft. Erzählt klingt das weniger gut als gesehen, denn die Scene ist voll Humor in der Beobachtung
und selbst in der Modellierung. In jenem Kinderpark findet das Werkchen ungeteilte Anerkennung. Auch im alten Nürnberg Pankraz Labenwolf’s hätte man ihm Beifall gezollt.
Einen Vertreter dieses wienerisch heiteren Zuges hat unsere Plastik kürzlich (28. Dezember 1902) in Rudolf Weigl verloren. Er war 1851 in Wien geboren und ein Grossneffe des tüchtigen Altwiener Musikers Josef Weigl, Komponisten der Oper: »Die Schweizerfamilie«. Er hat sich unter den Kleinplastikern durch seine Beethovenstatuette bemerklich gemacht. Beethoven ist da ganz im Sinne von »Altwien« aufgefasst und schreitet mit langen Schritten und viel zu kurzen Hosen, die Hände am Rücken gekreuzt, einher. Gewiss in Heiligenstadt und gewiss mit einem Stück »Eroica« im Kopfe. Trotz seiner Putzigkeit ist das Ding nicht ohne einen starken Respekt gedacht, und diese Popularisierung Beethovens wurde mit Recht sehr populär. Eine ähnlich gedachte Schubertstatuette kam bald als Gegenstück dazu. Für Johann Strauss machte er einst als Festgeschenk zur 200. Aufführung des »Zigeunerbaron« eine sehr hübsche Altwiener Walzergruppe in Silber. Schliesslich hat sein anmutiges Marmorrelief der Kaiserin Elisabeth, in Wolken schwebend (Besitz des Kaisers), viel Anklang gefunden.
Die Wiener Kleinplastik hat übrigens in letzter Zeit ein Unikum hervorgebracht, Rudolf Marschall’s goldene Gruppe: »Der gute Hirt«, das Jubiläumsgeschenk des Kaisers Franz Josef an den Papst. Das Werk ist 65 cm lang und 31 cm hoch, das Gold an der Christusfigur 12 mm dick, an den Schäfchen fast massiv. Jedes Figürchen ist einzeln gegossen (von Frömmel) und vom Künstler auf das Sorgfältigste ziseliert. Der Sockel ist ein schmales, längliches Viereck, etwas absteigendes Weideland, was der fein ziselierte Graswuchs verrät. Da schreitet der Heiland niederwärts, das Lamm in den Armen. »Ich bin ein guter Hirte. Ein guter Hirte lässt sein Leben für die Schafe«, Joh. 10, 12. Ihm auf dem Fusse folgt dicht gedrängt die Herde, von der man einen Widder, drei Schafe und ein Lamm sieht. Christus trägt ein langes Gewand von schlicht niedergehendem Faltenzug, mit weiten Ärmeln, aus denen ungewöhnlich schöne, feine Hände hervortauchen. Die Hand, die sich leicht in das Vliess des aufgehobenen Lammes einbettet, ist besonders durchgeistigt. Mild und ruhig bleibt das jugendliche, spitzbärtige Antlitz, das lange Haar fällt, hinter die Ohren gestrichen, schlicht auf die Schultern, alles atmet Frieden und Barmherzigkeit. Der Künstler meidet absichtlich jeden ungewöhnlicheren Einfall. Er hat sogar das in einer Skizze vorkommende Motiv, dass eines der Schafe den Kopf auf den Rücken des Nachbars legt, wieder fallen lassen, um durch keinen genrehaften Zug zu amüsieren. Alle Aufmerksamkeit soll sich auf der Hauptfigur vereinigen, daher denn diese keinerlei gesuchte Würze braucht, um voll zu gelten. Und dabei ist doch alle Banalität vermieden, eine natürliche Vornehmheit ist das Gepräge des Ganzen. Am Sockel liest man die Signatur:»Rudolphus Marschall Vindobonensis fecit«. Diese Gruppe nun