Spezialschub, wie ihn auch Bauernfeld hatte, über den Kopf der Donna vorgeschoben ist. Das ist wienerisch für Wiener, und dabei mit einem gelungenen Griff ins Malerische gegeben, um den sich der Künstler seit Jahren bemüht. Ein anderes grosses Bild, mit zwei stadtbekannten Blumenmädchen von kurvenhafter Korpulenz und einem wahren Blumenfeuerwerk auf den Tabletten vor sich, ist im grauen Strassenlicht gegeben, bei wohlverbürgten Kattunfarben und Lokalnoten. Zwischen jener Walzerscene und einer ganz brillanten spanischen Tänzerin in Gelb verliert es natürlich an farbiger Kraft. An den Thürpfosten seines Raumes hat Engelhart vier lebensgrosse Bildnisse seiner eigenen Kinderchen angebracht, eine ungemein gemütliche Improvisation. Der Junge ist in ländlichen Schwimmhosen gegeben, das jüngste Mädel gar nackt, was ihm aber niemand verübelt.
ln den Kabinetten treten Roller, Moll, Jettmar und Metzner besonders hervor. Die riesige Arbeitskraft Roller’s ist durch seine Lehrthätigkeit an der Kunstgewerbeschule nicht erschöpft. Vor wenigen Wochen erst haben seine hochmodernen Dekorationen für den neu eingekleideten »Tristan« in der Hofoper ganz Wien in Bewegung gebracht. Diese von Wagner schwerlich geahnte landschaftliche Ausstattung gilt seither als eine Sehenswürdigkeit des Tages. Und jetzt hat Roller sein Kabinett mit zwölf Paneelen behängt, die alle die nämliche Landschaft, den Niederblick aus seinem Atelier in den Sacré Coeur- Garten (Bezirk 111) und darüber hinweg auf Wien darstellen, aber nach den zwölf Monaten immer anders gestimmt. Auch Tag und Nacht und verschiedene Witterungen tragen ihre Mannigfaltigkeit in das an sich Einförmige. Wie schön wäre ein solcher Pavillon in einem Wiener Privatpark. Dabei ist zu merken, dass der Künstler nicht etwa in heute beliebter Weise die Landschaft stilisiert, sondern lieber mit Liebe innerhalb der lokalen Wahrscheinlichkeit verbleibt und gleichsam die Art Schindler’s fortsetzt. Moll hat in seiner Stube siebzehn Bilder vereinigt, Landschaftliches von der Hohen Warte (bei Döbling), wo er jetzt haust, und Interieurs (die an Kuehl anklingen) aus jenen ganzmodernen Villenhäusern, die Josef Hoff mann dort für ein paar Secessionisten und ihre Freunde erbaut hat. Die Bilder zeigen einen starken Fortschritt zu Breite und Luftigkeit, ohne die spezifisch saubere Moll sche Hand vermissen zu lassen. Einen grossen Erfolg hat Jettmar mit seinen vier Scenen aus der guten alten Ungeheuerzeit, als der arme Urmensch noch von allerlei Saurussen und Daktylussen gefressen wurde, ln der Ausgestaltung dieser delftblauen Leviathane und theegrünen lchthyodingsdas ist der Künstler ein Phantastiker ersten Ranges. Nur seine prähistorischen Kämpfer und Dulderinnen sind etwas porzellansüss ausgefallen. Franz Metzner ist der junge Charlottenburger Bildhauer, dessen Entwurf für das Kaiserin Elisabethdenkmal, obgleich nur mit dem vierten Preise bedacht, als das beste, ja einzig ausführbare im ganzen Wettbewerb bezeichnet werden muss. Er ist in Wscherau (Böhmen) 1873 geboren, hat sich in München und Berlin entwickelt, natürlich an der Akademie vorbei, und auch viel im Architektonischen gearbeitet. Auf deutschen Ausstellungen ist sein eigentümliches Stilgefühl längst aufgefallen. Es ist darin eine gewisse unheimliche Note, gleichsam eine tragische Linie und heroische Breitflächigkeit. Auch ist er ein grosser Vereinfacher und findet mitunter eine Formel von bemerkenswerter Knappheit. Daher kommt es, dass etwa sein kleines kauerndes Bronzemädchen schon an die fünfzigmal verkauft worden ist. Und von seinen Grabreliefs in Harzburg (Marmor) hat sich ein Liebhaber eine Bronzereplik bestellt. Metzner wird nun, nach seinem
Wiener Erfolge, hierher übersiedeln. In den übrigen Kabinetten giebt es allerlei, mitunter sehr gute Sachen von Andri, Orlik, Tichy, List, Stöhr, Kurzweil, Schmutzer. Von letzterem, dem Träger eines altberühmten Stechernamens, ist eine Riesenradierung (1,50 Meter breit) des Joachim’schen Quartetts, mit entsprechend energischem Schwarz-Weiss, eigens hervorzuheben. Aber auch ausserhalb der Kabinette giebt es manches Gute; ich nenne nur die Bilder des poetisch empfindenden Friedrich König, der übrigens diesmal in einer grossen Amazonenscene unwillkürlich etwas klimtisiert, und eine, wenn man so sagen darf, rapide Landschaft (Granitbruch in Mauthausen) von Baron Myrbach. Wien, Anfang April.
BÜCHERSCHAU
Adolfo Avena, Monunientl dell’ Italia Meridionale. Relazione del ufficio regionale per la conservazione dei monumenti delle provincie meridionali. Vol. I del periodo 1891 — igoi. Roma 1902.
Im Aufträge des Unterrichtsministeriums hat Adolfo Avena eine umfassende Relation über die Monumente Süditaliens herausgegeben. Dieselbe umfasst die Provinzen von Bari, Benevent, Campobasso, Caserta, Catanzaro, Foggia, Lecce, Napoli, Potenza, Reggio Calabria, Salerno und ausserdem ein Verzeichnis sämtlicher Monumente Süditaliens nach Provinzen und Ortschaften eingeteilt. Nicht weniger als 256 Abbildungen, zum grossen Teil nach Originalaufnahmen und Zeichnungen ausgeführt, begleiten den Text des stattlichen Quartbandes. Schon im Jahre 1860 gab Heinrich Schulz seine Denkmäler der Kunst des Mittelalters in Unteritalien heraus und seitdem ist nichts Zusammenfassendes mehr überden Gegenstand erschienen. Jetzt giebt das Buch Avena’s, dem eine Fortsetzung folgen wird, einen glänzenden und äusserst dankenswerten beschreibenden Katalog der reichen Denkmalsschätze in Unteritalien. In noch umfassenderer Weise und in historischem Zusammenhänge wird demnächst Emile Bertaux denselben Stoff in einer Prachtpublikation behandeln.
E. st.
Im Verlage von J. U. Kern in Breslau hat Herr Professor Dr. Hugo Magnus eine Tafel zur Erziehung des Farbensinnes der Kinder erscheinen lassen, die samt 72 Farbenkärtchen und einem Texthefte 7 Mark kostet.
PERSONALIEN
Geheimer Hofrat Professor Dr. Georg Treu in Dresden, der Direktor der Skulpturensammlungen im Albertinum, feierte am 29. März seinen 60. Geburtstag. Treu wurde 1843 in St. Petersburg geboren, studierte in Dorpat, Berlin und Göttingen und promovierte in Göttingen mit einer Dissertation De ossium humanorum larverumque imaginibus. Er habilitierte sich an der Universität zu Berlin und wurde 1882 nach Dresden als Nachfolger Hettner’s berufen. Er hat sich um die Dresdner Skulpturensammlungen hohe Verdienste erworben, namentlich hat er eine Sammlung moderner deutscher und ausländischer Bildwerke (besonders französischer und belgischer Skulpturen) angelegt, die in Deutschland einzig dasteht. Auch seine Behandlung der antiken Originalwerke, die er von den wunderlichen Ergänzungen befreit hat, ist als mustergültig anzusehen. In dieser Beziehung, wie durch die gesamte neue Anordnung sind die Dresdner Skulpturensammlungen vorbildlich geworden. Als Schriftsteller hat sich Treu ausser durch seine Schriften über Olympia und den Hermes des Praxiteles besonders durch sein Eintreten für Klinger und Meunier bekannt gemacht. Zu Ehren Treu’s fand an seinem
ln den Kabinetten treten Roller, Moll, Jettmar und Metzner besonders hervor. Die riesige Arbeitskraft Roller’s ist durch seine Lehrthätigkeit an der Kunstgewerbeschule nicht erschöpft. Vor wenigen Wochen erst haben seine hochmodernen Dekorationen für den neu eingekleideten »Tristan« in der Hofoper ganz Wien in Bewegung gebracht. Diese von Wagner schwerlich geahnte landschaftliche Ausstattung gilt seither als eine Sehenswürdigkeit des Tages. Und jetzt hat Roller sein Kabinett mit zwölf Paneelen behängt, die alle die nämliche Landschaft, den Niederblick aus seinem Atelier in den Sacré Coeur- Garten (Bezirk 111) und darüber hinweg auf Wien darstellen, aber nach den zwölf Monaten immer anders gestimmt. Auch Tag und Nacht und verschiedene Witterungen tragen ihre Mannigfaltigkeit in das an sich Einförmige. Wie schön wäre ein solcher Pavillon in einem Wiener Privatpark. Dabei ist zu merken, dass der Künstler nicht etwa in heute beliebter Weise die Landschaft stilisiert, sondern lieber mit Liebe innerhalb der lokalen Wahrscheinlichkeit verbleibt und gleichsam die Art Schindler’s fortsetzt. Moll hat in seiner Stube siebzehn Bilder vereinigt, Landschaftliches von der Hohen Warte (bei Döbling), wo er jetzt haust, und Interieurs (die an Kuehl anklingen) aus jenen ganzmodernen Villenhäusern, die Josef Hoff mann dort für ein paar Secessionisten und ihre Freunde erbaut hat. Die Bilder zeigen einen starken Fortschritt zu Breite und Luftigkeit, ohne die spezifisch saubere Moll sche Hand vermissen zu lassen. Einen grossen Erfolg hat Jettmar mit seinen vier Scenen aus der guten alten Ungeheuerzeit, als der arme Urmensch noch von allerlei Saurussen und Daktylussen gefressen wurde, ln der Ausgestaltung dieser delftblauen Leviathane und theegrünen lchthyodingsdas ist der Künstler ein Phantastiker ersten Ranges. Nur seine prähistorischen Kämpfer und Dulderinnen sind etwas porzellansüss ausgefallen. Franz Metzner ist der junge Charlottenburger Bildhauer, dessen Entwurf für das Kaiserin Elisabethdenkmal, obgleich nur mit dem vierten Preise bedacht, als das beste, ja einzig ausführbare im ganzen Wettbewerb bezeichnet werden muss. Er ist in Wscherau (Böhmen) 1873 geboren, hat sich in München und Berlin entwickelt, natürlich an der Akademie vorbei, und auch viel im Architektonischen gearbeitet. Auf deutschen Ausstellungen ist sein eigentümliches Stilgefühl längst aufgefallen. Es ist darin eine gewisse unheimliche Note, gleichsam eine tragische Linie und heroische Breitflächigkeit. Auch ist er ein grosser Vereinfacher und findet mitunter eine Formel von bemerkenswerter Knappheit. Daher kommt es, dass etwa sein kleines kauerndes Bronzemädchen schon an die fünfzigmal verkauft worden ist. Und von seinen Grabreliefs in Harzburg (Marmor) hat sich ein Liebhaber eine Bronzereplik bestellt. Metzner wird nun, nach seinem
Wiener Erfolge, hierher übersiedeln. In den übrigen Kabinetten giebt es allerlei, mitunter sehr gute Sachen von Andri, Orlik, Tichy, List, Stöhr, Kurzweil, Schmutzer. Von letzterem, dem Träger eines altberühmten Stechernamens, ist eine Riesenradierung (1,50 Meter breit) des Joachim’schen Quartetts, mit entsprechend energischem Schwarz-Weiss, eigens hervorzuheben. Aber auch ausserhalb der Kabinette giebt es manches Gute; ich nenne nur die Bilder des poetisch empfindenden Friedrich König, der übrigens diesmal in einer grossen Amazonenscene unwillkürlich etwas klimtisiert, und eine, wenn man so sagen darf, rapide Landschaft (Granitbruch in Mauthausen) von Baron Myrbach. Wien, Anfang April.
BÜCHERSCHAU
Adolfo Avena, Monunientl dell’ Italia Meridionale. Relazione del ufficio regionale per la conservazione dei monumenti delle provincie meridionali. Vol. I del periodo 1891 — igoi. Roma 1902.
Im Aufträge des Unterrichtsministeriums hat Adolfo Avena eine umfassende Relation über die Monumente Süditaliens herausgegeben. Dieselbe umfasst die Provinzen von Bari, Benevent, Campobasso, Caserta, Catanzaro, Foggia, Lecce, Napoli, Potenza, Reggio Calabria, Salerno und ausserdem ein Verzeichnis sämtlicher Monumente Süditaliens nach Provinzen und Ortschaften eingeteilt. Nicht weniger als 256 Abbildungen, zum grossen Teil nach Originalaufnahmen und Zeichnungen ausgeführt, begleiten den Text des stattlichen Quartbandes. Schon im Jahre 1860 gab Heinrich Schulz seine Denkmäler der Kunst des Mittelalters in Unteritalien heraus und seitdem ist nichts Zusammenfassendes mehr überden Gegenstand erschienen. Jetzt giebt das Buch Avena’s, dem eine Fortsetzung folgen wird, einen glänzenden und äusserst dankenswerten beschreibenden Katalog der reichen Denkmalsschätze in Unteritalien. In noch umfassenderer Weise und in historischem Zusammenhänge wird demnächst Emile Bertaux denselben Stoff in einer Prachtpublikation behandeln.
E. st.
Im Verlage von J. U. Kern in Breslau hat Herr Professor Dr. Hugo Magnus eine Tafel zur Erziehung des Farbensinnes der Kinder erscheinen lassen, die samt 72 Farbenkärtchen und einem Texthefte 7 Mark kostet.
PERSONALIEN
Geheimer Hofrat Professor Dr. Georg Treu in Dresden, der Direktor der Skulpturensammlungen im Albertinum, feierte am 29. März seinen 60. Geburtstag. Treu wurde 1843 in St. Petersburg geboren, studierte in Dorpat, Berlin und Göttingen und promovierte in Göttingen mit einer Dissertation De ossium humanorum larverumque imaginibus. Er habilitierte sich an der Universität zu Berlin und wurde 1882 nach Dresden als Nachfolger Hettner’s berufen. Er hat sich um die Dresdner Skulpturensammlungen hohe Verdienste erworben, namentlich hat er eine Sammlung moderner deutscher und ausländischer Bildwerke (besonders französischer und belgischer Skulpturen) angelegt, die in Deutschland einzig dasteht. Auch seine Behandlung der antiken Originalwerke, die er von den wunderlichen Ergänzungen befreit hat, ist als mustergültig anzusehen. In dieser Beziehung, wie durch die gesamte neue Anordnung sind die Dresdner Skulpturensammlungen vorbildlich geworden. Als Schriftsteller hat sich Treu ausser durch seine Schriften über Olympia und den Hermes des Praxiteles besonders durch sein Eintreten für Klinger und Meunier bekannt gemacht. Zu Ehren Treu’s fand an seinem