zu führen? Ob man einmal in Rom ein ähnliches Wunder moderner Rekonstruktion besitzen wird wie heute in Berlin im Pergamonmuseum? Ob sich noch einmal alle Fragmente wieder zusammenfinden werden, die zum Glück der Hauptsache nach noch in Italien bewahrt werden, in Rom in den Diokletiansthermen, im Vatikan, an der Gartenfassade der Villa Medici, in Florenz in den Uffizien? Es ist vieles geschehen in Italien, was noch vor zwanzig Jahren unerreichbar schien. Die Freude der Italiener an ihren vaterländischen Kunstschätzen hat sich noch neuerdings durch die Ausgrabungen auf dem Forum unendlich gesteigert, und der Wiederaufbau des Friedensheiligtums ist in der That eine Aufgabe, die alle aufgewandte Mühe reichlich lohnen würde. Es könnte neuerstanden auch ein Denkmal einträchtigen Zusammenwirkens Deutschlands und Italiens werden auf dem weiten Gebiete der Kultur und das hoffnungsvolle Sympton eines beginnenden Völkerfriedens.
e. st.
Die Venus von Medici ein Werk Lysipps? Ad. Michaelis hat uns in zahlreichen Publikationen Material geliefert, um die Geschichte der aus dem Altertum erhaltenen Bildwerke in den Handzeichnungen und Skizzenbüchern der Renaissancekünstler zu verfolgen. Im vorigen Jahre hat das von Lionel Cust herausgegebene Skizzenbuch van Dyck’s von seiner italienischen Reise die früheste zeichnerische Reproduktion der Aldobrandini’schen Hochzeit geliefert, und wichtige archäologische Hilfsmittel bietet das von Salomon Reinach ebenfalls 1902 publizierte Album des Pierre Jacques, Sculpteur de Reims. In diesem Zeichenbuche findet sich von 1576 datiert eine dreifache Ansicht der Venus von Medici, so wie sie sich unrestauriert damals im Palazzo della Valle befand; und Reinach hat in den eben erschienenen Mélanges Perrot, p. 285 ff., nachgewiesen, dass von der Perle der Tribuna nur der Torso und der Ansatz der Arme authentisch ist und auch der Kopf starken Retouchen ausgesetzt war. Im ganzen sind die Archäologen einig, dass die Aphrodite von Medici eine Ableitung der Cnidischen ist; sie hat das Gewand ganz abgelegt, das die Göttin des Praxiteles noch mit der Hand fasste. Aber es ist schwer zu entscheiden, ob die Söhne des Praxiteles, Kephisodot und Timarch, sie schufen oder erst zu Ende des vierten oder beginnenden dritten Jahrhunderts der Meister der Mediceerin lebte. In dem eben erschienenen Heft der Revue Archéologique stellt nun Arthur Mahler (Prag) die Hypothese auf, Lysipp könne der Künstler sein. Er hat stilistische Gründe, wie den gemeinschaftlichen Charakter bei Wangen und Kinn, den die Venus von Medici mit der als Lysippisch erkannten grossen Herkulanenserin der Dresdner Sammlung teilt, und wie das Lysippische Charakteristikum, dass die volle Entwickelung der Brust durch den vorgehaltenen Arm eingezwängt wird. Auch weist die Dresdner Replik der Venus von Medici, deren Kopf weniger Überarbeitungen zeigt als die der Uffizien, eine ähnliche Haarbehandlung auf wie der Apoxyomenos des Lysipp. Aber auf Stilähnlichkeiten allein darf man zu Ende des vierten vorchristlichen Jahrhunderts keinen Künstler bestimmen wollen; dazu sind die Stilverschiedenheiten der ganzen damaligen Periode nicht ausgeprägt genug. So holt denn Mahler eine Stelle aus Lorenzo Ghiberti’s terzo Commentario herbei, in der davon die Rede ist, dass man — es muss vor 1348 gewesen sein — auf dem Gebiete von Siena eine Marmorstatue gefunden hat, deren Basis Lysipp als den Schöpfer des Werkes nannte. »E aveva in sulla gamba, in sulla quäle si posava, uno delfino.« Das einzige Merkmal ist der Delphin, und so hatte man an eine Poseidonstatue bis jetzt gedacht. Aber Mahler äussert sich dahin, es müsse eine weibliche Statue von der provokanten Nacktheit der
Venus von Medici gewesen sein. Denn es heisst an der Stelle des Ghiberti weiter, dass ein Hermaphrodit, simile a questa statua, mitgefunden wurde, und dass die Sieneser in sittlicher Entrüstung die Statue zerschlugen (s. auch Löwy, Inschriften griechischer Künstler Nr. 476). Hätte es sich um einen Poseidon gehandelt, so ist der Vergleich mit dem zarten Hermaphroditen ebenso unverständlich, wie dass der nackte männliche Gott die mittelalterliche Prüderie in diesem Masse erweckt habe. So könnte der Delphin und die Inschrift auf eine Kopie der Mediceerin, eines Werkes Lysipp’s, schliessen lassen; selbstverständlich muss es kein griechisches Original gewesen sein, auch der römische Kopist konnte den Künstlernamen darunter gesetzt haben. Reinach meint noch in den Mélanges Perrot, dass die Venus von Medici zweifellos am schönsten werde, wenn man sie wieder zu dem Torso des Albums Pierre Jacques reduziere, d. h. Arme und Beine wieder abschlage. Dazu wird es aber wohl nicht kommen. — m.
SAMMLUNGEN UND AUSSTELLUNGEN
Für die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden ist soeben ein bedeutendes altdeutsches Gemälde aus dem 15. Jahrhundert erworben worden. Es ist eine Beweinung Christi, die mit Sicherheit dem mittelrheinischen Meister des Hausbuchs zugeschrieben wird, über dessen Oemälde zuerst Flechsig in der »Zeitschrift für bildende Kunst(Jahrgang 1897), sodann Max Lehers im »Jahrbuch der preussischen Kunstsammlungen« 1899 geschrieben hat, nachdem man ihn vorher nur als Kupferstecher gekannt hatte. (Als Hausbuch wird bekanntlich jene Handschrift mit Bildern im Besitze des Fürsten von Waldburg-Wolfegg in Schwaben bezeichnet, welche man als technische Encyklopädie des 15. Jahrhunderts bezeichnen könnte.) Die Beweinung Christi tauchte in Aachener Privatbesitz auf und wurde von dem Bonner Kunstgelehrten Dr. Firmenich- Richartz als ein Werk des obengenannten Meisters bestimmt. Da in der Dresdner Galerie die alte deutsche Kunst des 15. Jahrhunderts so gut wie gar nicht vertreten ist, so glaubte Galeriedirektor Wörmann sich dieses Werk rasch sichern zu müssen, und die Galeriekommission erwarb auf seinen Vorschlag das Werk für 10000 Mark. Es ist in der That ein bedeutendes Gemälde von echter alter deutscher Grösse und Herbheit der Auffassung und bedeutender malerischer Kraft. Schon auf zwanzig Schritt Entfernung erfreut man sich an der leuchtenden Pracht der Farben, die mit dem Gold des Himmels und der Heiligenscheine trefflich Zusammengehen. Leider ist das Bild nicht ganz tadellos erhalten. Die Holztafel hat etwa zwanzig Centimeter von der linken Seite einen Bruch von oben bis unten, längs dessen eine ungeschickte Übermalung geht — man sehe z. B die Hände der ersten klagenden Frau und ihr grünes Kleid — indes sie stört den Gesamteindruck nicht gerade wesentlich. Die Komposition des Bildes mit seinen halblebensgrossen Figuren ist ungemein klar und lebendig. Vorn liegt unterm Kreuz auf weissem Tuch der Leichnam Christi von rechts nach links lang hingestreckt. Maria und Johannes beugen sich betend über ihn, hinter ihnen stehen zwei ernste bedeutsame Männergestalten, Nikodemus und Josef von Arimathia. Zu Füssen Christi an der anderen Seite kniet Maria Magdalena, vier Frauen mit gefalteten Händen stehen klagend hinter ihr. Im Vordergründe links und rechts sind der Stifter und die Stifterin, wie üblich bedeutend kleiner als die biblischen Gestalten, bildnisgetreu dargestellt. Zur Rechten sieht man das offene Grabgewölbe im Felsen, von Bäumen überragt, auch zur Linken wird das Bild von hohen Bäumen eingeschlossen. Im Hintergründe erblickt man die Stadt