Schatten schwerer Wolken das Licht der Sonne auf die weit sich breitende Landschaft, auf die Wipfel des heiligen Gartens und die nackten Körper des zitternd am Boden sich verbergenden Menschenpaares dringt. Zwei kleinere Bilder, eine »Leda« und eine »Europa«, haben den entzückenden malerischen Reiz des Hofmann’schen Ideallandes. Mit einer »Europa«, freilich einer stark modernisierten Fassung des alten Themas, tritt auch Corinth auf. Es ist wieder ein »Schlager«: ein fetter Stier, der quer vor einem Dorfhintergrund steht, dessen männliche Kraft aber ein saftig-dralles Mägdelein gebändigt hat, indem sie den feisten Monstrebullen mit einem rosa Bande am Nasenring regiert. Th. Th. Heine hat das Motiv früher einmal zierlicher behandelt; Corinth hat es mit der ganzen Wucht seiner halb kraftvoll-naiven, halb gepfeffert-raffinierten Malerei vorgetragen. Ein Porträt von Gertrud Eysoldt als Wilde’s »Salome«, das an einen älteren Corinth’schen »Schlager« erinnert — er malt gern »Schlager«! —, und eine etwas wüste Scene »Odysseus kämpft mit dem Bettler Iros vor den schwelgenden Freiern« mit einem satanistischen Gewimmel von hellen Fleischtönen nackter Gliedmassen und blutigroten Farbenflecken haben ebenfalls die derbe Sinnlichkeit seines Pinselstrichs. Als »Auswärtiger« schliesst sich dieser Gruppe Wilhelm Triibner an (der diesmal auch das sonst stets von Liebermann verfasste programmatische Vorwort des Katalogs geschrieben hat). Er bleibt bei dem temperamentvollen Impressionismus, der gelegentlich noch, so jetzt in einem Damenbildnis, mit der ganzen ungebändigten Brutalität seiner breiten Striche daherrast, aber doch auch über das Experimentieren hinaus zu wirklich malerischen Lösungen kommt, wie in dem famos plastischen Bilde des blauen Postillons vor grünem Blätterhintergrund und in dem neuesten Reiterporträt, das, von einigen Gewaltsamkeiten abgesehen, ein meisterhaftes Stück eindringlicher Naturbeobachtung ist. Dieser Mann auf dem Pferde ist als realistische Malerei fast noch interessanter als das Reiterbild von Leibi, das freilich im Ton von unnachahmlicher Schönheit ist. Noch ein prachtvolles Männerporträt und eine Handstudie vertreten Leibi, den »Könneraller Könner, auf der Ausstellung, als den einzigen der heimgegangenen deutschen Meister.
Unter den jüngeren Berliner Secessionisten treten wieder die Brüder Hübner besonders hervor: Ulrich mit farbig amüsanten Interieurs, in denen ihm sein Bruder Heinrich in diesem Jahre scharfe Konkurrenz macht, und mit einer luftig-sonnigen Flusslandschaft. Dann Martin Brandenburg, der romantische Phantast, dessen krause Versonnenheit einen so eigenartigen Zauber hat — namentlich seine beiden »Jäger« zwischen den hohen Stämmen eines dichten deutschen Waldes fesseln diesmal —, und Hans Baluschek, der sich in der Behandlung seiner Berliner Proletariertypen nur schwer, aber doch mit sichtbarem Erfolg von seiner früheren, etwas kalten Gegenständlichkeit zu mehr malerischer Anschauung emporarbeitet. Philipp Eranck ist mit seiner impressionistischen Entwickelung, die er vor nicht langer Zeit so energisch angebahnt
hat, noch nicht fertig; seine Figuren sind noch nicht belebt genug, und es fehlt an farbiger Frische. Dennoch ist ein bedeutender Fortschritt zu konstatieren, zumal in dem »Kaffeegarten« mit dem an Liebermann mahnenden, sehr gut gemalten Hintergrund. Eine hervorragende Rolle spielt auf der Ausstellung das Porträt. Reinhold und Sabine Lepsius haben zwei Bildnisse in ihren bekannten feinen, blassen Farben geschickt, Robert Breyer hat den Maler Philipp Klein famos porträtiert, dieser eine junge Dame in weissem Kleide in freier Landschaft, Konrad von Kardorff den Abgeordneten Grafen Molkte, Leo von König die Malerin M. Tardif — ein durch kecke Farbenflecken höchst pikant belebtes Biedermaierstück —, Erich Haneke den Schauspieler Pagay, Joseph Oppenheimer zwei Damen »Mutter und Grossmutter«. Max Slevogds Dragonerleutnant — das dritte wichtige Reiterbildnis der Ausstellung — enttäuscht ein wenig, d. h. jedoch nur als Slevogt’sche Leistung. Vieles daran, wie der landschaftliche Hintergrund, der Kopf des Pferdes, der herrlich in der freien Luft steht, der Elan und die Haltung des Offiziers, ist ganz prachtvoll. Aber das Blau des Waffenrockes, das dem Bilde schliesslich seine koloristische Note giebt, hätte Slevogt doch vielleicht interessanter bewältigen können.
Ganz fehlt das Ausland natürlich nicht auf der Secessionsausstellung. Die Wände des Eingangssaals sind ganz von Segantini’s grossem nachgelassenen Bilder-Terzett »Die Natur«, »Das Leben«, »Der Todin Anspruch genommen, diesen schon aus Paris bekannten, gewaltigen symbolischen Dichtungen, die aus schlichtester Naturschilderung zu einer lapidaren Sprache epischer Feierlichkeit sich erheben, ln einem kleinen Saale daneben herrschen Franzosen: Claude Monet mit einer seiner glänzenden älteren Gartenstudien und einer »Kathedrale«, wohl aus Rouen, bei der mir die gar zu weiche Malerei mit dem Charakter des Motivs nicht in Einklang zu stehen scheint, O. Bonnard mit ein paar pikanten Aktstudien, Eugène Durenne, Albert André, d Espagnat, Vuillard, Valloton, Helleu, Blanche, Canals, Gauguin mit allerlei Studien, die durchweg von grossem Farbengeschmack Zeugnis ablegen, aber doch vielfach von einer recht äusser- Iichen Flottheit sind — es sind kleine Leckerbissen, die sehr appetitlich aussehen, aber nur als flüchtig zu geniessende Vorspeise dienen können. Man wird von diesen niedlichen Raffinements nicht satt. Anders ist Cézanne, der wackere Vorkämpfer des Impressionismus, den zwar selbst sein Freund Zola als ein nicht zu voller Entwickelung gelangtes Talent bezeichnet hat, der aber in seiner genialischen Unbeholfenheit immer interessiert, ferner Forain, der spottlustige mondäne Zeichner, der als Maler freilich weniger selbständig ist und in seinen drei nach Berlin geschickten Bildern zweimal Degas und einmal Daumier nachahmt, den letzteren in einer schon nicht mehr recht gestatteten Anhänglichkeit, und schliesslich Toulouse-Lautrec, von dem einige in Deutschland noch unbekannte Scenen von Moulin de la Galette und anderen Pariser »Vergnügungsstätten« zu sehen sind, die in ihrer grotesken Wucht der Schilderung, in
Unter den jüngeren Berliner Secessionisten treten wieder die Brüder Hübner besonders hervor: Ulrich mit farbig amüsanten Interieurs, in denen ihm sein Bruder Heinrich in diesem Jahre scharfe Konkurrenz macht, und mit einer luftig-sonnigen Flusslandschaft. Dann Martin Brandenburg, der romantische Phantast, dessen krause Versonnenheit einen so eigenartigen Zauber hat — namentlich seine beiden »Jäger« zwischen den hohen Stämmen eines dichten deutschen Waldes fesseln diesmal —, und Hans Baluschek, der sich in der Behandlung seiner Berliner Proletariertypen nur schwer, aber doch mit sichtbarem Erfolg von seiner früheren, etwas kalten Gegenständlichkeit zu mehr malerischer Anschauung emporarbeitet. Philipp Eranck ist mit seiner impressionistischen Entwickelung, die er vor nicht langer Zeit so energisch angebahnt
hat, noch nicht fertig; seine Figuren sind noch nicht belebt genug, und es fehlt an farbiger Frische. Dennoch ist ein bedeutender Fortschritt zu konstatieren, zumal in dem »Kaffeegarten« mit dem an Liebermann mahnenden, sehr gut gemalten Hintergrund. Eine hervorragende Rolle spielt auf der Ausstellung das Porträt. Reinhold und Sabine Lepsius haben zwei Bildnisse in ihren bekannten feinen, blassen Farben geschickt, Robert Breyer hat den Maler Philipp Klein famos porträtiert, dieser eine junge Dame in weissem Kleide in freier Landschaft, Konrad von Kardorff den Abgeordneten Grafen Molkte, Leo von König die Malerin M. Tardif — ein durch kecke Farbenflecken höchst pikant belebtes Biedermaierstück —, Erich Haneke den Schauspieler Pagay, Joseph Oppenheimer zwei Damen »Mutter und Grossmutter«. Max Slevogds Dragonerleutnant — das dritte wichtige Reiterbildnis der Ausstellung — enttäuscht ein wenig, d. h. jedoch nur als Slevogt’sche Leistung. Vieles daran, wie der landschaftliche Hintergrund, der Kopf des Pferdes, der herrlich in der freien Luft steht, der Elan und die Haltung des Offiziers, ist ganz prachtvoll. Aber das Blau des Waffenrockes, das dem Bilde schliesslich seine koloristische Note giebt, hätte Slevogt doch vielleicht interessanter bewältigen können.
Ganz fehlt das Ausland natürlich nicht auf der Secessionsausstellung. Die Wände des Eingangssaals sind ganz von Segantini’s grossem nachgelassenen Bilder-Terzett »Die Natur«, »Das Leben«, »Der Todin Anspruch genommen, diesen schon aus Paris bekannten, gewaltigen symbolischen Dichtungen, die aus schlichtester Naturschilderung zu einer lapidaren Sprache epischer Feierlichkeit sich erheben, ln einem kleinen Saale daneben herrschen Franzosen: Claude Monet mit einer seiner glänzenden älteren Gartenstudien und einer »Kathedrale«, wohl aus Rouen, bei der mir die gar zu weiche Malerei mit dem Charakter des Motivs nicht in Einklang zu stehen scheint, O. Bonnard mit ein paar pikanten Aktstudien, Eugène Durenne, Albert André, d Espagnat, Vuillard, Valloton, Helleu, Blanche, Canals, Gauguin mit allerlei Studien, die durchweg von grossem Farbengeschmack Zeugnis ablegen, aber doch vielfach von einer recht äusser- Iichen Flottheit sind — es sind kleine Leckerbissen, die sehr appetitlich aussehen, aber nur als flüchtig zu geniessende Vorspeise dienen können. Man wird von diesen niedlichen Raffinements nicht satt. Anders ist Cézanne, der wackere Vorkämpfer des Impressionismus, den zwar selbst sein Freund Zola als ein nicht zu voller Entwickelung gelangtes Talent bezeichnet hat, der aber in seiner genialischen Unbeholfenheit immer interessiert, ferner Forain, der spottlustige mondäne Zeichner, der als Maler freilich weniger selbständig ist und in seinen drei nach Berlin geschickten Bildern zweimal Degas und einmal Daumier nachahmt, den letzteren in einer schon nicht mehr recht gestatteten Anhänglichkeit, und schliesslich Toulouse-Lautrec, von dem einige in Deutschland noch unbekannte Scenen von Moulin de la Galette und anderen Pariser »Vergnügungsstätten« zu sehen sind, die in ihrer grotesken Wucht der Schilderung, in