lichkeit, wie plötzlich den Schreiber heftigste Unlust am Schreiben überkam. Anderes wieder, wie beispielsweise ein paar Ausstellungsberichte, ist ausserordentlich, geistreich im Inhalt, glänzend in der Darstellung.
Dem Neudruck der Humoresken Bayersdorfer’s, der den Schluss bildet, geht eine durch August Pauly getroffene Auswahl von Briefen voran. Sie bereichern und verschönern das Bild noch, das wir aus dem sonstigen Inhalte des Bandes gewonnen hatten. In einem Teile der Briefe, besonders in den an Fachgenossen gerichteten, zeigt sich reich die hohe Verstandesklarheit des wissenschaftlichen Menschen; in anderen, vor allem in den für ein geliebtes Mädchen bestimmten, offenbart sich aufs schönste seine zweite Seele, die schwärmende Seele des Dichters, der in dem giorgionesken Bilde des Buonarroti- Hauses zu Florenz »den Nachtwandlerblick in eine andere Welt« entdeckt hat.
Zwei Bildnisse Bayersdorfer’s sind dem inhaltsreichen Bande beigegeben; beide aus dem Jahre 1875, das eine von Thoma, das andere von Böcklin. Was jeder von ihnen aus dem Urbilde herausgeholt hat, ist in mehr als einem Sinne lehrreich. Nur Böcklin’s Werk jedoch giebt Bayersdorfer so, wie ihn uns sein Nachlass zeigt: als Denker Und Dichter.
Ernst Polaczek.
Walter Goetz, Ravenna. Berühmte Kunststätten 10. Leipzig und Berlin, E. A. Seemann, 1901. 8 u. 136 S. mit 139 Abbildungen.
Ein Historiker hat es unternommen, Ravenna zu schildern, eine Stadt »weder des Altertums noch der Renaissance«, wie es fast jede italienische Stadt ist, sondern der Zwischenzeiten der »Völkerwanderung« und »Dante’s«. Er führt uns ihre »geschichtliche Entwickelung« in wenigen grossen, im Detail freilich etwas skizzenhaften Bildern vor Augen und nimmt im voraus »die Nachsicht der Kunstgelehrten« in Anspruch. Durch Benutzung der vorhergehenden Litteratur war er bemüht, »die allein mögliche relative Zuverlässigkeit« zu erreichen. Wir wollen nicht bemäkeln, dass hier und da doch ein Irrtum oder eine Lücke entstanden ist. Stärkere Einwendungen aber müssen wir gegen die das Buch beherrschende kunstgeschichtliche Gesamtanschauung erheben, während wir dem Verfasser gern in den rein geschichtlichen Ausführungen folgen. Er weiss es dem Leser anschaulich zu machen, wie Ravenna erst seit Einrichtung der zweiten Flottenstation (Classis) unter Augustus, dank der Fürsorge der Kaiser, besonders Trajan’s aufgeblüht ist und wie die zunehmende Schwäche Roms zur Ursache seiner Erhebung unter Honorius wird. Dass die Kunstblüte Ravennas aufs engste mit den geschichtlichen Persönlichkeiten der Galla Placidia und Theodorich’s d. Gr. verflochten ist, erscheint als ein voll berechtigter Leitsatz. Aber obgleich der Verfasser das innige, immer wieder befestigte Band, das die umsichtige und entschlossene Tochter des Theodosius mit Byzanz verknüpfte, deutlich sieht, verkennt er in den Kunstdenkmälern dieser Epoche den Zusammenhang mit der Kunstentwickelung Ostroms. Der dekorative und monumentale Stil des Baptisteriums und des Mausoleums der Galla Placidia verdankt nach ihm seine Entstehung nur der Christianisierung der antiken Kunst, mit deren Geist ihm immer mehr entschwindet, »was lebendige Entwickelung verheisst«. Dass diese gesamte Dekoration, in der »die Farbe triumphiert«, deren Wirkung er sich selbst nicht zu entziehen vermag, wie seine hübsche Schilderung des letztgenannten Baues beweist, eine eigenartige Neuschöpfung des griechischen Orients ist, bleibt dem Verfasser verschlossen. So bleibt er beim veralteten Standpunkt stehen, dass die Ravennatische Kunst im wesentlichen auf Grund
lage stadtrömischer Kunstübung erwachsen sei. Seine Unklarheit über das innerste Wesen der Denkmäler tritt noch deutlicher hervor bei der durch Theodorich d. Gr. gepflegten Kunst. Dass Theodorich, der sich sogar sein Standbild aus einer Reiterstatue des Kaisers Zeno herrichtete, eigne Ideen in die Kunst hineingetragen und vor allem römische Anregungen aufgenommen habe, kann höchstens gegenüber der Grabrotunde vertreten werden. Diese ist in der That ein »spätgeborenes Kind der Antikeund steht mit ihrem plastisch gegliederten Aussenbau und bedrückenden Inneren in starkem Gegensatz zum farbenglänzenden Innenraum vonS. Nazaro e Celso. In eine sonderbare Verkennung des wahren Sachverhalts verfällt der Verfasser, obgleich er die von Th. stets bewiesene hohe Achtung des oströmischen Kaisertums und Wesens ausdrücklich betont, wenn er bei dessen Kirchenbauten nur die Möglichkeit eines Nebeneinflusses von seiten des Ostens einräumt. Ein aus Rom berufener Architekt und Bildhauer beweist nichts gegen das Zeugnis der Architekturformen selbst (Kämpfer) und des neuen Stils der Mosaiken. Für diese fehlt aber dem Verfasser durchaus der ästhetische Massstab, wenn er z. B. in S. Apollinare Nuovo nur Einförmigkeit und Hässlichkeit sieht und fast überall den Verlust des lebenspendenden Geistes der Antike empfindet. Der nach dem Prinzip der Reihung komponierte Märtyrerzug wirkt vielmehr daselbst mit der Architektur dekorativ vortrefflich zusammen. Die Anschauung, dass den christlichen Typen in dem Masse ihrer Entfernung von der Antike die Individualisierung verloren geht, steht vollends im Widerspruche mit den Thatsachen. Im Herausarbeiten der porträthaften Charaktere liegt ein gut Teil der künstlerischen Arbeit des 5. und 6. Jahrhunderts. Auch die Zeit vom Tode Theodorich’s bis zur Einnahme Ravennas durch Beiisar (539) will der Verfasser nicht als byzantinische Ära angesehen wissen. Das ist in so weit richtig, als das Jahr 526 gewiss keinen Einschnitt bedeutet. Einen rein künstlerischen Einfluss von Byzanz, worauf es schliesslich doch nur ankommt, leugnet er auch hier nicht. Im einzelnen bewahrt er jedoch eine mehr ablehnende Haltung. Bei S. Vitale verweist er selbst auf den vorhergehenden Aufenthalt des Gründers Erzbischof Ecclesius in Konstantinopel und giebt so unbewusst die Erklärung, warum diese 526—34 entstandene, aber erst im Jahre 549 geweihte Kirche noch das reine Oktagon darstellt. Die Sophia und A. Sergios und Bakchos waren eben im Jahre 526 noch nicht da, wohl aber z. B. die oktagonale Kirche des Täufers im Hebdomon. Auch S. Apollinare in Classe hat in Wahrheit nichts wesentlich Abendländisches an sich, abgesehen von der einstöckigen Anlage der Nebenschiffe, dagegen byzantinische Kapitäle, Kämpfer und Backsteindekor. Die eigentliche Schilderung der Denkmäler entspricht dank der Verwertung von Ricci’s Forschungen im allgemeinen dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnis. Besonders fühlbar wird wieder die Unsicherheit des Verfassers erst da, wo er zusammenfassende Überblicke über die Entwickelung des Christustypus, die schlechterdings als eine örtliche nicht zu verstehen ist, über die Kapitälformen, Sarkophage u. a. m. zu geben sucht. Wie die meisten der Forscher übersieht auch er die Grundthatsache, dass der Marmor mindestens bei den bedeutenderen Stücken der prokonnesische ist. Mögen sie auch grösstenteils an Ort und Stelle gearbeitet sein, so kamen doch zweifellos mit diesem die Bildhauer von Byzanz. Von den Kapitälen werden mehrere charakteristische Typen der altbyzantinischen Architektur, darunter das mit dem windgeblasenen Akanthus als vergröberte Abarten des korinthischen zusammengefasst und nur das »tektonische« (Würfel- bezw. Kämpfer-) Kapitäl
Dem Neudruck der Humoresken Bayersdorfer’s, der den Schluss bildet, geht eine durch August Pauly getroffene Auswahl von Briefen voran. Sie bereichern und verschönern das Bild noch, das wir aus dem sonstigen Inhalte des Bandes gewonnen hatten. In einem Teile der Briefe, besonders in den an Fachgenossen gerichteten, zeigt sich reich die hohe Verstandesklarheit des wissenschaftlichen Menschen; in anderen, vor allem in den für ein geliebtes Mädchen bestimmten, offenbart sich aufs schönste seine zweite Seele, die schwärmende Seele des Dichters, der in dem giorgionesken Bilde des Buonarroti- Hauses zu Florenz »den Nachtwandlerblick in eine andere Welt« entdeckt hat.
Zwei Bildnisse Bayersdorfer’s sind dem inhaltsreichen Bande beigegeben; beide aus dem Jahre 1875, das eine von Thoma, das andere von Böcklin. Was jeder von ihnen aus dem Urbilde herausgeholt hat, ist in mehr als einem Sinne lehrreich. Nur Böcklin’s Werk jedoch giebt Bayersdorfer so, wie ihn uns sein Nachlass zeigt: als Denker Und Dichter.
Ernst Polaczek.
Walter Goetz, Ravenna. Berühmte Kunststätten 10. Leipzig und Berlin, E. A. Seemann, 1901. 8 u. 136 S. mit 139 Abbildungen.
Ein Historiker hat es unternommen, Ravenna zu schildern, eine Stadt »weder des Altertums noch der Renaissance«, wie es fast jede italienische Stadt ist, sondern der Zwischenzeiten der »Völkerwanderung« und »Dante’s«. Er führt uns ihre »geschichtliche Entwickelung« in wenigen grossen, im Detail freilich etwas skizzenhaften Bildern vor Augen und nimmt im voraus »die Nachsicht der Kunstgelehrten« in Anspruch. Durch Benutzung der vorhergehenden Litteratur war er bemüht, »die allein mögliche relative Zuverlässigkeit« zu erreichen. Wir wollen nicht bemäkeln, dass hier und da doch ein Irrtum oder eine Lücke entstanden ist. Stärkere Einwendungen aber müssen wir gegen die das Buch beherrschende kunstgeschichtliche Gesamtanschauung erheben, während wir dem Verfasser gern in den rein geschichtlichen Ausführungen folgen. Er weiss es dem Leser anschaulich zu machen, wie Ravenna erst seit Einrichtung der zweiten Flottenstation (Classis) unter Augustus, dank der Fürsorge der Kaiser, besonders Trajan’s aufgeblüht ist und wie die zunehmende Schwäche Roms zur Ursache seiner Erhebung unter Honorius wird. Dass die Kunstblüte Ravennas aufs engste mit den geschichtlichen Persönlichkeiten der Galla Placidia und Theodorich’s d. Gr. verflochten ist, erscheint als ein voll berechtigter Leitsatz. Aber obgleich der Verfasser das innige, immer wieder befestigte Band, das die umsichtige und entschlossene Tochter des Theodosius mit Byzanz verknüpfte, deutlich sieht, verkennt er in den Kunstdenkmälern dieser Epoche den Zusammenhang mit der Kunstentwickelung Ostroms. Der dekorative und monumentale Stil des Baptisteriums und des Mausoleums der Galla Placidia verdankt nach ihm seine Entstehung nur der Christianisierung der antiken Kunst, mit deren Geist ihm immer mehr entschwindet, »was lebendige Entwickelung verheisst«. Dass diese gesamte Dekoration, in der »die Farbe triumphiert«, deren Wirkung er sich selbst nicht zu entziehen vermag, wie seine hübsche Schilderung des letztgenannten Baues beweist, eine eigenartige Neuschöpfung des griechischen Orients ist, bleibt dem Verfasser verschlossen. So bleibt er beim veralteten Standpunkt stehen, dass die Ravennatische Kunst im wesentlichen auf Grund
lage stadtrömischer Kunstübung erwachsen sei. Seine Unklarheit über das innerste Wesen der Denkmäler tritt noch deutlicher hervor bei der durch Theodorich d. Gr. gepflegten Kunst. Dass Theodorich, der sich sogar sein Standbild aus einer Reiterstatue des Kaisers Zeno herrichtete, eigne Ideen in die Kunst hineingetragen und vor allem römische Anregungen aufgenommen habe, kann höchstens gegenüber der Grabrotunde vertreten werden. Diese ist in der That ein »spätgeborenes Kind der Antikeund steht mit ihrem plastisch gegliederten Aussenbau und bedrückenden Inneren in starkem Gegensatz zum farbenglänzenden Innenraum vonS. Nazaro e Celso. In eine sonderbare Verkennung des wahren Sachverhalts verfällt der Verfasser, obgleich er die von Th. stets bewiesene hohe Achtung des oströmischen Kaisertums und Wesens ausdrücklich betont, wenn er bei dessen Kirchenbauten nur die Möglichkeit eines Nebeneinflusses von seiten des Ostens einräumt. Ein aus Rom berufener Architekt und Bildhauer beweist nichts gegen das Zeugnis der Architekturformen selbst (Kämpfer) und des neuen Stils der Mosaiken. Für diese fehlt aber dem Verfasser durchaus der ästhetische Massstab, wenn er z. B. in S. Apollinare Nuovo nur Einförmigkeit und Hässlichkeit sieht und fast überall den Verlust des lebenspendenden Geistes der Antike empfindet. Der nach dem Prinzip der Reihung komponierte Märtyrerzug wirkt vielmehr daselbst mit der Architektur dekorativ vortrefflich zusammen. Die Anschauung, dass den christlichen Typen in dem Masse ihrer Entfernung von der Antike die Individualisierung verloren geht, steht vollends im Widerspruche mit den Thatsachen. Im Herausarbeiten der porträthaften Charaktere liegt ein gut Teil der künstlerischen Arbeit des 5. und 6. Jahrhunderts. Auch die Zeit vom Tode Theodorich’s bis zur Einnahme Ravennas durch Beiisar (539) will der Verfasser nicht als byzantinische Ära angesehen wissen. Das ist in so weit richtig, als das Jahr 526 gewiss keinen Einschnitt bedeutet. Einen rein künstlerischen Einfluss von Byzanz, worauf es schliesslich doch nur ankommt, leugnet er auch hier nicht. Im einzelnen bewahrt er jedoch eine mehr ablehnende Haltung. Bei S. Vitale verweist er selbst auf den vorhergehenden Aufenthalt des Gründers Erzbischof Ecclesius in Konstantinopel und giebt so unbewusst die Erklärung, warum diese 526—34 entstandene, aber erst im Jahre 549 geweihte Kirche noch das reine Oktagon darstellt. Die Sophia und A. Sergios und Bakchos waren eben im Jahre 526 noch nicht da, wohl aber z. B. die oktagonale Kirche des Täufers im Hebdomon. Auch S. Apollinare in Classe hat in Wahrheit nichts wesentlich Abendländisches an sich, abgesehen von der einstöckigen Anlage der Nebenschiffe, dagegen byzantinische Kapitäle, Kämpfer und Backsteindekor. Die eigentliche Schilderung der Denkmäler entspricht dank der Verwertung von Ricci’s Forschungen im allgemeinen dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnis. Besonders fühlbar wird wieder die Unsicherheit des Verfassers erst da, wo er zusammenfassende Überblicke über die Entwickelung des Christustypus, die schlechterdings als eine örtliche nicht zu verstehen ist, über die Kapitälformen, Sarkophage u. a. m. zu geben sucht. Wie die meisten der Forscher übersieht auch er die Grundthatsache, dass der Marmor mindestens bei den bedeutenderen Stücken der prokonnesische ist. Mögen sie auch grösstenteils an Ort und Stelle gearbeitet sein, so kamen doch zweifellos mit diesem die Bildhauer von Byzanz. Von den Kapitälen werden mehrere charakteristische Typen der altbyzantinischen Architektur, darunter das mit dem windgeblasenen Akanthus als vergröberte Abarten des korinthischen zusammengefasst und nur das »tektonische« (Würfel- bezw. Kämpfer-) Kapitäl