Schüler Simon’s, und vielleicht weist auch der von den Fischerweibern geschobene, mit Netzen beladene Karren von Jean Pierre Laurens auf den Einfluss Simon’s hin. Der ältere Bruder Paul Albert Laurens stellt ein dekorativ sehr wirksames römisches Bad aus, das, wie die Arbeiten seines Bruders, zeigt, dass beide jungen Maler ihre eigenen Wege gehen und von der Manier ihres Vaters, des bekannten Historienmalers, nicht im geringsten beeinflusst werden. Neu ist in der Abteilung der Maler auch der bekannte Zeichner und Radierer Jaques Villon, der ein sehr gutes weibliches Bildnis ausgestellt hat.
Villon bringt uns zur Griffelkunst, wo wir die farbigen Radierungen von ihm, von Thaulow, Manuel, Robbe, Anna Osterlind und Gottlob, die schwarzen Radierungen von Dauchez, Renouard und Storm van Gravesande und die Lithographien von Alexander Lunois, Charles Cottet und Henri Rivière erwähnen, ausser Anna Osterlind, die eine farbig sehr hübsch abgetönte und geschmackvolle Marine ausgestellt hat, lauter bekannte Leute, über deren Kunst nichts Neues zu sagen ist. Der Ordnung halber nenne ich noch die Pastelle von de la Gandara, Taulow, Legoüt- Gerard, Guillaume Roger und Mary Kazak, deren männliches Bildnis eine sehr interessante koloristische Studie ist, die Zeichnungen von Jeanniot für den Roman »Adolph« von Benjamin Constant und die einen ganzen Saal füllenden Aquarellansichten von Paris und Houbron.
Sobald die grossen Salons ihre Pforten öffnen, thun die kleinen gut, die ihrigen zu schliessen, denn neben dem Meere von Kunst in den Salons sind die Sonderausstellungen bei den Kunsthändlern nur kleine Tümpel, die unbeachtet bleiben. Deshalb war Maxime de Thomas übel beraten, gerade am Tage der Vernissage seinerseits eine Sonderausstellung bei Durand-Ruel zu eröffnen. Indessen würde ich es mir doch nicht verzeihen, diesen ausserordentlich interessanten und meines Wissens in Deutschland bisher ganz unbekannten Künstler mit Stillschweigen zu übergehen. Maxime de Thomas gehört in eine Reihe mit Degas und Toulouse-Lautrec. Wie diese beiden bekannten Zeichner und Maler fasst er eine blitzschell vorüberhuschende Bewegung, begreift er auf den ersten und schnellsten Blick den Charakter eines Gesichtes oder einer ganzen Gestalt und weiss diesen Charakter mit wenigen bezeichnenden Strichen ganz und klar wiederzugeben. Seine bei Durand-Ruel ausgestellten Zeichnungen und Pastelle bringen Volkstypen aus Paris und Italien, Leute, die er auf der Strasse, im Café, im Theater gesehen hat, alles ungeheuer geistreich und witzig, in der Zeichnung bis aufs äusserste vereinfacht, in der Charakterisierung unübertrefflich. Es ist sehr schade, dass der Künstler sich nicht einen besseren Zeitpunkt für seine Ausstellung gewählt hat, denn er verdient mehr Beachtung und ausführlichere Besprechung, als ihm in dieser Zeit der grossen Salons gegeben werden kann.
KARL EUGEN SCHMIDT.
BÜCHERSCHAU
Rom. Unter den Auspizien des Königs ist auf Anregung des Ministers Nasi schon vor längerer Zeit der Lionardoforscher Giovanni Piomati mit der Herausgabe aller noch nicht edierten Werke Lionardo da Vinci’s beauftragt. Dem König ist soeben der erste Band der von Roux und Viarengo gedruckten und ausgestatteten Publikation »Die Anatomie« überreicht. v. Gr.
PERSONALIEN
Adolf von Menzel feierte am 30. April das fünfzigjährige Jubiläum als Mitglied der Königlichen Akademie der Künste, an der er jetzt die für ihn eigens begründete Würde eines Ehren-Senators bekleidet. Mit ihm zugleich konnte der Maler E. Pape auf die gleiche Dauer der Mitgliedschaft zurückblicken.
DENKMÄLER
Vor dem Kaiser Friedrich-Museum in Berlin wird bekanntlich ein Reiterdenkmal Kaiser Friedrich’s errichtet werden, mit dessen Ausführung der Münchner Bildhauer Professor Rudolf Maison im Namen des Reiches betraut ist. An der Gestaltung des Werkes hat noch die verewigte Kaiserin Friedrich lebhaften Anteil genommen. Das lebensgrosse Kolossalmodell wird jetzt der Millerschen Erzgussfabrik zur Ausführung in Bronzeguss übergeben. Das lebensgrosse Hilfsmodell kommt in den nächsten Tagen in der grossen Halle des Kunstausstellungsgebäudes zur Ausstellung. Kaiser Friedrich ist als Gardekürassier mit Helm auf einem grossen englisch-irischen Pferde dargestellt. Das Denkmal erhält keinen weiteren bildlichen Schmuck. Das Postament wird vom Geh. Hofbaurat Ihne, dem Schöpfer des Kaiser Friedrich-Museums, entworfen.
Grundsteinlegung des Markusturmes. Am 25. April fand die Grundsteinlegung des Markusglockenturmes in feierlicher Weise statt. Die ganze Bevölkerung Venedigs nahm an diesem Nationalfeste teil. Es war zu dem Feste der königliche Prinz, der Conte di Farino angekommen; der französische Unterrichtsminister Chaumié war anwesend, ebenso der italienische Unterrichtsminister Nasi. Der Bürgermeister Venedigs, Graf Grimani, gab in einer längeren Rede den Gefühlen der Bürgerschaft Ausdruck, ihm folgte in einer Ansprache Nasi und der französische Gast, worauf der Patriarch den Einweihungsakt mit dem Klerus vollzog und sich dann auch in einer schönen Rede äusserte. — Vom herrlichsten Wetter begünstigt begannen sofort Tags darauf die Arbeiten unter Leitung Beltrami’s. Vielleicht gelingt es ihm, in der festgesetzten Zeit von vier Jahren den Campanile vor unseren Augen wieder erstehen zu lassen. — Nach Beendigung der Feier begaben sich Autoritäten und Künstler nach dem Volksgarten, wo man dem Andenken des allzu früh dahingegangenen ehemaligen Bürgermeisters und vortrefflichen Dramaturgen Riccardo Selvatico ein Ehrendenkmal errichtet hatte und nun feierlich dessen Enthüllung vollzog, Die interessante Bronzebüste von dem bekannten genialen P. Canonica aus Turin erregte allgemeine Bewunderung. Selvatico gab die erste Anregung zu den nun alle zwei Jahre wiederkehrenden hiesigen internationalen Ausstellungen. a. Wolf.
Aus Brüssel erfährt man, dass sich die belgische Regierung mit Konstantin Meunier in Betreff des grossen »Denkmals der Arbeit« nicht geeinigt hat und dass vorläufig keine Aussicht besteht, für das Werk, dessen Details in Wien ausgestellt waren, einen entsprechenden Platz zu erhalten. Meunier’s Entwurf des Denkmals, ein mächtiger Felsblock, auf dem der Sämann steht, gab Veranlassung