die zweiundzwanzig Säle umfassende Kunstschau einen besonderen Anstrich und einen wirklich internationalen Charakter erhalten. Der 1902 im Alter von fast 93 Jahren verstorbene Landschafter Castelli lässt in seinen Bildern und Skizzen die verschiedenen künstlerischen Einwirkungen zweier hinter uns liegender Menschenalter erkennen, die aber nie sein heisses Streben und Ringen nach Naturwahrheit beirrt haben. Von lebenden Künstlern sind unter den Sonderausstellungen der greise, an den alten Traditionen festhaltende Präsident der Akademie San Luca, Maler und Bildhauer Roberto Bompiani vertreten, weiter Luigi Bazzani, der Aquarelldarstellungen aus Pompeji und dem noch so wenig gekannten Viterbo beisteuert, von römischen Bildhauern Costantino Barbella, der im Kunsthandwerk ausserordentlich vielseitig erscheint, und Sbriccoli, dessen Hauptkraft im Porträt liegt; sein Kolossalkopf Papinian’s erinnert an die grossen Aufgaben, die der römischen Skulptur mit der inneren und äusseren Ausschmückung des Justizpalastes zufallen. In Sonderausstellungen präsentiert sich auch die vornehmen Traditionen folgende Schule der römischen Aquarellisten, unter denen der mit Bildern kleinen Formats uns immer erfreuende Pio Joris, seine Schülerin Carlotta Popert, der Maler der »Roma sparita« Roessler-Franz, Carlandi, Coleman, Giuseppe Ferrari hervorzuheben wären. Des weiteren sind aber auch den verschiedenen römisches Gastrecht geniessenden fremden Nq+ionen, den Spaniern, Russen, Österreichern und Reichsdeutschen eigene Säle zugewiesen worden. Im österreichischen Saal dominiert qualitativ und quantitativ Brioschi, der namentlich mit der Darstellung ernster und düsterer landschaftlicher Stimmungen starke Wirkungen erzielt und auf die Fülle und Reichhaltigkeit solcher Motive unter römischem Himmel hinweist. In den Darbietungen Knüpfer’s bewundert man wie immer die Virtuosität in der Erfassung und Darstellung von Meeresstimmungen jeder Art, und oft wünscht man die stetig sich gleichbleibende Staffage von Nixen und Nymphen hinweg, um sich ungestört an jener Meisterschaft erbauen zu können. Wie eine träumerische Erinnerung an längstverklungene Tage Overbeck’s wirken Madonnen- und Heiligenbilder von Soldatisz Vater, während sein zum Italiener gewordener Sohn im benachbarten Saal auf den modernen Wegen irisierender Punktmalerei wandelt. Die österreichische Skulptur ist durch ein gross aufgefasstes und eindringlich wirkendes »consumatum est« von Weirich und durch Porträtbüsten von Seeböck gut vertreten; letzterem ist namentlich die Vereinigung von Energie und Liebenswürdigkeit in der Wiedergabe der charakteristischen Züge des Professor Meurer gut gelungen. Im deutschen Saal treten uns zunächst drei umfangreiche, kraftvoll und mit breitem Pinsel gemalte Landschaften, Motive aus der Umgebung Roms und aus Syrakus, von Roeder entgegen, dem die geschmackvolle Anordnung des Saales zu danken ist. Neben diesen die machtvolle Grösse der italienischen Landschaft schildernden Werken behauptet sich ein Campagnabild des Hamburgers Lutteroth, der in diesem Jahre wieder einmal Rom und Umgebung zu seinem Studiengebiet erkoren hat, gerade deshalb, weil es die träumerische Stimmung eines heissen Sommermittags in intimer, duftiger und echt poetischer Darstellung wiedergiebt. Zwei kleinere Landschaften von F. Brandt zeigen seine bekannten Vorzüge wohlthuender Klarheit und überzeugender Luftschilderung. Das Bildnis ist in diesem Saal durch Noeter und Frieda Menshausen-Labriola gut, ja teilweise vorzüglich vertreten. Ein Selbstbildnis des ersteren ist in seiner Verve und der Schärfe der Selbstbeobachtung ein gelungener Wurf, und Frau Labriola hat in dem Porträt ihres Schwiegervaters, des bekannten Professors Labriola, und in dem
einer jungen Dame, Fräulein Gurlitt, bewiesen, dass sie auf der absoluten Höhe der Beherrschung der Technik und der Schärfe der Charakteristik steht; ein Kinderbildnis von ihr ist vom Könige angekauft. Eine Reihe kleinerer Werke der Malerei, unter denen wir noch eigenartige herbe religiöse Bilder des Schülers von Gebhardt, Pfannschmidt, hervorheben möchten, und der Skulptur vervollständigen den günstigen Eindruck des deutschen Saales. Mit dieser deutschen und österreichischen Sonderschau im Rahmen einer internationalen römischen Ausstellung ist ein glückverheissender Anfang der korporativen Zusammenfassung deutscher Kunstausübung in Rom gemacht. Möge er weitere erfolgbringende Ausgestaltung finden!
G. v. Graevenitz.
Karlsruhe. Die letztvergangenen Wochen waren für die Besucher des Karlsruher Kunstvereins im ganzen genommen wieder eine recht tote Zeit. Nach einem kurzen Anlauf abermals ein langer Stillstand. Im Verlauf des ganzen April haben streng genommen nur zwei Künstler ausgestellt, deren Werke über das Niveau des Miltelmässigen und des weniger als Mittelmässigen hinausragten: Schönleber und Rud. Hellwag. Hellwag hat eine grosse Kollektion von Seestücken aus St. Ives mitgebracht. Seine Naturdarstellung hat in den letzten Jahren an Frische und Unmittelbarkeit ganz bedeutend gewonnen. Er stellt sich koloristisch ebenso dankbare wie technisch schwierige Probleme: Darstellung des bewegten, an Felsen brandenden, im Reflex kalter und warmer Lichter irisierenden Wassers, dunstiger, von gedecktem Licht durchdrungener Atmosphären, in denen sich alle Starrheit und Härte der Formen und Farben malerisch in feine und weiche Tonwerte auflöst. Manchmal haben seine Wellen noch etwas Sprödes, Schweres, im ganzen aber zeichnet sich seine Kollektion durch eine der Meisterschaft immer näher kommende Verfeinerung und Vervollkommnung der Technik, durch eine gesteigerte Kraft des Natureindrucks und durch eine abgeklärte und vornehme Tiefe der koloristischen Empfindung aus. — Von der reichen Ernte seiner letztjährigen Studien am belgischen Strand und in alten belgischen Städten hat Schönleber einen kleinen Teil in den Kunstverein gebracht. Die Naturdarstellung Schönleber’s ist in den letzten Jahren in ein neues Stadium getreten, in dem das Persönliche, der Stimmungsgehalt und die musikalische Tonfeinheit zu immer konzentrierterem Ausdruck kommt. Ganz besonders charakteristisch sind dafür seine kleinen Landschaften (neben den belgischen namentlich Motive aus seiner schwäbischen Heimat), die ihre Eigenart ausser durch ihre koloristischen Reize auch durch einen liebenswürdigen Zug des intim Erzählenden, beim Detail Verweilenden empfangen. Auch in dieser neuen Auffassung zeigt Schönleber die Souveränität seiner technischen Meisterschaft. Er bevorzugt jetzt kombinierte Verfahren, wendet Ölstifte, Tempera und Öl gleichzeitig an, malt gelegentlich auf Schiefertafeln, auf denen die Farben ganz besonders frisch und tief stehen, und weiss sich dabei die Vorteile des Materials bis zur Ausnutzung der pikantesten Zufälligkeit aufs Raffinierteste zu Nutzen zu machen. Aber der Künstler geht bei ihm nicht im Techniker unter. Man fühlt nicht, mit wie viel bewusster Überlegung das Objekt in die Sprache des Materials übersetzt ist, so unmittelbar und frisch ist der Natureindruck wiedergegeben. Nirgends drängt sich das Technische auf. Das Materielle ist vollkommen gelöst in tiefe und volle Stimmungsaccorde, in reine Kunst. Eine der bedeutendsten Arbeiten seiner letzten Zeit ist das »Schwarze Wasser in Brügge«.
K Widmet.
Die Eröffnung der unter dem Protektorate der Königin
stehende Porträtsammlung im Stuttgarter Königsbau