Die Untersuchungen über die Tiara des Saitaphernes haben jetzt schon die Fälschung erwiesen. Es ist sicher, dass der russische Ciseleur Rochumowski der Verfertiger der Tiara ist. Er legte Photographien vor, die die Arbeit darstellen, wie sie aus seinen Händen hervorgegangen ist und ohne die Beulen, die die Verkäufer dem Werke beigebracht haben, um den Anschein des Alters zu erregen. Weiterhin wurde die Tiara mit einer rötlichen Färbung überzogen, durch die der ursprüngliche Goldton verändert wurde. Rochumowski will 2000 Rubel für die Arbeit erhalten haben und weist nach, dass er für den mittleren Streifen den Bilderatlas der Weltgeschichte von Ludwig Weisser, 2. Auflage, benutzt hat. Er war bei der Anfertigung der Relieffiguren darauf bedacht, die Gestalten möglichst zu verändern, indem er den Körper der einen Figur mit dem Kopfe einer anderen verband, die Gewänder vertauschte und ähnliche Variationen vornahm. Eine andere Einzelheit, die auch dem Rochumowski verdankt wird, ist der Lilienfries, der über dem Kopfe der Figur hinläuft. Für den Streifen mit skytischen Figuren und die Ornamente hat er das Werk Tolstoi, Kondakof Antiquités de la Russie meridionale benutzt. — Rochumowski hat nicht nur die Tiare fabriziert, sondern hat eine Reihe anderer angeblich antiker Kunstwerke in Pariser Privatbesitz hergestellt, wie aus Paris mitgeteilt wird; so bezeichnet er in einer Pariser Privatsammlung einen Rython, eine Halsberge und eine Gruppe »Minerva leitet den Achilles« und eine grosse Vase als seine Arbeiten, die er für dieselbe Person, welche die Tiara bestellt hatte, gefertigt hat. Gegenwärtig hat Rochumowski ein Atelier im Hotel de la Monnaie bezogen, wo er unter Aufsicht des Professors Clermont Garnot auf einer vom Staate gelieferten Goldplatte einen Teil der Tiara reproduziert.
The Burlington Magazine, eine neue englische Sammlerzeitschrift, herausgegeben von Rob. Dell, erscheint monatlich seit dem März in London und führt sich durch Inhalt und Ausstattung sehr wirksam ein. Man sieht sofort an den beiden ersten Heften, dass hier etwas viel Gediegeneres beabsichtigt ist, als mit dem seit 1901 erscheinenden Connoisseur, der zwar durch seine zahlreichen Abbildungen besticht, dessen Artikel aber selten zum Lesen locken. Das Burlington Magazine, das noch durch ein Beiblatt »Burlington Gazette« mit Auktionsberichten und sonstigen Neuigkeiten ergänzt wird, will ein Organ für hochgebildete, vornehme Sammler und die dem Sammlerwesen nahestehenden Gelehrten sein und zählt viele bekannte Namen wie L. Benedite, B. Berenson, Sidney Colvin, C. Lafenestre, E. Molinier, Sal. Reinach und J. Weale zu seinen Mitarbeitern. Im ersten Heft stellt Berenson das Werk eines unbekannten Florentiner Quattrocentomalers, der zwischen Botticelli und Dom. Ghirlandajo steht, zusammen und tauft ihn provisorisch Alunno di Domenico, das soll heissen: Schüler des Domenico Ghirlandajo. E. Molinier bringt eine reichillustrierte Studie über französische Möbel des 17. und 18. Jahrhunderts und James Weale eine solche über die Brügger Ausstellung 1902 mit beachtenswerten Notizen über Hubert van Eyck. C. J. Ffoulkes weist durch Brescianer Urkunden 1515—1516 als Todeszeit des Vinc. Foppa nach. Im zweiten Heft interessieren besonders die Artikel über die Entwickelung der Form
und Dekoration der altenglischen Silberpokale von P. Macquoid, ferner die Skizze über drei unpublizierte italienische Porträts (Tizian, Luini, Francia) von Herb. Cook, die Fortsetzung von Weales’ Artikel über die Altniederländer und die Heliogravüre nach einem bisher unpublizierten und ganz hervorragend feinen Jünglingsminiaturporträt von Holbein im Besitze der Königin von Holland. — Wenn sich die neue Zeitschrift auf dieser Höhe des Inhalts und der Illustrationen zu halten vermag, so dürfte ihr eine internationale Verbreitung in Museums- und Sammlerkreisen sicher sein.
Der in Kunstkreisen, seit einem Jahre vielerörterte Geyger-Klinger-Prozess ist in Berlin am 15. Mai im Revisionsverfahren durch Vergleich beendet worden. Nachdem in der ersten Instanz festgestellt worden war, dass Klinger in gutem Glauben gehandelt hatte, ja dass seine Behauptungen materiell durchaus nicht widerlegt, sondern nur in der Form angreifbar seien, hat nunmehr sich Klinger bereit finden lassen, zu erklären, dass er Geyger nicht persönlich zu beleidigen oder an seiner Ehre zu verletzen beabsichtigt habe. Durch diesen Vergleich ist die unerquickliche Angelegenheit beendet. Wer als Sieger daraus hervorgeht, ist nicht zweifelhaft.
Herr J. C. Gosschalk in Bussum schreibt uns: »In dem Aufsatz über die Berliner Secessionsausstellung (Kunstchronik Nummer 23) wird der Maler Vincent van Gogh, einer der zwei auf dieser Ausstellung vertretenen Belgier, genannt. Offenbar ist man über die Nationalität dieses Malers in Deutschland nicht ganz klar, denn die Bezeichnung als Belgier habe ich in deutschen Kritiken schon früher angetroffen. — Vincent van Gogh ist in Holland von holländischen Eltern geboren (1853, im Dorf Groot- Zundert, Provinz Nordbrabant). Er war schon 27 Jahre, als er zu malen anfing. Von den zehn Jahren seiner Malerthätigkeit — er starb 1890 — hat er fünf in seinem Vaterlande gearbeitet. Aus dieser holländischen Periode stammen Arbeiten, welche im Auslande leider weniger gekannt sind, aber nicht weniger echt und kräftig seine ausgeprägte Persönlichkeit offenbaren. In dieser Malerei schloss er sich in Farbe und Faktur noch ziemlich an seine Landesgenossen an, aber sein leidenschaftlicher Geist war darin schon ganz deutlich zu erkennen. Im Jahre 1886 kam er nach Frankreich und erfuhr dort den Einfluss der französischen Impressionisten, welchen Einfluss er aber ganz selbständig verarbeitete. Es ist die Produktion aus diesen fünf letzten Lebensjahren, welche man am meisten kennt. Er selbst scheint Franzose geworden, seine Kunst kommt vor wie umgewälzt. Allerdings nur in Technik und Farbe. Doch ist der Künstler mehr äusserlich als innerlich verändert. Denn wenn man seine beiden Kunstperioden tiefer vergleicht, lernt man die Einheitlichkeit dieser grosszügigen Natur erkennen. Jedenfalls ist er in jenem qualitativ nicht geringen Teil seiner Produktion, welche in Holland entstanden ist, nicht bloss von Nationalität ein Holländer, sondern wirklich ein holländischer Maler.«
Menzel’s »Kreuzberg« aus dem Jahre 1847, von dem hier neulich gesprochen wurde, ist von der städtischen Kunstdeputation für die Sammlung der Stadt Berlin erworben worden. Dazu kann man nur gratulieren.
Inhall: Ein neues Madonnenrelief. Von Paul Schubring. — Friedrich Pecht f. Von F. Reber. — Franz Szârnovsky t; Elisabeth Reuter t: Vilhelm Kylin f: Robert Erbe f. — Ludwig von Hofmann als Professor nach Weimar berufen; Ingnazius Taschner nach Breslau berufen. — Zur Statue des Demosthenes; Ausgrabungen der Basilika Aemilia. — Vollendung der Kathedrale S. Maria del Fiore; Beschädigte Statuen; Gefährdung zweier wichtiger Burgen. — Ausstellung von Jacque Emile Blanche in Berlin; Kunstgeschichtliche Ausstellung in Erfurt; Sonderausstellung Menzel’scher Werke in London; Ausstellung des Malers Othmar Brioschi in Rom. — Versteigerung bei Lenke; Versteigerung der Sammlung Pacully in Paris. — Oesandtenbild von Holbein; Untersuchungen über die Tiara des Saitaphernes; The Burlington Magazine; Geyger-Winger-Prozess; Nationalität Vincent vanOogh’s; Erwerbung von Menzel s »Kreuzberg« für Berlin. — Anzeigen.
Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstrasse 13.
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G. m. b. H., Leipzig.