schlecht der Menschen anzuzeigen, welche feurig, luftig, wässrig oder irdischer Natur sind.« Die Verteilung der vier Elemente auf Paulus, Johannes, Markus — statt wässrig gebraucht Dürer sonst auch den Ausdruck quallet, d. i. quallig, von solchen Erscheinungen wie Markus, denen er Löwenstärke zutraut —, Petrus ergiebt sich von selbst. Wer noch weiter in das Wesen der vier eindringen will, muss Dürer’s Grundsatz bedenken »Aus viel mancherlei Menschen mag durch ein Verständigen etwas Guts zusammengelesen werden durch alle Theil der Glieder«, über den er sich für das Idealcharakterporträt ein andermal noch genauer ausspricht: »Ein jedlich gemacht Haupt ist zu verstellen und unkuntlich zu machen mit Haar oder beschorn, kraus oder schlecht, dick oder dünn, lang oder kurz, locket oder gestrählt, trucken oder nass. Also auch im Bart oder ohne Bart alle Ding wie im Haar gebraucht.« Nun erkennen wir in Paulus dasselbe Modell wieder, das in dem Hieronymus mit dem Weidenbaum benutzt war, und im Petrus, der abwärts ins Buch sieht, die wesentlichen Gesichtszüge des berühmten 93jährigen lesenden Antwerpenerjuden mit den fast geschlossenen Augenlidern und der hochgeflügelten Nase. Johannes ist ein idealisierter Melanchthon; der Melanchthonkupferstich, 1526 wie die Apostel veröffentlicht, zeigt dieselbe Profillinie wie der Johannes. In Markus endlich steckt Luther. Das Cranach’sche Rundbildchen, das Luther 1525 von sich, zusammen mit einem gleichen Käthe’s, als eine Art Hochzeitsanzeige vielfach verschenkte, ist jedenfalls auch nach Nürnberg gelangt. Schon Anfang 1520 hatte es Dürer als einen Herzenswunsch an Spalatin ausgesprochen: »Hilft mir Gott, dass ich zu Doctor Martinus Luther kumm, so will ich ihn mit Fleiss kunterfetten und in Kupfer stechen, zu einer langen Gedächtnuss des christlichen Manns, der mir aus grossen Ängsten geholfen hat.« Dieser Wunsch sollte sich nicht erfüllen, doch dafür erhielt nun Dürer’s Markus wenigstens nach jenem Lutherbildchen den etwas qualligen Kopf, die aufrechte, nicht eben hohe, oben fast ausladende Stirn, die kurze, kräftige Nase mit den kreisrunden Löchern und die mittlere Stirnlocke, auch die Gesamtansicht des Kopfes ist dieselbe wie auf dem Cranach’schen Bild. Das lockigere Haar, der Bart, die lebhaften offnen Augen — dass Luther solche haben konnte, war bekannt — und der leicht geöffnete Mund sind Dürer’s Änderungen nach der oben von ihm selbst beschriebenen Regel von künstlerischer Freiheit. So ist Dürer’s Schluss- und Meisterwerk zugleich ein aus dem Individuell-Zufälligen ins Typisch-Bedeutende gesteigertes Denkmal der Reformatoren.
STUTTGARTER PORTRÄT AUSSTELLUNG
Im grossen Saale des Königsbaues ist gegenwärtig eine Ausstellung von Porträts aus Privatbesitz, zum Besten der hiesigen Kinderküchen, ins Werk gesetzt, die alle Beachtung verdient. »Eine Ausstellung von Familienbildnissen aus württembergischem Privatbesitz, Hunderte und aber Hunderte pietätvoll von den Nachkommen gehütete Bildnisse ihrer Vorfahren, Bildnisse von württembergischen Regenten oder mit unserem Herrscherhause verwandten
fremden Fürsten, von Männern und Frauen, die für die württembergische Geschichte von Bedeutung waren, durch jahrelanges Sammeln in der Hand von Privaten vereinigte Kunstschätze und eine kleine Anzahl von Werken moderner Porträtkunst.« So heisst es im Vorwort des von Dr. Franck- Oberaspach bearbeiteten, illustrierten Katalogs, der durch die eingestreuten biographischen Notizen einen bleibenden Wert behält. Abgesehen von einigen wenigen älteren Bildern beschränkt sich die Ausstellung auf die letztvergangenen zwei Jahrhunderte. Die Gestalten des Herzogs Karl Eugen und seiner Franziska führen uns in die Welt des Rokoko ein, aus welcher Zeit noch manches interessante Porträt oder Familienstück uns entgegenwinkt.
Guibal und Weissbrod waren damals die Koryphäen der Porträtierkunst in der herzoglichen Residenz. Die klassische Zeit am Anfang des vorigen Jahrhunderts ist gut vertreten durch Bilder von Hetsch, Schick und Seele; besonders Hetsch zieht durch zwei grosse Familienstücke (Familie Pistorius und Zeppelin) die Aufmerksamkeit der Besucher an sich. Von bekannten auswärtigen Grössen ist Tischbein, der ehemalige Direktor der Leipziger Akademie, durch eine Reihe von Bildern vertreten. Mit Stirnbrand (1788—1882) rücken wir in die Biedermaierzeit ein er war der Hofmaler König Wilhelms 1., den er unzähligemale gemalt hat; neben ihm erscheinen Morff, Leybold, der Soldatenmaler Schnitzer, Mosbrugger und mancher andere fast vergessene Künstler. Die romantische Erscheinung Nikolaus Lenau’s hat Emilie von Reinbeck (1794 bis 1846) festgehalten, Justinus Kerner’s Bildnis sehen wir von Brnckman, Gustav Schwab von Leybold, Wieland von May, der auch Goethe malte, aus dem Besitz der Freifrau von Cotta. Ein köstliches Bildchen ist das Porträt der Mutter des bekannten Biberacher Genremalers Pflug. Wertvoll sind die Zuwendungen des königlichen Hofes, namentlich auch aus dem Besitz der Herzogin Wera, welche zahlreiche Porträts aus der russischen Kaiserfamilie spendete. Dem Lieblingskind des Rokoko, dem Miniaturbildnis, ist grosse Aufmerksamkeit geschenkt, überaus zahlreich waren die Einsendungen in dieser Richtung, an deren Spitze wieder die Zuwendungen des königlichen Hofes stehen; ausserdem haben Frau von Griesinger, Geheimer Kommerzienrat v. Pflaum, Frau Major Flaischlen und andere Sammler ihre Schätze hergeliehen.
Die Neuzeit wird vortrefflich repräsentiert durch die Lenbach-Kollektion, hauptsächlich aus dem Besitz des Dr. Kilian Steiner stammend, ferner bemerken wir Delug, Fritz und Hermann Raulbach, Ferd. Keller, Liezenmaier, Stuck, Huthsteiner, Treidler, Horst. Von älteren Malern darf nicht vergessen werden: Winterhalter, der bekannte Fürstenmaler, dann die Stuttgarter Erhardt, Büchner, Abel, Fräulein Martens und andere. Eines der besten Porträts lieferte Fräulein Lautenschlager durch die Bilder des Dichters Notter und seiner Frau. Auch die Graphik ist durch eine Auswahl von Blättern aus der Königlichen Kupferstichsammlung und der Königlichen Landesbibliothek vorteilhaft vertreten, ebenso die Plastik durch Namen wie Donndorf, Kopf, Kiemlen, Freund. Der Hauptreiz der Ausstellung liegt aber wohl in den alten Familienbildnissen, den »Hausreliquien«; ein Beitrag zur Heimatkunde ist hier vorgeführt, welcher das Interesse der Besucher vollauf in Anspruch nehmen darf. MAX BACH.
BÜCHERSCHAU
Dr. Josef Durm, Die Baukunst der Renaissance in Italien. Handbuch der Architektur, II. Teil, 5. Band, 564 Seiten mit 558 Abbildungen und 5 Tafeln. M. 27.—.
Durm’s Werk ist das Ergebnis langen eingehenden
Studiums und herzlicher Stellung zu dem Thema. Der