besingt, wie Menard einsam poetische Ruinen in dunklen Silhouetten an den hellen Abendhimmel lehnt, wie Guignard seine Schafherden im Mondenscheine auf der Strasse hinziehen lässt, wie Le Sidaner die beleuchteten Fenster eines am Flusse stehenden Hauses im stillen Wasser widerspiegelt, wie Eliot mit fast brutaler Kraft seine Landschaften in violetten Lichtern leuchten lässt, wie Besnard die erstaunlichsten und unerwartetsten Farbenzusammenklänge zu prächtigen Harmonien zu gestalten weiss. Alle diese Leute sind im Pastell genau oder beinahe die nämlichen wie in der Ölmalerei, und es wäre Zeitverschwendung, sie noch besonders als Pastellisten vorzustellen. Anders steht es mit Leandre, den man nur als komischen Zeichner kennt, der aber in seinen Pastellen wie in den heuer gezeigten beiden idealen Frauenbildnissen im Biedermeierkostüm einer der graziösesten und delikatesten Koloristen der Gegenwart ist. Francois Thevenot verschmählt wie Leandre den Pinsel und die Palette ganz und arbeitet nur mit dem Farbenstift. Er liebt sanfte und vornehme, goldigbraune Harmonien und ist besonders als Porträtist ein Künstler ersten Ranges. Er versteht es ebenso, der Anmut der weiblichen, wie der Kraft der männlichen Modelle gerecht zu werden, und sein vorjähriges Bildnis einer alten Dame im Kostüm des 18. Jahrhunderts war ein ebenso grosses Meisterwerk wie sein diesjähriges Porträt eines modern gekleideten, auf einer Waldlichtung ausruhenden jungen Mannes. Da die Ausstellung der Pastellisten stets nur einige hundertundfünfzig Nummern umfasst, und da die Aussteller, wie schon die oben genannten Namen beweisen, fast ohne Ausnahme zu der Elite der modernen Pariser Kunst gehören, so ist dieser Salon die angenehmste und erfreulichste von all den vielen Kunstausstellungen, die sich alljährlich in Paris aufthun.
Georg de Feure, einer jener zahlreichen ausländischen Künstler, die wie der Norweger Thaulow, der Finne Vallgren, der Italiener Boldini, der Österreicher Mucha, die Amerikaner Alexander, Melchers, Gay, Harrison u. s. w. dazu beitragen, dass Paris das internationale Centrum der bildenden Kunst ist, hatte bei Bing eine übersichtliche und sehr interessante Ausstellung veranstaltet. Der belgische Künstler ist dem weitern Publikum bei Gelegenheit der Weltausstellung bekannt geworden, wo er einen Raum in dem Bing’schen Pavillon ausgestattet hatte. Er ist vor allem dekorativer Künstler und bewegt sich als solcher auf allen erdenklichen Gebieten: er entwirft Möbel und Toiletten, Tapeten und Vorhänge, keramische Gegenstände und Silbergeschirr, Bucheinbände und Schmucksachen. In allen diesen Fächern zeigt er sich als überaus geschmackvoller Künstler, der durch den feinen Schwung seiner Linien und durch die zumeist sehr diskrete, mitunter aber in hellen Fanfarentönen erklingende Harmonie seiner Farben den Beschauer entzückt und fesselt. In seiner Ausstellung bei Bing zeigte er sich besonders als Maler mit fünf Ölgemälden und einigen hundert Aquarellen, Pastellen, Zeichnungen und Lithographien. Überall betont er seine dekorative Begabung: Pflanzen,
Tiere und Menschen werden bei ihm alle zu einer ornamentalen Formel, bestimmt, im Rhythmus der Linien und Farben mitzuklingen. Diese eigentlich leere Kunst wird durch seinen überaus feinen Geschmack und seinen ganz hervorragenden dekorativen Sinn von de Feure zur höchsten Höhe erhoben, und ohne Zweifel muss man dem Künstler unter den Meistern der modernen dekorativen Kunst eine der ersten Stellen anweisen. Es wäre deshalb sehr zu wünschen, dass er durch einen grösseren Auftrag Gelegenheit erhielte, seine Begabung bei der Ausschmückung eines grossen Raumes darzuthun.
Der Ring Pariser Kunsthändler, welchem die impressionistische Schule erb- und eigentümlich zugehört, scheint den gegenwärtigen Moment für günstig zum Losschlagen zu halten, ln der That dürften die durch fiktive Verkäufe und sonstige Geschäftskniffe bis zu schwindelnder Höhe hinaufgetriebenen Preise der impressionistischen Bilder schon sehr bald den Krebsgang antreten. Gegenwärtig sind sie an der Mode, und deshalb werden für sie höhere Preise gezahlt als für die Leute von Barbizon. Aber in einigen Jahren werden die Dinge wieder in ein vernünftiges Verhältnis kommen, und ich fürchte um so mehr für die Impressionisten, als sie mehr als andere von den Veränderungen der Farben zu leiden haben werden. Da sie alle Zeichnung verschmähen und ausschliesslich mit den farbigen Reflexen des Lichtes arbeiten, wird von ihren Bildern nicht mehr viel übrig sein, wenn diese Farben sich im Laufe der Jahre — und bei den modernen Farben geht das sehr schnell — verdunkelt oder sonst geändert haben. Man kann das jetzt schon bei Manet sehen, dessen Bilder in den dreissig oder vierzig Jahren alle Farbenfrische und Klarheit, um derentwillen sie von den Zeitgenossen ihres Entstehens gelobt wurden, eingebüsst haben, so dass jetzt nur noch ganz schwarze Schatten neben ganz weissen und zwar nicht leuchtenden, sondern matten und trüben Lichtern stehen. Und dabei war Manet als erster Impressionist neuen Stiles noch bei weitem kein so entschiedener Verächter der Zeichnung wie seine heutigen Enkel, und bei manchen seiner Bilder, wie z. B. bei der bekannten Olympia im Luxembourg, fallen die harten Umrisslinien der Zeichnung sogar sehr unangenehm auf.
Jedenfalls glaube ich, dass für den Besitzer von impressionistischen Bildern, der sie, wie das leider allgemeiner Nebenzweck der Sammler ist, mit dem Hintergedanken eines späteren vorteilhaften Verkaufes angeschafft hat, der Augenblick des Losschlagens gekommen ist. Höher werden die Preise nicht mehr steigen. Dieser Ansicht scheinen auch die Pariser Händler zu sein: nachdem vor vier Monaten Georges Petit hundert Bilder von Lepine, Jongkind, Boudin und Sisley vereinigt und ausgestellt hatte, zeigte dann Bernheim fünfzig Impressionisten von Manet bis auf Cézanne, und auch auf andern Bildermärkten: in England, Deutschland und Amerika öffnen sich jetzt die Schleusen und die in den letzten zwanzig Jahren in den Magazinen des »Ringes« aufgespeicherten im