Das Blatt wurde früher richtig benannt — was ich dem Text der Albertina-Publikation entnehme
wo es auch als Bacchiacca, unter Nr. 219 reproduziert ist.
EMIL JACOBSEN. ZUR HOLBEINFRAGE
Von Wilhelm Schmidt
Artur Seemann hat im achten Hefte der »Zeitschrift für bildende Kunst«, Mai 1903, über den Lebensbrunnen von Hans Holbein gehandelt und sorgfältig die verschiedenen Möglichkeiten abgewogen, ln dankenswerter Weise ist eine farbige Reproduktion des Werkes, die nach einer alten Photographie mit Hilfe einer modernen Ölkopie hergestellt ist, beigegeben. Leider hatte der hohe Besitzer des Werkes, König Karl I. von Portugal, sich nicht dazu entschliessen können, eine neue photographische Aufnahme zu gestatten.
Das Gemälde befand sich im Besitze des grossen Kunstsammlers Kurfürsten Maximilian I. von Bayern, wie aus dem um 1628 geschriebenen Inventar von dessen Kunstsachen hervorgeht. F. Reber hat über dasselbe in einer Festsitzung der königlich bayerischen Akademie der Wissenschaften gesprochen: »Kurfürst Maximilian I. von Bayern als Gemäldesammler«. Diese Rede ist im Verlage der Akademie 1892, München, im Druck erschienen. (Dr. Voll hat mich darauf hingewiesen.) Auf Seite 40 steht das Gemälde verzeichnet: Unser liebe fraw mit dem Khindelein, dahinder St. Joachim vnd Anna, herumb viel heyl. Junckhfrauen mit ainer schenen perspectiu von Music der Engel, vnnd Landtschafft, von Hanns Holpain, a? 1519 gemalt, ist 6 schuech 91/2 Zoll hoch 4 schuech 9 /9 Zoll brait No. 3. Reber nimmt an, dass dieses Bild mit dem Lissaboner identisch sei, und ich glaube, jeder wird ihm nur zustimmen. Inhalt, Jahreszahl, Grössen Verhältnisse passen. Die Nachrichten über das Werk gehen also um über ein Jahrhundert zurück, und vielleicht wird man auch einmal die früheren und weiteren Schicksale ermitteln können. Vermutlich ist es als Geschenk an eine fürstliche Persönlichkeit weggegeben worden, oder auch, es wurde zur Zeit der schwedischen Einnahme Münchens im Jahre 1632 entfremdet.
Dass also einer der beiden Hans Holbein die Tafel, die ich freilich leider nicht im Original gesehen habe, gemalt hat, ist danach nicht zu bezweifeln, und speziell auf Holbein Vater deuten die noch der Gefühlsweise des 15. Jahrhunderts entsprungenen, innig und schüchtern gedachten Figuren. Nie hat Holbein junior seine Gestalten so zaghaft gebildet, diese stehen ganz anders und greifen ganz anders zu. Er war eben ein Kind des 16. Jahrhunderts. Die Bezeichnung Holbein statt Holbain könnte mich nicht genieren, da der Vater ja auch nicht unverbrüchlich Holbain signiert, sondern auch zweimal
welches sich in der Casa Buonarroti auf der Rückseite einer Zeichnung (Rahmen 46, Nr. 112) befindet, datiert den 6. Januar 1523. Alinari hat die Handschrift unter Nr. 1041 reproduziert.
Holbon nachgewiesen ist, und auf dem in Frankfurt am Main 1501 entstandenen Dominikaneraltar bezeichnet er sich als Hoilbayn. Nun wurde, wie am Niederrhein, auch in den mittelrheinischen Gegenden der lange Vokal häufig durch ein nachgesetztes »i« bezeichnet, welcher Sitte der Künstler Rechnung trug, da ja auch ohne Zweifel der Name »Hohlbein« nicht »Hollbein« zu sprechen ist. (Vergleiche auch Repertorium für Kunstwissenschaft 1887, p. 131.) Ganz begreiflich, dass er sich auch in einer Gegend, die »ei« statt »ai« zu setzen pflegte, der ortsüblichen Schreibweise anschloss. Zuverlässig war ja der Name des jüngeren Hans, so lange letzterer noch in Augsburg war, ebenfalls Holbain geschrieben worden.
Bei dieser Gelegenheit streifte Seemann auch den Münchener Sebastiansaltar. Die Herausgeber des Pinakothekkataloges hatten ursprünglich in einer längeren Auseinandersetzung darauf hingewiesen, dass die Karlsruher Kreuztragung beweise, wie wenig der alte Holbein im stände war, das Beste des Sebastiansaltares, besonders der Flügel, hervorzubringen. Später ist diese Anmerkung gestrichen worden, jedoch wird auch noch in der letzten Auflage daran festgehalten, dass eine weitgehende Beteiligung des Sohnes Holbein anzunehmen sei. Der Hinweis auf die Kreuztragung entsprang jedoch einem richtigen Gefühle, denn wer dieses rohe, jedoch von ungestümem Leben bereits erfüllte Werk eines jugendlichen Stürmers und Drängers geschaffen, konnte nicht die Ruhe und Klarheit, die schüchterne Innigkeit der Heiligen Barbara und Elisabeth gleichzeitig (1515) geschaffen haben. Heutzutage gilt das Karlsruher Gemälde wohl allgemein als Werk des jüngeren, als das es schon Woltmann (Holbein, 2. Aufl. 1876, II, p. 130) erkannt hatte; ich selbst habe mich im Repertorium 1888, p. 353—354) über die Gründe verbreitet und bitte die betreffende Auseinandersetzung nachzulesen, die ich im ganzen Umfange aufrecht erhalten muss. Schliesslich sind wir ja auch nicht bloss auf das Karlsruher Werk angewiesen, es giebt noch andere Arbeiten von Holbein jun. derselben Zeit, die für den Unbefangenen nicht minder eine entschiedene Sprache reden. Mit Sigmund Holbein kann man aber noch weniger etwas anfangen, und dass die beiden holdseligen Nürnberger Bildchen von verschiedenen Händen herrühren sollen, ist mir nicht verständlich, sie scheinen mir auch zeitlich ziemlich nahe zu stehen. Vergleiche darüber D. Burckhardt im Jahrbuch der preussischen Kunstsammlungen 1892, p. 137L, und die Dissertation von F. Stödtner, Berlin 1896, p. 50L Wie viele Künstler, die in jene kritische Periode fallen, haben sich verändert und manche erheblich stärker als Holbein Vater! Es wäre eine dankbare Aufgabe mit Zuhilfenahme genügender Abbildungen, beziehungsweise Ausschnitte, darzuthun, dass die angebliche unerklärliche Umänderung der Kunst des alten Augsburgers nur eine Ausgeburt der Phantasie ist. Es verhält sich halt so:
Es erbt sich das Geschwätz des Eigner Wie eine ew’ge Krankheit fort.
wo es auch als Bacchiacca, unter Nr. 219 reproduziert ist.
EMIL JACOBSEN. ZUR HOLBEINFRAGE
Von Wilhelm Schmidt
Artur Seemann hat im achten Hefte der »Zeitschrift für bildende Kunst«, Mai 1903, über den Lebensbrunnen von Hans Holbein gehandelt und sorgfältig die verschiedenen Möglichkeiten abgewogen, ln dankenswerter Weise ist eine farbige Reproduktion des Werkes, die nach einer alten Photographie mit Hilfe einer modernen Ölkopie hergestellt ist, beigegeben. Leider hatte der hohe Besitzer des Werkes, König Karl I. von Portugal, sich nicht dazu entschliessen können, eine neue photographische Aufnahme zu gestatten.
Das Gemälde befand sich im Besitze des grossen Kunstsammlers Kurfürsten Maximilian I. von Bayern, wie aus dem um 1628 geschriebenen Inventar von dessen Kunstsachen hervorgeht. F. Reber hat über dasselbe in einer Festsitzung der königlich bayerischen Akademie der Wissenschaften gesprochen: »Kurfürst Maximilian I. von Bayern als Gemäldesammler«. Diese Rede ist im Verlage der Akademie 1892, München, im Druck erschienen. (Dr. Voll hat mich darauf hingewiesen.) Auf Seite 40 steht das Gemälde verzeichnet: Unser liebe fraw mit dem Khindelein, dahinder St. Joachim vnd Anna, herumb viel heyl. Junckhfrauen mit ainer schenen perspectiu von Music der Engel, vnnd Landtschafft, von Hanns Holpain, a? 1519 gemalt, ist 6 schuech 91/2 Zoll hoch 4 schuech 9 /9 Zoll brait No. 3. Reber nimmt an, dass dieses Bild mit dem Lissaboner identisch sei, und ich glaube, jeder wird ihm nur zustimmen. Inhalt, Jahreszahl, Grössen Verhältnisse passen. Die Nachrichten über das Werk gehen also um über ein Jahrhundert zurück, und vielleicht wird man auch einmal die früheren und weiteren Schicksale ermitteln können. Vermutlich ist es als Geschenk an eine fürstliche Persönlichkeit weggegeben worden, oder auch, es wurde zur Zeit der schwedischen Einnahme Münchens im Jahre 1632 entfremdet.
Dass also einer der beiden Hans Holbein die Tafel, die ich freilich leider nicht im Original gesehen habe, gemalt hat, ist danach nicht zu bezweifeln, und speziell auf Holbein Vater deuten die noch der Gefühlsweise des 15. Jahrhunderts entsprungenen, innig und schüchtern gedachten Figuren. Nie hat Holbein junior seine Gestalten so zaghaft gebildet, diese stehen ganz anders und greifen ganz anders zu. Er war eben ein Kind des 16. Jahrhunderts. Die Bezeichnung Holbein statt Holbain könnte mich nicht genieren, da der Vater ja auch nicht unverbrüchlich Holbain signiert, sondern auch zweimal
welches sich in der Casa Buonarroti auf der Rückseite einer Zeichnung (Rahmen 46, Nr. 112) befindet, datiert den 6. Januar 1523. Alinari hat die Handschrift unter Nr. 1041 reproduziert.
Holbon nachgewiesen ist, und auf dem in Frankfurt am Main 1501 entstandenen Dominikaneraltar bezeichnet er sich als Hoilbayn. Nun wurde, wie am Niederrhein, auch in den mittelrheinischen Gegenden der lange Vokal häufig durch ein nachgesetztes »i« bezeichnet, welcher Sitte der Künstler Rechnung trug, da ja auch ohne Zweifel der Name »Hohlbein« nicht »Hollbein« zu sprechen ist. (Vergleiche auch Repertorium für Kunstwissenschaft 1887, p. 131.) Ganz begreiflich, dass er sich auch in einer Gegend, die »ei« statt »ai« zu setzen pflegte, der ortsüblichen Schreibweise anschloss. Zuverlässig war ja der Name des jüngeren Hans, so lange letzterer noch in Augsburg war, ebenfalls Holbain geschrieben worden.
Bei dieser Gelegenheit streifte Seemann auch den Münchener Sebastiansaltar. Die Herausgeber des Pinakothekkataloges hatten ursprünglich in einer längeren Auseinandersetzung darauf hingewiesen, dass die Karlsruher Kreuztragung beweise, wie wenig der alte Holbein im stände war, das Beste des Sebastiansaltares, besonders der Flügel, hervorzubringen. Später ist diese Anmerkung gestrichen worden, jedoch wird auch noch in der letzten Auflage daran festgehalten, dass eine weitgehende Beteiligung des Sohnes Holbein anzunehmen sei. Der Hinweis auf die Kreuztragung entsprang jedoch einem richtigen Gefühle, denn wer dieses rohe, jedoch von ungestümem Leben bereits erfüllte Werk eines jugendlichen Stürmers und Drängers geschaffen, konnte nicht die Ruhe und Klarheit, die schüchterne Innigkeit der Heiligen Barbara und Elisabeth gleichzeitig (1515) geschaffen haben. Heutzutage gilt das Karlsruher Gemälde wohl allgemein als Werk des jüngeren, als das es schon Woltmann (Holbein, 2. Aufl. 1876, II, p. 130) erkannt hatte; ich selbst habe mich im Repertorium 1888, p. 353—354) über die Gründe verbreitet und bitte die betreffende Auseinandersetzung nachzulesen, die ich im ganzen Umfange aufrecht erhalten muss. Schliesslich sind wir ja auch nicht bloss auf das Karlsruher Werk angewiesen, es giebt noch andere Arbeiten von Holbein jun. derselben Zeit, die für den Unbefangenen nicht minder eine entschiedene Sprache reden. Mit Sigmund Holbein kann man aber noch weniger etwas anfangen, und dass die beiden holdseligen Nürnberger Bildchen von verschiedenen Händen herrühren sollen, ist mir nicht verständlich, sie scheinen mir auch zeitlich ziemlich nahe zu stehen. Vergleiche darüber D. Burckhardt im Jahrbuch der preussischen Kunstsammlungen 1892, p. 137L, und die Dissertation von F. Stödtner, Berlin 1896, p. 50L Wie viele Künstler, die in jene kritische Periode fallen, haben sich verändert und manche erheblich stärker als Holbein Vater! Es wäre eine dankbare Aufgabe mit Zuhilfenahme genügender Abbildungen, beziehungsweise Ausschnitte, darzuthun, dass die angebliche unerklärliche Umänderung der Kunst des alten Augsburgers nur eine Ausgeburt der Phantasie ist. Es verhält sich halt so:
Es erbt sich das Geschwätz des Eigner Wie eine ew’ge Krankheit fort.