sehe nicht ein, warum nicht jene ebensowohl wie diese als Entdeckungen bezeichnet werden können. Die Galerie der Uffizien ist nicht mehr unzugänglich wie die Dresdner Galerie oder die Sculptursammlung des Vatikans. Die mehr oder weniger augenfällige Ausstellung kann in dieser Hinsicht nicht ausschlaggebend sein.
Die Herren haben sich, meint ferner Dr. Gronau, allzuviel Mühe mit Wasserzeichen, Autographen und anderen »Äusserlichkeiten« gemacht, auch führen sie »das zustimmende Urteil« zweier Autoritäten, A. v. Beckerath’s und B. Berenson’s an. Das eine wie das andere bedarf es nicht. Es genügt, die Reproduktionen1), die sie bringen, zu beachten, um auf den ersten Blick (!) Michelangelo’s gewaltige Hand zu erkennen.« O, so grosse Kenner sind wir nicht! Weder Ferri noch ich und auch nicht Bernhard Berenson.
Wirklich, Herr Doktor, Sie haben an diesen dürftigen Reproduktionen beim ersten Blick die gewaltige Hand erkannt, was Ferri und mir, vor den Originalen, erst nach täglichem anspannenden Studium vieler Monate hindurch gelungen ist.
Und Berenson, dem die Zeichnungen erst, nachdem alle Beweise herbeigeschaffen waren, präsentiert wurden, brauchte drei lange Sitzungen (vor den Originalen), um sich zu überzeugen. Ja, er verhielt sich das erste Mal sehr zurückhaltend und wollte sich weder für noch gegen die Zeichnungen aussprechen. Erst nach einem eingehenden Studium, unterstützt durch ein grosses Vergleichungsmaterial von Photographien, das er für diesen Zweck herbeigeschafft hatte, wagte er für die Zeichnungen sich auszusprechen.
Was mich jedoch bei den Äusserungen Herrn Gronau’s persönlich in besondererWeise kränkt, das ist die verächtliche Weise, womit er die »Äusserlichkeiten«, das heisst die objektiven Merkmale und Kennzeichen, wodurch die Originalität erst bewiesen werden kann, erwähnt.
Naiverweise hiess es in einem Zeitungstelegramm: »Am Sonntag fanden Ferri und Jacobsen« u. s. w., nein, die Zeichnungen wurden nicht an einem Sonntag, auch nicht an zehn Sonntagen gefunden, wie schon bemerkt, haben Ferri und ich mit diesen Blättern monatelang gearbeitet. Welcher Jubel, als wir zum erstenmal die Handschrift Buonarroti’s auf einen der Blätter konstatieren konnten! Es war ja das erste Merkmal, unabhängig von unserem subjektiven Dafürhalten, welches bewies, dass das Blatt einmal in den Händen des Meisters gewesen war, und ferner, als wir das Papier als das des Michelangelo gebräuchliche erkannten, als wir die Wasserzeichen identifizierten, als die Beziehungen zu seinen Werken uns nach und nach klar wurden, und endlich, als wir so glücklich waren, eine ganze Serie von alten Kopien heranziehen zu können, unbeholfene, naive, ganz schlechte Nachbildungen, wie ein zwölfjähriges Kind sie machen könnte, aber für uns von unschätzbarem Wert, weil sie nachweislich aus der Casa Buonarroti’s herrührten.
Ich habe gesagt, dass die verächtliche Weise, in der Herr Gronau von diesen »Äusserlichkeiten« spricht, mich am meisten gekränkt hat und komme dadurch zum Unwichtigsten bei dieser Sache, nämlich zu meinem persönlichen Anteil an der Entdeckung. Denn wenn auch ich, was Ferri in seinen einleitenden Bemerkungen deutlich genug erklärt, bei der Nachweisung dieser Zeichnungen einen nicht unwesentlichen Anteil gehabt habe, so lege ich doch am meisten Gewicht auf meine Mitwirkung bei dem Herbeiziehen von Beweisgründen, wodurch wir erst vom vagen ins feste kamen und unsere Vermutungen Überzeugungen wurden (von hundert Blättern, die ein michelangeleskes
Aussehen haben, giebt es kaum eins, das wirklich von seiner Hand stammt)1).
Diese Beweisgründe werden erst später zu Äusserlichkeiten, wie man das Baugerüst, wenn das Gebäude errichtet ist, in einen Haufen schmeisst.
Vom Herzen gönne ich, dass meinem verehrlichen Mitarbeiter, dem ausgezeichneten Leiter des Florentiner Kabinetts, das grösste Verdienst bei diesem Funde zuerkannt wird. Das ist nur billig.
Aber Direktor Ferri hat die betreffenden Zeichnungen in dreissig Jahren unter den Händen gehabt, es sind siebzehn Jahre her, dass er durch die Verwandtschaft geleitet, einen grossen Teil derselben in eine Nummerfolge stellte.
Die Vermutung liegt nahe, dass, wenn die endliche Nachweisung derselben als Werke Michelangelo’s eben in den Zeitraum fiel, wo die ganze ungeheure Sammlung von mir — und zwar zum erstenmal — systematisch durchgeforscht wurde, ich dabei auch meinen kleinen Anteil gehabt habe.
BÜCHERSCHAU
Die königliche Gemäldegalerie zu Kassel. Franz Hanfstängl, Kunstverlag, München. — Ausgabe auf Büttenpapier 150, auf Japanpapier 250 Mk.
Der Band mit 72 Photogravüren, den ich empfehlen möchte, bringt einen Auszug aus dem reichen Bestände der Kasseler Galerie. Die Wahl ist von Otto Eisenmann mit Gerechtigkeit und Geschmack getroffen. Die Reproduktionen geben nicht nur treuen Bericht über die Formen, sie strahlen viel von dem Reize der Originale aus. Die saftigen, leuchtenden Heliogravüren befriedigen ästhetisch am ehesten unter den photomechanischen Abbildungen; Zinkätzungen und auch Lichtdrucke behalten stets etwas Flaches, lehrhaft Ernüchterndes. Freilich hat die vornehme Heliographie ihre besonderen Gefahren. Sie ist nicht stets zuverlässig. Eine misslungene Heliogravüre ist noch weniger wert als ein mittelmässiger Lichtdruck. Gute Tiefätzungen aber, wie sie namentlich von der Berliner Photographischen Gesellschaft und von Franz Hanfstängl ausgeführt werden, sind am Ende das höchste, was die Photomechanik hervorbringt, zumal, wo es sich darum handelt, die Weichheit und das Helldunkel der Malwerke des 17. Jahrhunderts wiederzugeben.
Das Format des Bandes ist gross genug, den Heliogrammen eine stattliche Ausdehnung zu gewähren, doch nicht unhandlich und nicht von jener anmassenden Monumentalität, durch die manche neuere Galeriewerke fast unbenutzbar werden.
Ein kurzer Text geht den Tafeln voran. Otto Eisenmann macht über die Entstehung der Sammlung interessante Angaben. Diese historische Skizze ist umso willkommener, als der grosse, 1888 erschienene, Katalog der Galerie, der eine ausführliche Geschichte der Sammlung enthält, längst vergriffen ist.
Die Kasseler Galerie ist im wesentlichen das Werk eines Fürsten, des Landgrafen Wilhelm VIII. von Hessen, der ein leidenschaftlicher Sammler von entschiedenem Geschmack war. Daher hat sie so einheitlichen Charakter. Als Gouverneur von Maestricht und Breda war dieser Fürst mit dem niederländischen Wesen vertraut geworden und hatte die holländische Kunst liebgewonnen, in einer Zeit, da an den Höfen zumeist der französische Stil massgebend und vorbildlich war. Im Jahre 1760, dem Todes
1) In einem Schreiben vom 23. Juli an mich äussert Professor Ferri sein Befremden darüber, dass man hat»voluto sottilizzare sul minore o maggiore contributo dato da ciascuno
di noi alla identificazione delle carte michelangiolesche <.1) Diese ganz dürftigen, kleinen Reproduktionen!
Die Herren haben sich, meint ferner Dr. Gronau, allzuviel Mühe mit Wasserzeichen, Autographen und anderen »Äusserlichkeiten« gemacht, auch führen sie »das zustimmende Urteil« zweier Autoritäten, A. v. Beckerath’s und B. Berenson’s an. Das eine wie das andere bedarf es nicht. Es genügt, die Reproduktionen1), die sie bringen, zu beachten, um auf den ersten Blick (!) Michelangelo’s gewaltige Hand zu erkennen.« O, so grosse Kenner sind wir nicht! Weder Ferri noch ich und auch nicht Bernhard Berenson.
Wirklich, Herr Doktor, Sie haben an diesen dürftigen Reproduktionen beim ersten Blick die gewaltige Hand erkannt, was Ferri und mir, vor den Originalen, erst nach täglichem anspannenden Studium vieler Monate hindurch gelungen ist.
Und Berenson, dem die Zeichnungen erst, nachdem alle Beweise herbeigeschaffen waren, präsentiert wurden, brauchte drei lange Sitzungen (vor den Originalen), um sich zu überzeugen. Ja, er verhielt sich das erste Mal sehr zurückhaltend und wollte sich weder für noch gegen die Zeichnungen aussprechen. Erst nach einem eingehenden Studium, unterstützt durch ein grosses Vergleichungsmaterial von Photographien, das er für diesen Zweck herbeigeschafft hatte, wagte er für die Zeichnungen sich auszusprechen.
Was mich jedoch bei den Äusserungen Herrn Gronau’s persönlich in besondererWeise kränkt, das ist die verächtliche Weise, womit er die »Äusserlichkeiten«, das heisst die objektiven Merkmale und Kennzeichen, wodurch die Originalität erst bewiesen werden kann, erwähnt.
Naiverweise hiess es in einem Zeitungstelegramm: »Am Sonntag fanden Ferri und Jacobsen« u. s. w., nein, die Zeichnungen wurden nicht an einem Sonntag, auch nicht an zehn Sonntagen gefunden, wie schon bemerkt, haben Ferri und ich mit diesen Blättern monatelang gearbeitet. Welcher Jubel, als wir zum erstenmal die Handschrift Buonarroti’s auf einen der Blätter konstatieren konnten! Es war ja das erste Merkmal, unabhängig von unserem subjektiven Dafürhalten, welches bewies, dass das Blatt einmal in den Händen des Meisters gewesen war, und ferner, als wir das Papier als das des Michelangelo gebräuchliche erkannten, als wir die Wasserzeichen identifizierten, als die Beziehungen zu seinen Werken uns nach und nach klar wurden, und endlich, als wir so glücklich waren, eine ganze Serie von alten Kopien heranziehen zu können, unbeholfene, naive, ganz schlechte Nachbildungen, wie ein zwölfjähriges Kind sie machen könnte, aber für uns von unschätzbarem Wert, weil sie nachweislich aus der Casa Buonarroti’s herrührten.
Ich habe gesagt, dass die verächtliche Weise, in der Herr Gronau von diesen »Äusserlichkeiten« spricht, mich am meisten gekränkt hat und komme dadurch zum Unwichtigsten bei dieser Sache, nämlich zu meinem persönlichen Anteil an der Entdeckung. Denn wenn auch ich, was Ferri in seinen einleitenden Bemerkungen deutlich genug erklärt, bei der Nachweisung dieser Zeichnungen einen nicht unwesentlichen Anteil gehabt habe, so lege ich doch am meisten Gewicht auf meine Mitwirkung bei dem Herbeiziehen von Beweisgründen, wodurch wir erst vom vagen ins feste kamen und unsere Vermutungen Überzeugungen wurden (von hundert Blättern, die ein michelangeleskes
Aussehen haben, giebt es kaum eins, das wirklich von seiner Hand stammt)1).
Diese Beweisgründe werden erst später zu Äusserlichkeiten, wie man das Baugerüst, wenn das Gebäude errichtet ist, in einen Haufen schmeisst.
Vom Herzen gönne ich, dass meinem verehrlichen Mitarbeiter, dem ausgezeichneten Leiter des Florentiner Kabinetts, das grösste Verdienst bei diesem Funde zuerkannt wird. Das ist nur billig.
Aber Direktor Ferri hat die betreffenden Zeichnungen in dreissig Jahren unter den Händen gehabt, es sind siebzehn Jahre her, dass er durch die Verwandtschaft geleitet, einen grossen Teil derselben in eine Nummerfolge stellte.
Die Vermutung liegt nahe, dass, wenn die endliche Nachweisung derselben als Werke Michelangelo’s eben in den Zeitraum fiel, wo die ganze ungeheure Sammlung von mir — und zwar zum erstenmal — systematisch durchgeforscht wurde, ich dabei auch meinen kleinen Anteil gehabt habe.
BÜCHERSCHAU
Die königliche Gemäldegalerie zu Kassel. Franz Hanfstängl, Kunstverlag, München. — Ausgabe auf Büttenpapier 150, auf Japanpapier 250 Mk.
Der Band mit 72 Photogravüren, den ich empfehlen möchte, bringt einen Auszug aus dem reichen Bestände der Kasseler Galerie. Die Wahl ist von Otto Eisenmann mit Gerechtigkeit und Geschmack getroffen. Die Reproduktionen geben nicht nur treuen Bericht über die Formen, sie strahlen viel von dem Reize der Originale aus. Die saftigen, leuchtenden Heliogravüren befriedigen ästhetisch am ehesten unter den photomechanischen Abbildungen; Zinkätzungen und auch Lichtdrucke behalten stets etwas Flaches, lehrhaft Ernüchterndes. Freilich hat die vornehme Heliographie ihre besonderen Gefahren. Sie ist nicht stets zuverlässig. Eine misslungene Heliogravüre ist noch weniger wert als ein mittelmässiger Lichtdruck. Gute Tiefätzungen aber, wie sie namentlich von der Berliner Photographischen Gesellschaft und von Franz Hanfstängl ausgeführt werden, sind am Ende das höchste, was die Photomechanik hervorbringt, zumal, wo es sich darum handelt, die Weichheit und das Helldunkel der Malwerke des 17. Jahrhunderts wiederzugeben.
Das Format des Bandes ist gross genug, den Heliogrammen eine stattliche Ausdehnung zu gewähren, doch nicht unhandlich und nicht von jener anmassenden Monumentalität, durch die manche neuere Galeriewerke fast unbenutzbar werden.
Ein kurzer Text geht den Tafeln voran. Otto Eisenmann macht über die Entstehung der Sammlung interessante Angaben. Diese historische Skizze ist umso willkommener, als der grosse, 1888 erschienene, Katalog der Galerie, der eine ausführliche Geschichte der Sammlung enthält, längst vergriffen ist.
Die Kasseler Galerie ist im wesentlichen das Werk eines Fürsten, des Landgrafen Wilhelm VIII. von Hessen, der ein leidenschaftlicher Sammler von entschiedenem Geschmack war. Daher hat sie so einheitlichen Charakter. Als Gouverneur von Maestricht und Breda war dieser Fürst mit dem niederländischen Wesen vertraut geworden und hatte die holländische Kunst liebgewonnen, in einer Zeit, da an den Höfen zumeist der französische Stil massgebend und vorbildlich war. Im Jahre 1760, dem Todes
1) In einem Schreiben vom 23. Juli an mich äussert Professor Ferri sein Befremden darüber, dass man hat»voluto sottilizzare sul minore o maggiore contributo dato da ciascuno
di noi alla identificazione delle carte michelangiolesche <.1) Diese ganz dürftigen, kleinen Reproduktionen!