oft er gepocht hatte so viel Tote barg das Haus am nächsten Morgen. Da erschien in höchster Not einem heiligen Einsiedler ein Engel und that ihm kund, dass die Pest erst aufhören würde, wenn man dem hl. Sebastian in S. Pietro in Vincoli einen Altar gestiftet hätte. Alles das ist in dem Fresko dargestellt: im Vordergründe rechts der Todeszug des Engels und Dämonen durch die Strassen, im Hintergründe die Vision des Einsiedlers, seine Wanderschaft nach Rom und endlich sein feierlicher Empfang in der Peterskirche, welche durch die Statuen der Apostelfürsten unten an der Treppe aufs deutlichste gekennzeichnet ist.
Wie bekannt, wird das damals gestiftete Mosaikbild des hl. Sebastian, welches einst genau den Platz des Fresko behauptete, noch heute am ersten Altar im linken Querschiff von S. Pietro in Vincoli verehrt 1), und dieser hl. Sebastian ist es gewesen, welchen die Gläubigen seitdem in allen Pestilenzgefahren um Hilfe angerufen haben.
Aus dem geschlossenen Zusammenhänge der Schilderung dieser ehrwürdigen Legende, wie sie das Fresko erzählt, fällt nur die feierliche Prozession mit dem Madonnenbilde heraus, und wir sagen uns sofort, dass sie im Zusammenhänge mit jüngeren Ereignissen stehen muss, welche die Entstehung des Gemäldes überhaupt veranlasst haben, das sich, wie der hl. Sebastian selbst, sofort als Votivgemälde zu erkennen giebt. Wann das Fresko gemalt wurde lehrt uns schon das Auge erkennen. Es ist die Arbeit eines römischen Meisters aus der zweiten Hälfte des Quattrocento, und es wurde sicherlich zu einer Zeit gemalt, in welcher die Stadt Rom von ähnlicher Seuche heimgesucht wurde, wie im Jahre 682 unter Papst Agathon.
Das war nun im Sommer 1476 der Fall, wie uns folgende Aufzeichnung im Diarium des Stefano Infessura 2) lehrt: »Und dann am sechsten des Monatsjuli wurde wegen der grossen Pest angeordnet, Prozessionen durch Rom zu veranstalten, und das ehrwürdige Bild Unserer Frau von S. Maria Maggiore wurde mit grosser Andacht umhergetragen«. Der Papst hatte Rom schon im Juni verlassen, und er kehrte erst Ende Oktober zurück 3), um, wie es scheint, sofort in seiner alten Titelkirche das Fresko der Pestilenz als Votivbild zu stiften, wenig früher als die Bronzethüren am Altar der Ketten Petri, welche im folgenden Jahre vollendet wurden 4). Die Prozession also, welche die Schilderung der Pestlegende unterbricht, erhält durch die Worte Infessuras sofort ihre Erklärung, vor allem wenn wir sehen, dass hoch über der vielköpfigen Menge in der That das Bild der
1) Abb. ebenfalls bei Ciampini a. a. O. Tav. XXX11I. 2) Ed. Tommasini (Roma 1890) p. 81.
3) Pastor, Geschichte der Päpste (2. Aufl.) II, p. 494. 4) Der Altar der Ketten war übrigens früher nicht wie heute der Hochaltar, sondern er stand ursprünglich an der Stelle, an welcher sich jetzt das Grabmal Julius’ II. erhebt. Vgl. den Brief des Giov. Maria Deila Porta an den Herzog von Urbino bei Gotti, Vita di Michelangelo Buonarotti II, 80.
Madonna von S. Maria Maggiore schwebt. Dass aber dies Bild eine Stiftung Seiner Heiligkeit, wird durch den Umstand erhärtet, dass der Papst die Züge Sixtus’ IV. trägt, welche uns aus den Fresken Raffael’s in den Stanzen und Melozzos in der Bibliothek so wohl bekannt sind 1).
Damit wären Deutung, Entstehung und Stifter des Freskobildes erbracht. Es erübrigt uns noch, nach seinem Schöpfer zu fragen. Wie gesagt, der künstlerische Wert des Gemäldes ist gering, und bei dem schlechten Zustande seiner Erhaltung wirkt es wenig erfreulich. Trotzdem verrät es in der kunstvollen Perspektive und der geschickten Art, wie die verschiedensten Elemente zu einem Ganzen verbunden sind, die Hand eines viel geübten Meisters. Sollte hier nicht Antonazzo Romano in seine Rechte treten, welcher gerne die auch hier unverkennbaren umbrischen Einflüsse auf sich wirken Hess, und gerade damals in Rom im Dienste Sixtus’ IV. und seiner Kardinäle thätig war? 2) Man würde diese Behauptung noch mit mehr Nachdruck vertreten können und vor allem für die Gruppe des Papstes mit seinen Kardinälen einen Vergleich mit den Auditoren der Rota in der Madonna della Rota des Antoniazzo empfehlen können, wenn das Fresko nicht so kläglich zugerichtet worden wäre. Wie wir es heute vor uns sehen, muss es vor allem merkwürdig erscheinen durch die historischen Beziehungen und durch die verhältnismässig gut erhaltene Porträtdarstellung Sixtus’ IV. Was die Autorschaft anlangt wird man schwerlich gegen die Herkunft aus der Werkstatt Antonazzo’s Einsprache erheben, dem vor kurzem noch mit Recht ein anderes wohlerhaltenes Freskogemälde in Rom in San Modesto e Vito zugesprochen worden ist 3).
BÜCHERSCHAU
Hugo Schmerber, Studie über das deutsche Schloss und Bürgerhaus im 17. und 18. Jahrhundert (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 35). Strassburg, J. H. Ed. Heitz, 1902.
Man hatte sich lange daran gewöhnt, das Deutschland des 17. und 18. Jahrhunderts in seinen künstlerischen Äusserungen im wesentlichen als einen Tummelplatz fremder Ideen anzusehen, die wohl hier und da einmal Wurzel schlagen, selten aber einem kräftigen Eigengewächs Raum gönnen. Auch die vorliegende Arbeit kann in vielen Punkten nur die Abhängigkeit des Geleisteten von Frankreich und Italien feststellen. Grundriss und Dekoration werden ziemlich konsequent getrennt beobachtet, ohne dass die wichtigen Verbindungsglieder da, wo es not thut, übersehen würden. Die Kenntnis der Denkmäler ist
1) Hier wie auf mehreren anderen Bildnissen erscheint Sixtus IV. mit weissen Bartstoppeln um Mund und Kinn.
2) Vgl. Steinmann, Die Sixtinische Kapelle I, p. 71—74, wo die umfangreiche Litteratur über Antonazzo Romano zusammengestellt ist.
3) Vgl. die Studie von Diego Angeli, Un affresco inedito di Antoniazzo Romano in l’Arte V (1902), p. 333. Gleichzeitig wurde das Fresko auch von Federigo Hermanin und von mir selbst aufgefunden und in dem jetzt unterdrückten Teile dieses schon im vergangenen Jahre verfassten Manuskriptes dem Antoniazzo zugeschrieben.
Wie bekannt, wird das damals gestiftete Mosaikbild des hl. Sebastian, welches einst genau den Platz des Fresko behauptete, noch heute am ersten Altar im linken Querschiff von S. Pietro in Vincoli verehrt 1), und dieser hl. Sebastian ist es gewesen, welchen die Gläubigen seitdem in allen Pestilenzgefahren um Hilfe angerufen haben.
Aus dem geschlossenen Zusammenhänge der Schilderung dieser ehrwürdigen Legende, wie sie das Fresko erzählt, fällt nur die feierliche Prozession mit dem Madonnenbilde heraus, und wir sagen uns sofort, dass sie im Zusammenhänge mit jüngeren Ereignissen stehen muss, welche die Entstehung des Gemäldes überhaupt veranlasst haben, das sich, wie der hl. Sebastian selbst, sofort als Votivgemälde zu erkennen giebt. Wann das Fresko gemalt wurde lehrt uns schon das Auge erkennen. Es ist die Arbeit eines römischen Meisters aus der zweiten Hälfte des Quattrocento, und es wurde sicherlich zu einer Zeit gemalt, in welcher die Stadt Rom von ähnlicher Seuche heimgesucht wurde, wie im Jahre 682 unter Papst Agathon.
Das war nun im Sommer 1476 der Fall, wie uns folgende Aufzeichnung im Diarium des Stefano Infessura 2) lehrt: »Und dann am sechsten des Monatsjuli wurde wegen der grossen Pest angeordnet, Prozessionen durch Rom zu veranstalten, und das ehrwürdige Bild Unserer Frau von S. Maria Maggiore wurde mit grosser Andacht umhergetragen«. Der Papst hatte Rom schon im Juni verlassen, und er kehrte erst Ende Oktober zurück 3), um, wie es scheint, sofort in seiner alten Titelkirche das Fresko der Pestilenz als Votivbild zu stiften, wenig früher als die Bronzethüren am Altar der Ketten Petri, welche im folgenden Jahre vollendet wurden 4). Die Prozession also, welche die Schilderung der Pestlegende unterbricht, erhält durch die Worte Infessuras sofort ihre Erklärung, vor allem wenn wir sehen, dass hoch über der vielköpfigen Menge in der That das Bild der
1) Abb. ebenfalls bei Ciampini a. a. O. Tav. XXX11I. 2) Ed. Tommasini (Roma 1890) p. 81.
3) Pastor, Geschichte der Päpste (2. Aufl.) II, p. 494. 4) Der Altar der Ketten war übrigens früher nicht wie heute der Hochaltar, sondern er stand ursprünglich an der Stelle, an welcher sich jetzt das Grabmal Julius’ II. erhebt. Vgl. den Brief des Giov. Maria Deila Porta an den Herzog von Urbino bei Gotti, Vita di Michelangelo Buonarotti II, 80.
Madonna von S. Maria Maggiore schwebt. Dass aber dies Bild eine Stiftung Seiner Heiligkeit, wird durch den Umstand erhärtet, dass der Papst die Züge Sixtus’ IV. trägt, welche uns aus den Fresken Raffael’s in den Stanzen und Melozzos in der Bibliothek so wohl bekannt sind 1).
Damit wären Deutung, Entstehung und Stifter des Freskobildes erbracht. Es erübrigt uns noch, nach seinem Schöpfer zu fragen. Wie gesagt, der künstlerische Wert des Gemäldes ist gering, und bei dem schlechten Zustande seiner Erhaltung wirkt es wenig erfreulich. Trotzdem verrät es in der kunstvollen Perspektive und der geschickten Art, wie die verschiedensten Elemente zu einem Ganzen verbunden sind, die Hand eines viel geübten Meisters. Sollte hier nicht Antonazzo Romano in seine Rechte treten, welcher gerne die auch hier unverkennbaren umbrischen Einflüsse auf sich wirken Hess, und gerade damals in Rom im Dienste Sixtus’ IV. und seiner Kardinäle thätig war? 2) Man würde diese Behauptung noch mit mehr Nachdruck vertreten können und vor allem für die Gruppe des Papstes mit seinen Kardinälen einen Vergleich mit den Auditoren der Rota in der Madonna della Rota des Antoniazzo empfehlen können, wenn das Fresko nicht so kläglich zugerichtet worden wäre. Wie wir es heute vor uns sehen, muss es vor allem merkwürdig erscheinen durch die historischen Beziehungen und durch die verhältnismässig gut erhaltene Porträtdarstellung Sixtus’ IV. Was die Autorschaft anlangt wird man schwerlich gegen die Herkunft aus der Werkstatt Antonazzo’s Einsprache erheben, dem vor kurzem noch mit Recht ein anderes wohlerhaltenes Freskogemälde in Rom in San Modesto e Vito zugesprochen worden ist 3).
BÜCHERSCHAU
Hugo Schmerber, Studie über das deutsche Schloss und Bürgerhaus im 17. und 18. Jahrhundert (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 35). Strassburg, J. H. Ed. Heitz, 1902.
Man hatte sich lange daran gewöhnt, das Deutschland des 17. und 18. Jahrhunderts in seinen künstlerischen Äusserungen im wesentlichen als einen Tummelplatz fremder Ideen anzusehen, die wohl hier und da einmal Wurzel schlagen, selten aber einem kräftigen Eigengewächs Raum gönnen. Auch die vorliegende Arbeit kann in vielen Punkten nur die Abhängigkeit des Geleisteten von Frankreich und Italien feststellen. Grundriss und Dekoration werden ziemlich konsequent getrennt beobachtet, ohne dass die wichtigen Verbindungsglieder da, wo es not thut, übersehen würden. Die Kenntnis der Denkmäler ist
1) Hier wie auf mehreren anderen Bildnissen erscheint Sixtus IV. mit weissen Bartstoppeln um Mund und Kinn.
2) Vgl. Steinmann, Die Sixtinische Kapelle I, p. 71—74, wo die umfangreiche Litteratur über Antonazzo Romano zusammengestellt ist.
3) Vgl. die Studie von Diego Angeli, Un affresco inedito di Antoniazzo Romano in l’Arte V (1902), p. 333. Gleichzeitig wurde das Fresko auch von Federigo Hermanin und von mir selbst aufgefunden und in dem jetzt unterdrückten Teile dieses schon im vergangenen Jahre verfassten Manuskriptes dem Antoniazzo zugeschrieben.