schwindet eine der vornehmsten, edelsten Persönlichkeiten, die im Getriebe Berlins auf hervorragendem Posten standen, und wenn er auch die Siebzig bald erreicht hätte, so sinken immer noch große Zukunftshoffnungen mit ihm ins Grab. March war es, der zuerst die Bedeutung der modernen Städtebaugedanken für das größte deutsche Gemeinwesen erkannt hat. Der Wettbewerb »Groß-Berlinund die Städtebauausstellung von 1910 in der Charlottenburger Hochschule verdankten letzten Endes ihre Entstehung ihm allein, der auch mit seinen reichen privaten Mitteln eingriff, um diese Unternehmungen durchzuführen. Die anregende Kraft, die daraus hervorwuchs, hat in den letzten Jahren Künstlerschaft wie Publikum und Behörden in Berlin nachhaltig befruchtet, und wenn auch die unleidlichen Großberliner Verhältnisse es verschuldet haben, daß bisher nur wenige positive Resultate aus solcher Tätigkeit entstanden sind, so ist doch die Überzeugung allgemein, daß früher oder später sich die natürliche Macht der von March verfochtenen Ideen ihr Recht erkämpfen muß und wird. In seiner ruhigen Art, die doch so überzeugend und fortreißend wirkte, hat der Heimgegangene mit zäher Energie das einmal Begonnene weitergeführt. Aus jenem Wettbewerb und der Ausstellung, die seine Folge war, ging der Ausschuß städtebaulicher Idealisten hervor, die »Zwölfer-Gruppe«, deren Haupt und Seele March war, und deren unermüdlicher Propaganda es zu danken ist, daß das Monstregebilde des Großberliner Zweckverbandes wenigstens einen städtebaulichen Berater erhielt. In Berlin muß jeder Fortschritt auf künstlerischem Gebiete Schritt um Schritt in schwerem Ringen erkämpft werden. Das wußte March, und er legte nicht entmutigt die Hände in den Schoß, wenn die hohen Ziele, die er sich gesteckt hatte, nicht gleich im ersten Anlauf erreicht waren. Sein hoher Sinn für die umfassenden Aufgaben der Baukunst in unseren Tagen wollte niemals beim Einzelnen stehen bleiben, sondern alles in den Zusammenhang großer Gedanken fügen. Das bewies er auch in seinem Entwurf für das neue Berliner Opernhaus am Königsplatz, der zugleich die einheitliche Umgestaltung des ganzen Stadtbildes an jener Stelle ins Auge faßte. Allgemein war die Überzeugung, daß dies Projekt am ehesten die Erwartungen erfüllen würde, die man an den neuen Monumentalbau knüpft, und man wollte es sich nicht anders vorstellen, als daß das preußische Arbeitsministerium Otto March zur weiteren Bearbeitung des bedeutenden Planes heranziehen würde. Ob das jetzt noch geschehen wird, ist leider zweifelhaft genug, obschon man sich denken könnte, daß einer von Marchs Freunden oder Schülern in pietätvoller Arbeit seinen Entwurf zur Ausführung bringen könnte. Aber wird es geschehen? So hat uns vor allem auch nach dieser Hinsicht der Tod des verehrten Mannes um eine Hoffnung betrogen. Die zweite Aufgabe, der sich March in der letzten Zeit vornehmlich widmete, war die Vollendung des Stadions im Grunewald. Er war von einer Erholungsfahrt nach Italien, die wohl gerade die aufreibende Arbeit am Opernhausentwurf und die noch aufreibenderen Diplomatien, besser Intrigen des wenig sympathischen Konkurrenzverfahrens nötig gemacht hatten, erst vor kurzem zurückgekehrt, um dem Kaiser über den dem Abschluß nahen Stadionbau Vortrag zu halten. Schon vor seiner Abreise hatten die Freunde Marchs an ihm eine auffallende und besorgniserregende Ermattung bemerkt, die aber fast wieder geschwunden schien. Nun machte sich, unmittelbar nach jenem Vortrag, die Erschöpfung aufs neue geltend; er vermochte ihr nicht mehr Widerstand zu leisten. Das Opernhausprojekt war in mancher Hinsicht bezeichnend für Marchs Art, die weniger durch positive architektonische Leistungen als durch die Ehrlich
keit und Reinheit der Gesinnung Eindruck machte. Auch sonst hat er als ausführender Baumeister nicht gerade schöpferisch gewirkt, aber doch immer die Entwicklung auf den besten Wegen fördern helfen. March war ein echter Berliner, der wohl gerade darum auch für die Schicksale der Stadt so lebhaftes Interesse besaß, ln Charlottenburg wurde er am 7. Oktober 1845 als Sohn Ernst Marchs, des Begründers einer bekannten keramischen Fabrik, nach dem die »Marchstraße« am Knie ihren Namen trägt, geboren. Seine Ausbildung in den Bauakademien von Berlin und Wien ergänzte er durch vielfache Reisen im Ausland. Nach dem französischen Kriege, den er als junger Reserveoffizier mitgemacht, ließ er sich als Privatarchitekt nieder. Wichtig ward namentlich sein Wirken für den protestantischen Kirchenbau, den er durch Tat und Schrift von der schematischen Stilarchitektur der früheren Jahrzehnte zu befreien suchte. In Eisenach, Osnabrück und Duisburg sowie sonst im Rheinland baute er Gotteshäuser, die vielfach neue Anregungen gaben. In Berlin übernahm er den Umbau des französischen Doms auf dem Gendarmen-Markt, der mit feinem Verständnis die Bauart des alten Kirchleins von 1701 in modernem Geiste erneuerte, wie überhaupt die moderne Fortführung lebensfähiger Überlieferungen zu seinem Programm gehörte. Besonders glückte ihm der hübsche Bau der Amerikanischen Kirche am Berliner Nollendorfplatz mit leisen, nicht pedantischen Anklängen an die englische Gotik, die wiederum aus zeitgenössischer Anschauung verwertet wurde. Daneben interessierte March der Theaterbau, auch hier im Sinne großer architektonischer Ideen. Der Gedanke des Volkstheaters beherrschte ihn, und was er vor langer Zeit in der Festspielhalle zu Worms begonnen hatte, hätte er am liebsten für Max Reinhardts »Theater der Tausende« fortgeführt und in größtem Maßstabe ausgestaltet. Auch als Rennbahnarchitekt hat March Außerordentliches geleistet. Seine vorbildlichen Anlagen in Köln, Hamburg, Breslau und die im Berliner Grunewald, die nun durch das Stadion gekrönt werden soll, geben davon Kunde. Dazwischen entstanden Geschäfts- und Wohnhäuser und vor allem Landhäuser von reifem Geschmack und sicherer künstlerischer Haltung. Aber alle diese Einzelheiten ergäben addiert noch nicht das rechte Bild von Marchs liebenswerter, von wahrem Idealismus erfüllter Persönlichkeit, die auf die Zeitgenossen anspornend und aufrichtend wirkte, und der nachzueifern ein Ziel für die Überlebenden sein wird. — March war Mitglied der Akademie des Bauwesens und Dr. ing. hon. c. (von der Technischen Hochschule zu Darmstadt dazu ernannt). Inder Kommission für die Architekturabteilung der Berliner Kunstausstellung dieses Sommers führte er den Vorsitz; an seine Stelle ist nun Wilhelm Brurein gewählt worden.
In Nemours ist im Alter von 62 Jahren der Maler Louis Maurice Boutet de Monvel gestorben, den man nicht mit zwei oder drei anderen Malern des gleichen Namens verwechseln darf. Der Gestorbene war sozusagen das Haupt und der Gründer des gleichnamigen Künstlergeschlechtes, die anderen sind jüngere Vettern, Neffen und Söhne von ihm. Boutet de Monvel stellte seit 1873 im Salon des Artistes fran?ais aus und hatte sich zunächst durch die Bildnisse bekannter Zeitgenossen bekannt gemacht. Er stellte die Porträts von berühmten Schauspielern des Theätre fran^ais aus. Zur Zeit des Kampfes um Dreyfus mußte er eine Apotheose Zolas aus dem Salon zurückziehen. Am bekanntesten wurde er aber als Illustrator von Kinderbüchern, deren eines Anatole France verfaßt hatte. Dann hat er einen ganzen Gemäldezyklus für Jeanne d’Arc geschaffen, wovon einige in der Kirche des Geburtsortes der Nationalheldin zu Domremy hängen.