KUNSTCHRONIK
Neue Folge. XXIV. Jahrgang 1.912/1913 Nr. 29. 18. April 1913
Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark. Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11a. Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.
WIE WURDE CUYP WÄHREND SEINES LEBENS GESCHÄTZT?
[Von A. Bredius
Diese Frage glaube ich beantworten zu können: fast gar nicht! Freilich lobt Houbraken ihn sehr. Er erwähnt die Bilder jeden Genres, die er von ihm gesehen hat; sagt aber fast nichts über sein Leben und läßt ihn 1605 anstatt 1620 geboren werden. Dabei spricht er über eine Anzahl ganz obskurer Dordrechter Künstler mit beinahe ganz ähnlichen Worten des Lobes.
Seit langer Zeit in den Dordrechter Notariatsakten arbeitend, komme ich zu folgendem Resultat:
Aelbert Cuyp war durch seine Heirat in seinem 38. Lebensjahre, 1658, mit einer sehr reichen Witwe ein vermögender Mann geworden. Nie wird er »Schilder« (Maler) in den Akten genannt; sehr bald heißt er: de Heer Aelbert Cuyp, und es wird irgend ein Amt, das er bekleidete, hinter seinen Namen gesetzt. Nie handeln die Akten von Kunst. Fast ausschließlich sind es Pachtverträge über Land, Weideland, kultivierte Ländereien. Das alles verpachtet er im Namen seiner Frau. Nur in den Testamenten, die das Ehepaar immer getrennt macht, wird geredet von den »Bildern, welche Aelbert Cuyp während der Ehe gemalt hat und noch malen wird.« Die ganze Sammlung soll dem Überlebenden gehören. Es ist nicht unmöglich, daß Cuyp nach seiner Heirat nicht mehr für den Kunsthandel gemalt hat, so daß er sein Haus wohl voller Bilder hatte. Leider existiert kein Inventar seines Nachlasses. Seine einzige Tochter, Arendina Cuyp, erbte das ganze Mobiliar und natürlich auch alle Bilder. Sie war mit einem ansehnlichen und auch vermögenden Herrn, Pieter Onderwater, verheiratet. Bis jetzt habe ich auch nach seinem Nachlaß vergeblich gesucht.
Ich hoffe seinerzeit in Oud Holland die ziemlich zahlreichen Dokumente, die ich zusammengebracht, im Originaltext, wenn auch abgekürzt, zu veröffentlichen. ;HierJnur, was zur obigen Frage dient.
Es ist auffallend, daß im 17. Jahrhundert — Cuyp starb 1691 — außerhalb Dordrecht fast nie ein Bild von Cuyp in Inventaren oder Auktionen vorkommt. In Dordrecht dagegen findet man sie, aber, wenn eine Taxation vorliegt, gehören sie zu den am niedrigsten geschätzten Bildern. Hier einige Beispiele:
1660. Nachlaß Gillis van Hemert, Dordrecht: zwei Landschaften von Cuyp fl. 18.— (NB. eine Landschaft von dem obskuren Uyttens fl. 30.—, Stilleben von Susenier fl. 16.—, fl. 18.— usw.).
1671. Nachlaß der Witwe von Willem Heyblom, Dordrecht: eine Reiterschlacht von Alb. Cuyp fl. 15.—,
eine solche von Benjamin Cuyp fl. 15.—, etn Bild von Aelbert Cuyp fl. 20.—, eine Beschneidung von Benj. Cuyp fl. 25.—■, eine Kopie nach Ostade fl. 20.—.
1675. Sammlung der Witwe von Arent Dichters, Dordrecht: das große berühmte Bild: ein Rendez-vous von Schiffen vor Nimwegen von Albert Cuyp fl. 80.—-1), eine Kirmes von Vinckboons fl. 100.—, eine Kreuzabnahme von Dirck van der Lisse! fl. 72.— (interessant hier die Familienporträts, das Ehepaar, als Tobias, seine junge Frau heimbringend von Fabritius [welchem?] fl. 80.—), die drei Könige von Benj. Cuyp fl. 60.— (ein solches Bild war im Londoner^Kunsthandel mit einer falschen Rembrandt- Signatur).
1676. Sammlung Adr. van Slingelandt, Dordrecht: ein ruhiges Wasser mit der Stadt Dordrecht von Abraham (man lese Aelbert) Cuyp: fl. 20.—, ein Bild mit der Belagerung von Breda von A. Cuyp fl. 18.—.
Weithin das wichtigste Dokument ist der Katalog der Sammlung des reichen Kunstliebhabers Aart Teggers, 1688, Dordrecht. Dieser Herr warein klein wenig Kenner. Hier und dort macht er eine kritische Bemerkung. Z. B. Paris-Urteil von Willaart (er meint Verwilt!) »een discipel van Poelenburchfl. 12.—, ein Bild von Cuylenburch, »ein Schüler von Poelenburch«. Zwei Pferde von Aelbert Cuyp! .... fl. 10.—, zwei kleine Stücke von Cuyp, Wasserlandschaften .... fl. 6.—, zwei Stücke von Aelbert Cuyp, die Vorder- und Rückenansicht der »Doelen« — des Schützengebäudes — fl. 31.—, die Taufe des Mohren von A. Cuyp fl. 20.—, die Geschichte von Joseph von Aelbert Cuyp fl. 16.—, dann aber eine Plünderung oder Bataille von Wouwerman fl. 200.—, zwei Bilder von Poelenburgh fl. 100.—, ein Pferdlein von Wouwerman fl. 60.—, zwei Stücklein von de Heem fl. 50.—, eine Landschaft von Jan van Goyen fl. 30.—, der Fischmarkt von Antwerpen/von Joachim Beuckelaer fl. 80.—. Diese Zahlen sind vielsagend. Natürlich werden kleine Meister auch niedrig taxiert. Unter den mir unbekannten Malern kommen vor Mr. Jockus (Landschaften mit Tieren), Blumenstücke von dem Dordrechter Maler Pieter Schuyten fl. 3.— und fl. 6.—, und Bilder eines Malers, der abwechselnd Chiappel und Choppel geschrieben wird. Was mag: eenstuck van Chiattem (Chatham) in Goldrahmen von Fabritius gewesen sein? Wahrscheinlich war das doch Barent Fabritius!
1) Das berühmte Bild in Bridgewater House, jetzt
Hunderttausende wert!
Neue Folge. XXIV. Jahrgang 1.912/1913 Nr. 29. 18. April 1913
Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark. Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11a. Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.
WIE WURDE CUYP WÄHREND SEINES LEBENS GESCHÄTZT?
[Von A. Bredius
Diese Frage glaube ich beantworten zu können: fast gar nicht! Freilich lobt Houbraken ihn sehr. Er erwähnt die Bilder jeden Genres, die er von ihm gesehen hat; sagt aber fast nichts über sein Leben und läßt ihn 1605 anstatt 1620 geboren werden. Dabei spricht er über eine Anzahl ganz obskurer Dordrechter Künstler mit beinahe ganz ähnlichen Worten des Lobes.
Seit langer Zeit in den Dordrechter Notariatsakten arbeitend, komme ich zu folgendem Resultat:
Aelbert Cuyp war durch seine Heirat in seinem 38. Lebensjahre, 1658, mit einer sehr reichen Witwe ein vermögender Mann geworden. Nie wird er »Schilder« (Maler) in den Akten genannt; sehr bald heißt er: de Heer Aelbert Cuyp, und es wird irgend ein Amt, das er bekleidete, hinter seinen Namen gesetzt. Nie handeln die Akten von Kunst. Fast ausschließlich sind es Pachtverträge über Land, Weideland, kultivierte Ländereien. Das alles verpachtet er im Namen seiner Frau. Nur in den Testamenten, die das Ehepaar immer getrennt macht, wird geredet von den »Bildern, welche Aelbert Cuyp während der Ehe gemalt hat und noch malen wird.« Die ganze Sammlung soll dem Überlebenden gehören. Es ist nicht unmöglich, daß Cuyp nach seiner Heirat nicht mehr für den Kunsthandel gemalt hat, so daß er sein Haus wohl voller Bilder hatte. Leider existiert kein Inventar seines Nachlasses. Seine einzige Tochter, Arendina Cuyp, erbte das ganze Mobiliar und natürlich auch alle Bilder. Sie war mit einem ansehnlichen und auch vermögenden Herrn, Pieter Onderwater, verheiratet. Bis jetzt habe ich auch nach seinem Nachlaß vergeblich gesucht.
Ich hoffe seinerzeit in Oud Holland die ziemlich zahlreichen Dokumente, die ich zusammengebracht, im Originaltext, wenn auch abgekürzt, zu veröffentlichen. ;HierJnur, was zur obigen Frage dient.
Es ist auffallend, daß im 17. Jahrhundert — Cuyp starb 1691 — außerhalb Dordrecht fast nie ein Bild von Cuyp in Inventaren oder Auktionen vorkommt. In Dordrecht dagegen findet man sie, aber, wenn eine Taxation vorliegt, gehören sie zu den am niedrigsten geschätzten Bildern. Hier einige Beispiele:
1660. Nachlaß Gillis van Hemert, Dordrecht: zwei Landschaften von Cuyp fl. 18.— (NB. eine Landschaft von dem obskuren Uyttens fl. 30.—, Stilleben von Susenier fl. 16.—, fl. 18.— usw.).
1671. Nachlaß der Witwe von Willem Heyblom, Dordrecht: eine Reiterschlacht von Alb. Cuyp fl. 15.—,
eine solche von Benjamin Cuyp fl. 15.—, etn Bild von Aelbert Cuyp fl. 20.—, eine Beschneidung von Benj. Cuyp fl. 25.—■, eine Kopie nach Ostade fl. 20.—.
1675. Sammlung der Witwe von Arent Dichters, Dordrecht: das große berühmte Bild: ein Rendez-vous von Schiffen vor Nimwegen von Albert Cuyp fl. 80.—-1), eine Kirmes von Vinckboons fl. 100.—, eine Kreuzabnahme von Dirck van der Lisse! fl. 72.— (interessant hier die Familienporträts, das Ehepaar, als Tobias, seine junge Frau heimbringend von Fabritius [welchem?] fl. 80.—), die drei Könige von Benj. Cuyp fl. 60.— (ein solches Bild war im Londoner^Kunsthandel mit einer falschen Rembrandt- Signatur).
1676. Sammlung Adr. van Slingelandt, Dordrecht: ein ruhiges Wasser mit der Stadt Dordrecht von Abraham (man lese Aelbert) Cuyp: fl. 20.—, ein Bild mit der Belagerung von Breda von A. Cuyp fl. 18.—.
Weithin das wichtigste Dokument ist der Katalog der Sammlung des reichen Kunstliebhabers Aart Teggers, 1688, Dordrecht. Dieser Herr warein klein wenig Kenner. Hier und dort macht er eine kritische Bemerkung. Z. B. Paris-Urteil von Willaart (er meint Verwilt!) »een discipel van Poelenburchfl. 12.—, ein Bild von Cuylenburch, »ein Schüler von Poelenburch«. Zwei Pferde von Aelbert Cuyp! .... fl. 10.—, zwei kleine Stücke von Cuyp, Wasserlandschaften .... fl. 6.—, zwei Stücke von Aelbert Cuyp, die Vorder- und Rückenansicht der »Doelen« — des Schützengebäudes — fl. 31.—, die Taufe des Mohren von A. Cuyp fl. 20.—, die Geschichte von Joseph von Aelbert Cuyp fl. 16.—, dann aber eine Plünderung oder Bataille von Wouwerman fl. 200.—, zwei Bilder von Poelenburgh fl. 100.—, ein Pferdlein von Wouwerman fl. 60.—, zwei Stücklein von de Heem fl. 50.—, eine Landschaft von Jan van Goyen fl. 30.—, der Fischmarkt von Antwerpen/von Joachim Beuckelaer fl. 80.—. Diese Zahlen sind vielsagend. Natürlich werden kleine Meister auch niedrig taxiert. Unter den mir unbekannten Malern kommen vor Mr. Jockus (Landschaften mit Tieren), Blumenstücke von dem Dordrechter Maler Pieter Schuyten fl. 3.— und fl. 6.—, und Bilder eines Malers, der abwechselnd Chiappel und Choppel geschrieben wird. Was mag: eenstuck van Chiattem (Chatham) in Goldrahmen von Fabritius gewesen sein? Wahrscheinlich war das doch Barent Fabritius!
1) Das berühmte Bild in Bridgewater House, jetzt
Hunderttausende wert!