KUNSTCHRONIK
Neue Folge. XXIV. j... gang 1912/1913 Nr. 30. 25. April 1913
Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark. Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Qewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a. Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.
WARSCHAUER BRIEF
Von nun ab sollen in der »Kunstchronik« auch die Nachrichten aus dem Warschauer Kunstleben nicht fehlen. Um dem deutschen Leser in diesem ihm gewiß fremden Gebiete eine Orientierung zu bieten, wollen folgende Zeilen die Organisation des Warschauer Kunstlebens kurz skizzieren.
Das Städtische Museum der schönen Künste enthält eine reiche Galerie der alten Meister, darunter viele Werke von hoher Qualität. Das Museum ist nur provisorisch und teilweise aufgestellt: der Bau eines großen Museumsgebäudes soll noch im Laufe dieses Jahres in Angriff genommen werden. Der Katalog der aufgestellten Bilder ist von Professor Weloriski, Direktor des Museums, verfaßt. Die Bilder des Museums sind eingehender beschrieben worden in der Zeitschrift für bildende Kunst, N. F. XXI, Heft io. Das Museum besitzt außerdem eine noch von dem letzten polnischen König begründete Sammlung der Gipsabgüsse, im Universitätsgebäude aufgestellt.
Das städtische Museum enthält nur einen Teil der in Warschau aufbewahrten Werke der alten Kunst, die übrigen sind Privatbesitz. Warschauer Privatsammlungen sind teils geerbte Sammlungen alter Familien, teils im Wachstum begriffene Sammlungen neueren Ursprungs. Zu den ersteren gehört z. B. die ausgezeichnete gräflich Branickische Bildergalerie (mit Werken von Hals, Teniers, Bol, Francia, Chardin, Greuze u. a.) oder die Sammlungen der Fideikomißherrschaft Zamoyski, bestehend aus einer Bildergalerie (darin Werke von Hals; Clouet u. a.) und einem Museum, wo verschiedene Kunstgegenstände, Waffen, Porzellan, Gläser, Miniaturen, seltene LimusinerT eller u. a. aufbewahrt werden. Hierher gehört auch das in unmittelbarer Nähe von Warschau gelegene, von König Jan III. erbaute Schloß Wilanöw, jetzt Privatbesitz des Grafen Xawery Branicki. Das Schloß ist den Besuchern stets zugänglich; es enthält die prachtvoll erhaltene innere Einrichtung aus der Zeit des Königs, eine reiche Porträtsammlung, eine Bildergalerie, eine große Sammlung der Handzeichnungen und eine der größten und ältesten Sammlungen der japanischen Kunst in Europa.
Das heutige Sammeln in Warschau bezieht sich hauptsächlich auf Gegenstände polnischer Kunst, die, durch ungünstige Bedingungen selten geworden, jetzt sehr gesucht sind und hohe Marktpreise erlangen. Hier sind vor allem die sehr vielseitigen und zugleich sehr gewählten Sammlungen von W. Kolasinski, G. Soubise-Bisier und namentlich von A. Strzalecki zu nennen. Daneben steht eine Anzahl speziellerer Sammlungen: Sammlungen des polnischen Porzellans, der polnischen Gläser, Gewebe, der Altwarschauer Gegenstände.
Einige dieser spezielleren Kunstsammlungen sind öffentlich zugänglich. So die Waffensammlung der Fideikomißherrschaft Krasinski (Katalog von F. Pulaski), provisorisch im Gebäude der Gesellschaft zur Förderung der schönen Künste (s. u.) aufgestellt; das Museumsgebäude, wo die Waffensammlung — zusammen mit der berühmten Krasinskischen Bibliothek — untergebracht werden soll, befindet sich im Bau. — In derselben Gesellschaft zur Förderung der schönen Künste sind zwei Sammlungen der prähistorischen Kunst, von E. Majewski und von P. Choynowski aufgestellt.
Prähistorische und ethnographische Sammlungen besitzt das Industrie- und Handelsmuseum (Leitung von M. Wawrzeniecki). Die Universität besitzt eine numismatische Sammlung (10000 Stück), das Handwerksmuseum interessante Gegenstände des alten polnischen Handwerks. Es sind alles ehrbare Sammlungen, wenn sie auch, an den großen europäischen Sammlungen gemessen, sich recht bescheiden ausnehmen müßten.
Eine Anzahl von Kunsthändlern vermittelt die Verkäufe auf dem Kunstmarkt, darunter das altbekannte Haus des schon oben genannten G. Soubise- Bisier.
Die Graphik und die Bibliophilie hat das Polnische Antiquariat in seinen Händen (ausgezeichnete Kataloge).
Seltene Drucke, Werke der graphischen Künste, Handzeichnungen besitzen die drei erhaltenen alten Bibliotheken Warschaus: die Zamoyskische, die Krasinskische und die Universitätsbibliothek, alle drei öffentlich zugänglich; außerdem eine Reihe Privatsammlungen. Aktuelle Interessen an den graphischen Künsten, Ausübung und Ausstellung, pflegt die Gesellschaft der Liebhaber der Graphik.
Nach den Sammlungen haben wir die Kunstorganisationen durchzunehmen. Mit den Gegenständen alter Kunst beschäftigt sich die im Jahre 1906 begründete und seitdem mit großem Erfolg arbeitende Gesellschaft für Denkmalpflege (Towarzystwo Opieki nad Zabytkami Przeszlosci). Außer der Abteilung für Denkmalpflege im engeren Sinne, wo Künstler, besonders Architekten, und Kunsthistoriker Zusammenarbeiten, besitzt sie neuerdings auch eine Abteilung für kunsthistorische Forschung und fängt an, ein Archiv für Kunstgeschichte herauszugeben. Der Vorsitzende ist Graf E. Krasinski, Generalsekretär K. Broniewski. In ihrem Heim, einem alten Patrizierhaus am Markt (Stare Miasto, 32) besitzt die Gesellschaft die Anfänge eines Museums der Altertümer und veranstaltet Ausstellungen (Altwarschau-Ausstellung 1911; Miniaturen- und Gewebe-Ausstellung 1912).
Neue Folge. XXIV. j... gang 1912/1913 Nr. 30. 25. April 1913
Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark. Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Qewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a. Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.
WARSCHAUER BRIEF
Von nun ab sollen in der »Kunstchronik« auch die Nachrichten aus dem Warschauer Kunstleben nicht fehlen. Um dem deutschen Leser in diesem ihm gewiß fremden Gebiete eine Orientierung zu bieten, wollen folgende Zeilen die Organisation des Warschauer Kunstlebens kurz skizzieren.
Das Städtische Museum der schönen Künste enthält eine reiche Galerie der alten Meister, darunter viele Werke von hoher Qualität. Das Museum ist nur provisorisch und teilweise aufgestellt: der Bau eines großen Museumsgebäudes soll noch im Laufe dieses Jahres in Angriff genommen werden. Der Katalog der aufgestellten Bilder ist von Professor Weloriski, Direktor des Museums, verfaßt. Die Bilder des Museums sind eingehender beschrieben worden in der Zeitschrift für bildende Kunst, N. F. XXI, Heft io. Das Museum besitzt außerdem eine noch von dem letzten polnischen König begründete Sammlung der Gipsabgüsse, im Universitätsgebäude aufgestellt.
Das städtische Museum enthält nur einen Teil der in Warschau aufbewahrten Werke der alten Kunst, die übrigen sind Privatbesitz. Warschauer Privatsammlungen sind teils geerbte Sammlungen alter Familien, teils im Wachstum begriffene Sammlungen neueren Ursprungs. Zu den ersteren gehört z. B. die ausgezeichnete gräflich Branickische Bildergalerie (mit Werken von Hals, Teniers, Bol, Francia, Chardin, Greuze u. a.) oder die Sammlungen der Fideikomißherrschaft Zamoyski, bestehend aus einer Bildergalerie (darin Werke von Hals; Clouet u. a.) und einem Museum, wo verschiedene Kunstgegenstände, Waffen, Porzellan, Gläser, Miniaturen, seltene LimusinerT eller u. a. aufbewahrt werden. Hierher gehört auch das in unmittelbarer Nähe von Warschau gelegene, von König Jan III. erbaute Schloß Wilanöw, jetzt Privatbesitz des Grafen Xawery Branicki. Das Schloß ist den Besuchern stets zugänglich; es enthält die prachtvoll erhaltene innere Einrichtung aus der Zeit des Königs, eine reiche Porträtsammlung, eine Bildergalerie, eine große Sammlung der Handzeichnungen und eine der größten und ältesten Sammlungen der japanischen Kunst in Europa.
Das heutige Sammeln in Warschau bezieht sich hauptsächlich auf Gegenstände polnischer Kunst, die, durch ungünstige Bedingungen selten geworden, jetzt sehr gesucht sind und hohe Marktpreise erlangen. Hier sind vor allem die sehr vielseitigen und zugleich sehr gewählten Sammlungen von W. Kolasinski, G. Soubise-Bisier und namentlich von A. Strzalecki zu nennen. Daneben steht eine Anzahl speziellerer Sammlungen: Sammlungen des polnischen Porzellans, der polnischen Gläser, Gewebe, der Altwarschauer Gegenstände.
Einige dieser spezielleren Kunstsammlungen sind öffentlich zugänglich. So die Waffensammlung der Fideikomißherrschaft Krasinski (Katalog von F. Pulaski), provisorisch im Gebäude der Gesellschaft zur Förderung der schönen Künste (s. u.) aufgestellt; das Museumsgebäude, wo die Waffensammlung — zusammen mit der berühmten Krasinskischen Bibliothek — untergebracht werden soll, befindet sich im Bau. — In derselben Gesellschaft zur Förderung der schönen Künste sind zwei Sammlungen der prähistorischen Kunst, von E. Majewski und von P. Choynowski aufgestellt.
Prähistorische und ethnographische Sammlungen besitzt das Industrie- und Handelsmuseum (Leitung von M. Wawrzeniecki). Die Universität besitzt eine numismatische Sammlung (10000 Stück), das Handwerksmuseum interessante Gegenstände des alten polnischen Handwerks. Es sind alles ehrbare Sammlungen, wenn sie auch, an den großen europäischen Sammlungen gemessen, sich recht bescheiden ausnehmen müßten.
Eine Anzahl von Kunsthändlern vermittelt die Verkäufe auf dem Kunstmarkt, darunter das altbekannte Haus des schon oben genannten G. Soubise- Bisier.
Die Graphik und die Bibliophilie hat das Polnische Antiquariat in seinen Händen (ausgezeichnete Kataloge).
Seltene Drucke, Werke der graphischen Künste, Handzeichnungen besitzen die drei erhaltenen alten Bibliotheken Warschaus: die Zamoyskische, die Krasinskische und die Universitätsbibliothek, alle drei öffentlich zugänglich; außerdem eine Reihe Privatsammlungen. Aktuelle Interessen an den graphischen Künsten, Ausübung und Ausstellung, pflegt die Gesellschaft der Liebhaber der Graphik.
Nach den Sammlungen haben wir die Kunstorganisationen durchzunehmen. Mit den Gegenständen alter Kunst beschäftigt sich die im Jahre 1906 begründete und seitdem mit großem Erfolg arbeitende Gesellschaft für Denkmalpflege (Towarzystwo Opieki nad Zabytkami Przeszlosci). Außer der Abteilung für Denkmalpflege im engeren Sinne, wo Künstler, besonders Architekten, und Kunsthistoriker Zusammenarbeiten, besitzt sie neuerdings auch eine Abteilung für kunsthistorische Forschung und fängt an, ein Archiv für Kunstgeschichte herauszugeben. Der Vorsitzende ist Graf E. Krasinski, Generalsekretär K. Broniewski. In ihrem Heim, einem alten Patrizierhaus am Markt (Stare Miasto, 32) besitzt die Gesellschaft die Anfänge eines Museums der Altertümer und veranstaltet Ausstellungen (Altwarschau-Ausstellung 1911; Miniaturen- und Gewebe-Ausstellung 1912).