man hier wirklich einen harmonischen Gesamtüberblick über die moderne deutsche Graphik, die bekanntlich auf sehr hoher Stufe steht, erhalten kann, wenn man sich der wirklich^dankbaren Mühe unterzieht, die vielen gediegenen Meister, die wir hier natürlich nicht einzeln aufführen können, in ihren ausgestellten trefflichen Werken zu studieren.
Die Wiesbadener Gesellschaft für bildende Kunst bereitet für Mai und Juni eine Ausstellung der modernen Schweizer Schule vor, die unter absichtlicher Beschränkung in der Zahl der vorzuführenden Werke nur den Extrakt des Besten zu bringen gedenkt. Außer Hodler und Buri (welch letzterer auch das Ausstellungs-Plakat gezeichnet hat) soll die Gesamtheit der führenden Kräfte in bester Qualität vertreten sein. Die Ausstellung findet in den Festräumen des Wiesbadener Rathauses statt.
Aus dem hamburgischen Kunstleben. In einem Schreiben, das er an einen Hamburger Freund gerichtet, sagt M. v. Schwind u.a.: »... Ich glaube nicht zu irren, wenn ich annehme, daß in unserer Zeit das Wichtigere und Gedankenreichere mehr in Handzeichnungen niedergelegt ist als in Bildern.« Der Meisterschilderer des Märchens hat in dieser Bemerkung ein richtiges Verständnis auch für die Anforderungen der Wirklichkeit bewiesen. Zur Charakterisierung einer von großen Geschehnissen erfüllten Zeit reichen die Mittel des Malers wirklich nicht. Zu der räumlichen Begrenztheit, an die er gebunden ist, treten bei ihm die Schwere des Materiales, mit dem er rechnen muß, und die Forderungen der künstlerischen Ökonomik, die ihn zum Einhalten feststehender Grenzen zwingt. Er bleibt auf die Episode angewiesen. Der Griffelkünstler dagegen ist sozusagen der leichte Reiter seines Metiers. Dank der um soviel größeren Beweglichkeit seines Handwerksgerätes kann er das Fortschreiten einzelner Geschehnisse ebenso wie das inhaltreicher Zeitfolgen in beliebiger Ausführlichkeit zur sinnfälligen Erscheinung bringen.
Man hat diese grundlegende Verschiedenheit der Mitteilungsfähigkeit von Malerei und graphischer Kunst an den Ausstellungen erfahren, die anläßlich der Gedenkfeiern an die Befreiungskriege 1813—1814 in unserer Stadt verschiedenenorts veranstaltet worden sind. So hat die K u n s t- halle in einem ihrer größten Säle eine Ausstellung von Gemälden veranstaltet, die Vorgänge aus den Befreiungskriegen zum Gegenstände hatten. Trotz der Riesenformate einzelner Leinwänden — so des figurenreichen Reiterbildes »General von Bennigsen hält mit seinem Stabe zu Pferde auf dem Heiligengeistfelde« von Wilhelm Tischbein und des von Figuren wimmelnden Schlachtenbildes »Der gefangene General Vandamme erscheint vor Kaiser Alexander und Friedrich Wilhelm III.« von Karl Rechlin — vermochten diese Tafeln nicht, dem Beschauer eine ähnlich abschließende Vorstellung von den Vorgängen und den Empfindungen der dargestellten Zeit zu bieten, wie sie fast jede der zahlreichen graphischen Ausstellungen in den Schaukästen der Zeitungen, der Kunsthandlungen, Antiquare usw. erbrachten. Denn hier leitete ein Blatt zu dem anderen über, es war also eine innere Bindung hergestellt, die dort fehlte. An diesen graphischen Ausstellungen waren beste Namen aus der alten Hamburger Künstlergemeinde beteiligt. Die Gebrüder Suhr, Hermann Kauffmann, Valentin Ruths, Hans Speckter, A. Mosengel, u. a. In Lithographien, schwarzen und farbigen Holzschnitten, Handzeichnungen, Radierungen, Aquarellen boten die Genannten reiche Schilderungen aus dem äußeren und inneren Erleben der Stadt. Aber nicht nur von Drangsalen wußten sie zu erzählen, auch von häuslichem Behagen sprachen sie, vom stillen Glück der Familie, von dem Leben und Treiben auf der
Straße und auf dem Lande, von lustigen und ernsten Menschen, in denen ganze Geschlechter und Stände Verkörperung fanden. Und das zumeist in klarer und sauberer Ausführung, die den behandelten Gegenstand ersichtlich ausschöpfte. Eine mit dem Griffel niedergeschriebene Zeitgeschichte, die um so stärker wirken mußte, als sie des öfteren an das unmittelbar von dem Künstler selbst gehabte Erleben anknüpfte.
In dem von den zeichnenden Künsten in unseren Gedächtnisausstellungen erbrachten Nachweis von dem Vorhandensein einer über die Mitteilungsfähigkeit des Wortes weit hinausgehenden, ihnen eigenen Kraft ist eine nicht zu unterschätzende ernste Mahnung enthalten, das Zeichnen als Lehrgegenstand, nicht so wie dies jetzt vielfach beliebt ist, zugunsten des »Malens an sich« zu vernachlässigen.
Jährlich um Ostern und Weihnacht bietet die Kunsthalle in geschlossenen Ausstellungen eine Übersicht der Zuwendungen, an Schenkungen und Erwerbungen aus dem vorausgegangenen Viertel- oder Halbjahr. Diesmal hat sich der Kunst-Osterhase besonders freigebig erwiesen. Die »Hamburger Kunst« erhielt einen Zuwachs von acht Ölgemälden und einer Zeichnung von Ph. O. Runge, jenem leider in jungen Jahren (1810) verstorbenen Wolgast- Hamburger Künstler, der wohl als einer der ersten deutschen Wegweiser auf der Bahn der reinen Naturanschauung, wie sie in der Folge erst durch die Barbizoner Meister zu Ehren gekommen ist, angesprochen werden darf. Die zirka dreißig Bildnisse, Landschaften, Allegorien und zahlreichen graphischen Blätter, die die Kunsthalle von Runge besitzt, wenn sie auch in ihrem Wertgehalt auseinandergehen, legen doch übereinstimmend ein schönes Zeugnis ab von dem Bestreben dieses Künstlers, das von ihm niedergeschriebene Diktum: »Kinder müssen wir sein, wenn wir das Beste erreichen wollen«, in die Tat umzusetzen. Die Bildnisabteilung der Kunsthalle wurde mit dem von Max Liebermann gemalten überlebensgroßen Halbbildnis Gerhard Hauptmanns bedacht, das die zwischen Goethe und Richard Wagner pendelnde Ähnlichkeit des Rautendelein-Dichters überraschend betont. Der ohnehin reiche Besitzstand der Kunsthalle an deutschen Landschaftern des 19. Jahrhunderts erscheint um ein weiteres gefördert durch ein liebevoll durchgearbeitetes großes Baumbild von Ludwig Richter, »Genoveva«, vier Tafeln von dem Richterschüler H. F. Dreber, drei Tafeln des Fügernachfolgers JosefRebell,vierTafelnvonChristian Morgenstern, diesem frühesten und frischesten Stimmungsmaler hamburgischer Herkunft, Einzelwerken von J.W. Schirmer, M. v. Schwind, Siegfried Bendixen, J. H. Schilbach, Ernst Fries. Die zirka 40 Tafeln starke Sammlung französischer Meister erhält in einem warm durchsonnten »Kornfeld«, einem frühen Werk von Alfred Sisley, einer prachtvoll durchleuchteten »Grottevon Gustave Courbet, und einem lebensgroßen Reiterdoppelbildnis (Mutter und Sohn) von Renoir bedeutungsvollen Zuwachs. Ein duftig gemaltes landschaftliches Genre »Am Morgen«, eine der lieblichsten Erinnerungen an die Frühzeit F. v. Uhdes, vervollkommnet den Besitzstand unserer Kunsthalle an Werken zeitgenössischer deutscher Meister in wertvoller Weise.
Die Hamburger Kunsthalle besteht etwas über ein Vierteljahrhundert. Selbst wenn ihr unbegrenzte Kredite zur Verfügung stünden, wäre bei dem Festliegen der alten und großen Kunstbesitze ihr die materielle Möglichkeit benommen, mit den alten Kunstmuseen in rivalisierenden Wettbewerb zu treten. Aus dieser Not hat die Leitung unserer Kunsthalle eine Tugend gemacht und ihre Aufmerksamkeit — vorbehaltlich einiger weniger Ausnahmen —
Die Wiesbadener Gesellschaft für bildende Kunst bereitet für Mai und Juni eine Ausstellung der modernen Schweizer Schule vor, die unter absichtlicher Beschränkung in der Zahl der vorzuführenden Werke nur den Extrakt des Besten zu bringen gedenkt. Außer Hodler und Buri (welch letzterer auch das Ausstellungs-Plakat gezeichnet hat) soll die Gesamtheit der führenden Kräfte in bester Qualität vertreten sein. Die Ausstellung findet in den Festräumen des Wiesbadener Rathauses statt.
Aus dem hamburgischen Kunstleben. In einem Schreiben, das er an einen Hamburger Freund gerichtet, sagt M. v. Schwind u.a.: »... Ich glaube nicht zu irren, wenn ich annehme, daß in unserer Zeit das Wichtigere und Gedankenreichere mehr in Handzeichnungen niedergelegt ist als in Bildern.« Der Meisterschilderer des Märchens hat in dieser Bemerkung ein richtiges Verständnis auch für die Anforderungen der Wirklichkeit bewiesen. Zur Charakterisierung einer von großen Geschehnissen erfüllten Zeit reichen die Mittel des Malers wirklich nicht. Zu der räumlichen Begrenztheit, an die er gebunden ist, treten bei ihm die Schwere des Materiales, mit dem er rechnen muß, und die Forderungen der künstlerischen Ökonomik, die ihn zum Einhalten feststehender Grenzen zwingt. Er bleibt auf die Episode angewiesen. Der Griffelkünstler dagegen ist sozusagen der leichte Reiter seines Metiers. Dank der um soviel größeren Beweglichkeit seines Handwerksgerätes kann er das Fortschreiten einzelner Geschehnisse ebenso wie das inhaltreicher Zeitfolgen in beliebiger Ausführlichkeit zur sinnfälligen Erscheinung bringen.
Man hat diese grundlegende Verschiedenheit der Mitteilungsfähigkeit von Malerei und graphischer Kunst an den Ausstellungen erfahren, die anläßlich der Gedenkfeiern an die Befreiungskriege 1813—1814 in unserer Stadt verschiedenenorts veranstaltet worden sind. So hat die K u n s t- halle in einem ihrer größten Säle eine Ausstellung von Gemälden veranstaltet, die Vorgänge aus den Befreiungskriegen zum Gegenstände hatten. Trotz der Riesenformate einzelner Leinwänden — so des figurenreichen Reiterbildes »General von Bennigsen hält mit seinem Stabe zu Pferde auf dem Heiligengeistfelde« von Wilhelm Tischbein und des von Figuren wimmelnden Schlachtenbildes »Der gefangene General Vandamme erscheint vor Kaiser Alexander und Friedrich Wilhelm III.« von Karl Rechlin — vermochten diese Tafeln nicht, dem Beschauer eine ähnlich abschließende Vorstellung von den Vorgängen und den Empfindungen der dargestellten Zeit zu bieten, wie sie fast jede der zahlreichen graphischen Ausstellungen in den Schaukästen der Zeitungen, der Kunsthandlungen, Antiquare usw. erbrachten. Denn hier leitete ein Blatt zu dem anderen über, es war also eine innere Bindung hergestellt, die dort fehlte. An diesen graphischen Ausstellungen waren beste Namen aus der alten Hamburger Künstlergemeinde beteiligt. Die Gebrüder Suhr, Hermann Kauffmann, Valentin Ruths, Hans Speckter, A. Mosengel, u. a. In Lithographien, schwarzen und farbigen Holzschnitten, Handzeichnungen, Radierungen, Aquarellen boten die Genannten reiche Schilderungen aus dem äußeren und inneren Erleben der Stadt. Aber nicht nur von Drangsalen wußten sie zu erzählen, auch von häuslichem Behagen sprachen sie, vom stillen Glück der Familie, von dem Leben und Treiben auf der
Straße und auf dem Lande, von lustigen und ernsten Menschen, in denen ganze Geschlechter und Stände Verkörperung fanden. Und das zumeist in klarer und sauberer Ausführung, die den behandelten Gegenstand ersichtlich ausschöpfte. Eine mit dem Griffel niedergeschriebene Zeitgeschichte, die um so stärker wirken mußte, als sie des öfteren an das unmittelbar von dem Künstler selbst gehabte Erleben anknüpfte.
In dem von den zeichnenden Künsten in unseren Gedächtnisausstellungen erbrachten Nachweis von dem Vorhandensein einer über die Mitteilungsfähigkeit des Wortes weit hinausgehenden, ihnen eigenen Kraft ist eine nicht zu unterschätzende ernste Mahnung enthalten, das Zeichnen als Lehrgegenstand, nicht so wie dies jetzt vielfach beliebt ist, zugunsten des »Malens an sich« zu vernachlässigen.
Jährlich um Ostern und Weihnacht bietet die Kunsthalle in geschlossenen Ausstellungen eine Übersicht der Zuwendungen, an Schenkungen und Erwerbungen aus dem vorausgegangenen Viertel- oder Halbjahr. Diesmal hat sich der Kunst-Osterhase besonders freigebig erwiesen. Die »Hamburger Kunst« erhielt einen Zuwachs von acht Ölgemälden und einer Zeichnung von Ph. O. Runge, jenem leider in jungen Jahren (1810) verstorbenen Wolgast- Hamburger Künstler, der wohl als einer der ersten deutschen Wegweiser auf der Bahn der reinen Naturanschauung, wie sie in der Folge erst durch die Barbizoner Meister zu Ehren gekommen ist, angesprochen werden darf. Die zirka dreißig Bildnisse, Landschaften, Allegorien und zahlreichen graphischen Blätter, die die Kunsthalle von Runge besitzt, wenn sie auch in ihrem Wertgehalt auseinandergehen, legen doch übereinstimmend ein schönes Zeugnis ab von dem Bestreben dieses Künstlers, das von ihm niedergeschriebene Diktum: »Kinder müssen wir sein, wenn wir das Beste erreichen wollen«, in die Tat umzusetzen. Die Bildnisabteilung der Kunsthalle wurde mit dem von Max Liebermann gemalten überlebensgroßen Halbbildnis Gerhard Hauptmanns bedacht, das die zwischen Goethe und Richard Wagner pendelnde Ähnlichkeit des Rautendelein-Dichters überraschend betont. Der ohnehin reiche Besitzstand der Kunsthalle an deutschen Landschaftern des 19. Jahrhunderts erscheint um ein weiteres gefördert durch ein liebevoll durchgearbeitetes großes Baumbild von Ludwig Richter, »Genoveva«, vier Tafeln von dem Richterschüler H. F. Dreber, drei Tafeln des Fügernachfolgers JosefRebell,vierTafelnvonChristian Morgenstern, diesem frühesten und frischesten Stimmungsmaler hamburgischer Herkunft, Einzelwerken von J.W. Schirmer, M. v. Schwind, Siegfried Bendixen, J. H. Schilbach, Ernst Fries. Die zirka 40 Tafeln starke Sammlung französischer Meister erhält in einem warm durchsonnten »Kornfeld«, einem frühen Werk von Alfred Sisley, einer prachtvoll durchleuchteten »Grottevon Gustave Courbet, und einem lebensgroßen Reiterdoppelbildnis (Mutter und Sohn) von Renoir bedeutungsvollen Zuwachs. Ein duftig gemaltes landschaftliches Genre »Am Morgen«, eine der lieblichsten Erinnerungen an die Frühzeit F. v. Uhdes, vervollkommnet den Besitzstand unserer Kunsthalle an Werken zeitgenössischer deutscher Meister in wertvoller Weise.
Die Hamburger Kunsthalle besteht etwas über ein Vierteljahrhundert. Selbst wenn ihr unbegrenzte Kredite zur Verfügung stünden, wäre bei dem Festliegen der alten und großen Kunstbesitze ihr die materielle Möglichkeit benommen, mit den alten Kunstmuseen in rivalisierenden Wettbewerb zu treten. Aus dieser Not hat die Leitung unserer Kunsthalle eine Tugend gemacht und ihre Aufmerksamkeit — vorbehaltlich einiger weniger Ausnahmen —