seits ist gewiß trotz aller Strenge der Jurierung doch noch eine ganze Reihe von Dingen aufgenommen worden, die nicht als Werke ersten Ranges gelten können; die vielleicht oder sogar wahrscheinlich mindestens nicht wertvoller sind als manches Zurückgewiesene. Dann wäre also die Jury nicht zu streng, sondern eher zu milde gewesen.
Jedenfalls aber hat die Ausstellung auf diese Weise Charakter bekommen. Ich kenne von dem Refusierten nichts — die Herren werden aber ihre Sachen demnächst zusammen ausstellen —, und es liegt mir nichts ferner, als diese Künstler, von denen viele allgemeine Sympathien verdienen, zu verletzen. Indes die Tatsache bleibt bestehen, daß die Ausstellung erheblich weniger Kompromißstücke und bürgerlich brave, an sich achtbare, in der Sezession aber deplazierte Arbeiten enthält als ihre Vorgängerinnen in den letzten Jahren, und das kommt ihrem Eindruck erheblich zugute. Die Sezession ist wirklich, wie es in der von Hans Baluschek verlesenen Eröffnungsrede des unpäßlich gewordenen Präsidenten Cassirer hieß, »kein Heim und kein Asyl; sie ist das offene Feld, das immer von Lärm und Streit erfüllt sein wird«. Oder, wie im Katalogvorwort zu lesen ist: sie ist »kein Ruhepunkt, sie ist ein Weg; sie ist für ihre Mitglieder keine Existenzsicherung, sondern eine Existenzgefährdung, denn sie macht die Kräfte der Kommenden immer wieder mobil«. Es ist nicht zu leugnen, daß hier das Wesen einer Sezession treffend gekennzeichnet ist. Nur so ist sie möglich, nur so hat sie Sinn.
Als Ergänzung nun zu den vielleicht notwendigen Zurückweisungen tüchtiger Talente — wobei man, wie gesagt, weil keine Jury unfehlbar ist, nicht völlig konsequent vorging — hat man die stürmisch herandrängende Jugend weit reichlicher eingelassen, als wir zu hoffen wagten. Nach der bisherigen Haltung der Sezession, des Kunstsalons Cassirer und der mit ihnen in Verbindung stehenden Persönlichkeiten mußten wir befürchten, daß man nach dieser Richtung hin eine kühle Reserve wahren werde. Aber man hat eingesehen, daß die Sezession den Ast absägen würde, auf dem sie selbst sitzt, wenn sie sich gegen die kühnen, vorwärtsstrebenden Neuerer ablehnend verhalten würde. Und ganz anders als im Vorjahre, da man gleichsam unwirsch und widerwillig, ohne System eine ungeordnete Kompagnie der radikalen Linken zuließ, meist Franzosen, hat man diesmal der deutschen Jugend einen großen Raum freigemacht. Auch das trägt wesentlich dazu bei, das Bild der jetzigen Veranstaltung sprühend lebendig, interessant und anregend zu gestalten.
Somit gliedert sich die Ausstellung nunmehr in drei Gruppen. Zunächst ehrt sie die großen und guten Traditionen der modernen Kunst. Sodann führt sie die mittlere Generation vor, die auf diesen Fundamenten weiterbaut. Und schließlich öffnet sie der Jugend das Tor. Der Hinweis auf die Grundlagen und soliden Überlieferungen verbindet sich mit der unbefangenen Würdigung des Kommenden.
Es ist kein Wunder, daß die Säle, in denen jene glorreiche Tradition zu Worte kommt, den reinsten
Genuß gewähren. Hier ist nicht nur bebauter Boden, sondern auch die gefestete Kraft genialer Persönlichkeiten. Vor allem kommen dabei ein Trübner- und ein Liebermann-Kabinett, sowie Serien von Leibi, von Renoir, von Seurat, von Cezanne und van Gogh in Betracht. Das Trübner-Zimmer gibt in dreißig vorzüglich gewählten Bildern einen Überblick über das Schaffen dieses Meisters — es wirkt wie ein mit sorgsamster Überlegung in langen Jahren gebildeter Museumssaal. Liebermann bringt neben Studien und Bildern aus seiner Frühzeit, die bis zum Anfang der siebziger Jahre zurückreichen und seine Entwicklung erkennen lassen, vor allem eine Reihe der außerordentlichen Porträts, in denen sich der Stil seines Alters am großartigsten ausprägt; die weniger auf farbige Deutung ausgehen und dadurch für Liebermanns »Malerei« im engeren Sinne keine Offenbarungen enthalten, aber in der Beschwörung der Persönlichkeiten Großartiges leisten und die künstlerische und geistige Potenz des Meisters in letzter Reife strahlen lassen. Es sind dabei Bildnisse von Gerhart Hauptmann, von Professor Nernst und dem Marburger Philosophen Cohen. Bei den Franzosen fesselt besonders die Kollektion Georges Seurats, des schon 1891 verstorbenen Neoimpressionisten-Führers, der zuerst das Monetsche »Komma« in jener eigenen Weise, teils pedantisch, teils aber auch ergiebig und interessant, weiterzubilden unternahm. Von Cezanne sieht man, neben kostbaren Proben seiner reifen Zeit, einige frühe Stücke von noch ganz dunklem Ton und schwerer Farbe, darunter ein Bild, »Mord« betitelt, das fast wie ein Daumier aussieht und nicht durch die Farbe, sondern durch die mächtige Bewegung und dämonische Beseelung der Gruppe ins Auge sticht. Von van Gogh neben unvergleichlich schönen Landschaften und Stilleben das merkwürdige Bildchen, das sich »Schweigen im Walde« nennt und das Böcklinthema souverän in die ganz andere und doch dem Stilsuchen des Schweizers verwandte Art van Goghs überträgt, in dem ja auch ein heimlicher Heroiker schlummerte.
Sodann schließt sich die zweite Gruppe an: die auf den Fundamenten der großen Vorgänger und Wegbahner weiterbauen. Es ist die mittlere Generation der Sezessionsmitglieder, von der nun freilich durch jene Zurückweisungen viele fehlen. Der Vorsitzende derjury selbst, Max Slevogt, hat sich diesmal mit einigen kleineren Stücken begnügt, meist Tierstudien von lebhaftem Geistreichtum des impressionistischen Vortrags. Andere dagegen dokumentieren aufs neue das Streben zum großen Format und zur figurenreichen, auch »inhaltlich« ausdrucksvollen Komposition, das seit einigen Jahren wieder hervortritt, ohne allerdings zu sonderlich befriedigenden Resultaten zu führen. Das zeigt sich auch diesmal. Corinth stellt eine mythologische Szene zum Thema »Ariadne auf Naxos« aus, die bei famosen Details nicht recht »Zusammengehen« will, sowie die lebensgroße Gestalt eines orientalischen Teppichhändlers, die sehr trocken gemalt ist. Nach den prachtvollen Arbeiten gerade der jüngsten Zeit, die man erst kürzlich auf der großen
Jedenfalls aber hat die Ausstellung auf diese Weise Charakter bekommen. Ich kenne von dem Refusierten nichts — die Herren werden aber ihre Sachen demnächst zusammen ausstellen —, und es liegt mir nichts ferner, als diese Künstler, von denen viele allgemeine Sympathien verdienen, zu verletzen. Indes die Tatsache bleibt bestehen, daß die Ausstellung erheblich weniger Kompromißstücke und bürgerlich brave, an sich achtbare, in der Sezession aber deplazierte Arbeiten enthält als ihre Vorgängerinnen in den letzten Jahren, und das kommt ihrem Eindruck erheblich zugute. Die Sezession ist wirklich, wie es in der von Hans Baluschek verlesenen Eröffnungsrede des unpäßlich gewordenen Präsidenten Cassirer hieß, »kein Heim und kein Asyl; sie ist das offene Feld, das immer von Lärm und Streit erfüllt sein wird«. Oder, wie im Katalogvorwort zu lesen ist: sie ist »kein Ruhepunkt, sie ist ein Weg; sie ist für ihre Mitglieder keine Existenzsicherung, sondern eine Existenzgefährdung, denn sie macht die Kräfte der Kommenden immer wieder mobil«. Es ist nicht zu leugnen, daß hier das Wesen einer Sezession treffend gekennzeichnet ist. Nur so ist sie möglich, nur so hat sie Sinn.
Als Ergänzung nun zu den vielleicht notwendigen Zurückweisungen tüchtiger Talente — wobei man, wie gesagt, weil keine Jury unfehlbar ist, nicht völlig konsequent vorging — hat man die stürmisch herandrängende Jugend weit reichlicher eingelassen, als wir zu hoffen wagten. Nach der bisherigen Haltung der Sezession, des Kunstsalons Cassirer und der mit ihnen in Verbindung stehenden Persönlichkeiten mußten wir befürchten, daß man nach dieser Richtung hin eine kühle Reserve wahren werde. Aber man hat eingesehen, daß die Sezession den Ast absägen würde, auf dem sie selbst sitzt, wenn sie sich gegen die kühnen, vorwärtsstrebenden Neuerer ablehnend verhalten würde. Und ganz anders als im Vorjahre, da man gleichsam unwirsch und widerwillig, ohne System eine ungeordnete Kompagnie der radikalen Linken zuließ, meist Franzosen, hat man diesmal der deutschen Jugend einen großen Raum freigemacht. Auch das trägt wesentlich dazu bei, das Bild der jetzigen Veranstaltung sprühend lebendig, interessant und anregend zu gestalten.
Somit gliedert sich die Ausstellung nunmehr in drei Gruppen. Zunächst ehrt sie die großen und guten Traditionen der modernen Kunst. Sodann führt sie die mittlere Generation vor, die auf diesen Fundamenten weiterbaut. Und schließlich öffnet sie der Jugend das Tor. Der Hinweis auf die Grundlagen und soliden Überlieferungen verbindet sich mit der unbefangenen Würdigung des Kommenden.
Es ist kein Wunder, daß die Säle, in denen jene glorreiche Tradition zu Worte kommt, den reinsten
Genuß gewähren. Hier ist nicht nur bebauter Boden, sondern auch die gefestete Kraft genialer Persönlichkeiten. Vor allem kommen dabei ein Trübner- und ein Liebermann-Kabinett, sowie Serien von Leibi, von Renoir, von Seurat, von Cezanne und van Gogh in Betracht. Das Trübner-Zimmer gibt in dreißig vorzüglich gewählten Bildern einen Überblick über das Schaffen dieses Meisters — es wirkt wie ein mit sorgsamster Überlegung in langen Jahren gebildeter Museumssaal. Liebermann bringt neben Studien und Bildern aus seiner Frühzeit, die bis zum Anfang der siebziger Jahre zurückreichen und seine Entwicklung erkennen lassen, vor allem eine Reihe der außerordentlichen Porträts, in denen sich der Stil seines Alters am großartigsten ausprägt; die weniger auf farbige Deutung ausgehen und dadurch für Liebermanns »Malerei« im engeren Sinne keine Offenbarungen enthalten, aber in der Beschwörung der Persönlichkeiten Großartiges leisten und die künstlerische und geistige Potenz des Meisters in letzter Reife strahlen lassen. Es sind dabei Bildnisse von Gerhart Hauptmann, von Professor Nernst und dem Marburger Philosophen Cohen. Bei den Franzosen fesselt besonders die Kollektion Georges Seurats, des schon 1891 verstorbenen Neoimpressionisten-Führers, der zuerst das Monetsche »Komma« in jener eigenen Weise, teils pedantisch, teils aber auch ergiebig und interessant, weiterzubilden unternahm. Von Cezanne sieht man, neben kostbaren Proben seiner reifen Zeit, einige frühe Stücke von noch ganz dunklem Ton und schwerer Farbe, darunter ein Bild, »Mord« betitelt, das fast wie ein Daumier aussieht und nicht durch die Farbe, sondern durch die mächtige Bewegung und dämonische Beseelung der Gruppe ins Auge sticht. Von van Gogh neben unvergleichlich schönen Landschaften und Stilleben das merkwürdige Bildchen, das sich »Schweigen im Walde« nennt und das Böcklinthema souverän in die ganz andere und doch dem Stilsuchen des Schweizers verwandte Art van Goghs überträgt, in dem ja auch ein heimlicher Heroiker schlummerte.
Sodann schließt sich die zweite Gruppe an: die auf den Fundamenten der großen Vorgänger und Wegbahner weiterbauen. Es ist die mittlere Generation der Sezessionsmitglieder, von der nun freilich durch jene Zurückweisungen viele fehlen. Der Vorsitzende derjury selbst, Max Slevogt, hat sich diesmal mit einigen kleineren Stücken begnügt, meist Tierstudien von lebhaftem Geistreichtum des impressionistischen Vortrags. Andere dagegen dokumentieren aufs neue das Streben zum großen Format und zur figurenreichen, auch »inhaltlich« ausdrucksvollen Komposition, das seit einigen Jahren wieder hervortritt, ohne allerdings zu sonderlich befriedigenden Resultaten zu führen. Das zeigt sich auch diesmal. Corinth stellt eine mythologische Szene zum Thema »Ariadne auf Naxos« aus, die bei famosen Details nicht recht »Zusammengehen« will, sowie die lebensgroße Gestalt eines orientalischen Teppichhändlers, die sehr trocken gemalt ist. Nach den prachtvollen Arbeiten gerade der jüngsten Zeit, die man erst kürzlich auf der großen