Sezession her. Zu ihr gehört E. L. Kirchner, der sich diesmal gar zu wild gebärdet. Ferner E. Heckei, der neben einigen gewaltsamen Kindlichkeiten einen »Sterbenden Pierrot« mit seltsamen Linienüberschneidungen amüsant in das Bildviereck projiziert. Schmitt-Rottluff kokettiert in einem Georginen-Stilleben mit dem Kubismus, an den auch sonst mancherlei Bilder anklingen, ohne aber der theoretischen Pedanterie Picassos und seiner Leute unbedingt zu folgen. Zum Besten der jungdeutschen Stücke gehört die »Bewegte See« von Arthur Segal. Als ein Talent von sehr persönlichem, wenn auch noch ungeklärtem Ausdruck bewährt sich wieder Oskar Kokoschka, der in drei Gemälden von blassen, zarten Farben etwas vom keuschen Zauber der Frührenaissance mit modernen Mitteln Wiedererstehen lassen möchte. In seinem Fahrwasser, d. h. mehr in der früheren Art Kokoschkas segelt Max Oppenheimer, der blutige und asketische religiöse Themata in sehr preziöser Manier nach sorgsam ausgeklügelten, geometrisch errechneten Kompositionsgesetzen, jedoch nicht ohne eigne Wirkung behandelt. Eine große Geißelung von ihm macht bei aller Geziertheit und Absichtlichkeit der gereckten, hageren Gestalten durch die Verzückung Eindruck, die das merkwürdige Bild durchströmt. Sieht man von Pechstein, Erbslöh und einigen anderen Einzelheiten ab, so ist der Ertrag an Talentproben nicht sehr groß. Aber das sehnsüchtige Wollen, das die Arbeiten dieser ganzen Generation kennzeichnet, beschäftigt den ernsten Ausstellungswanderer ungemein, und es wird für die jungen Leute einen nicht zu unterschätzenden Vorteil bedeuten, daß sie ihre Experimente, die bisher nur im Atelier oder in exklusiven Kunstsalonwinkeln von wenigen Vertrauten betrachtet wurden, nun einmal in breiter Öffentlichkeit sehen; wie es einen Dramatiker anregen muß, wenn er sein Stück aus dem Buche in die harte Helle der Bühnenaufführung versetzt sieht.
Nicht groß, aber besonders fein gelungen ist diesmal die plastische Abteilung der Sezession. In ihr dominiert Ernst Barlach, der mit einer glänzenden Kollektion auftritt. Seine Holz-Figuren und -Gruppen, die kleine Gestalten durch eine souveräne Formanschauung aus allen Resten des Genremäßigen zum Monumentalen emporheben, haben in der subjektiven Art zu vereinfachen, zusammenzufassen und ungewöhnliche überraschende Bewegungsmotive wirken zu lassen, etwas Hinreißendes; man kann den Eindruck dieser Dinge gar nicht vergessen. Daß Barlach auch anderes Material zu behandeln versteht, zeigt seine meisterliche Porzellanbüste Tilla Durieux’, deren slawischen Rassekopf er mit ausgezeichneter Kunst für die glasierte Masse behandelt hat. Von Gaul sieht man zwei prächtige Steinarbeiten: liegende Panther. Von Kolbe die schöne Figur einer »Amazone«, halb flächig in der Anordnung, von größtem Reiz; von Tuaillon diesmal nur kleinere Statuetten. Neue Namen ziehen auch hier die Aufmerksamkeit auf sich, so Renee Sintenis, eine junge Berliner Dame, die zwei delikate Bronzefigürchen, weibliche Akte, ausstellt. So Ernesto de Fiori, ein junger Österreicher, der die aparte, in manchen Zügen an Minne erinnernde Figur eines
Jünglings in Bronze schickte. Wilhelm Lehmbruck kennen wir schon als eine der stärksten Hoffnungen unserer modernen Plastik; auch Karl Ebbinghaus, der eine Büste beisteuerte, ist kein Fremder mehr.
So schließt sich ein ungewöhnlich reicher Kreis zusammen, der in der Tat die ganze Fülle des modernen Schaffens vom reifen Können fertiger Meister bis zum tastenden Suchen vorwärtsstürmender Neulinge umschreibt.
M. O.
NEKROLOGE
-f- München. Prof. Dr. hon. c. Gabriel Ritter von Seidl, der bekannte Architekt und Ehrenbürger der Stadt München, ist Sonntag, den 27. April, 3/4 4 Uhr nachmittags, nach langem, schwerem Leiden im 65. Lebensjahre verschieden. Mit ihm ist neuerdings eine der typischsten Erscheinungen jenes autokratischen Künstlerkreises dahingegangen, der in Franz von Lenbach sein Haupt und seinen markantesten Vertreter anerkannt hatte, der in seinen Bestrebungen manchmal nicht ganz unberechtigte Anfeindungen von Seite der Jüngeren hatte erdulden müssen und gleichwohl für die Entwicklung der Kunst in Deutschland von sehr großer Bedeutung war. Die »Retrospektivität«, die diesen Künstlern zum Vorwurf gemacht wurde, hat den Grund geschaffen, auf dem die moderne Architektur, das moderne Kunsthandwerk emporwachsen konnten und -eine spätere Kunstgeschichte wird ihre Bedeutung vielleicht höher einschätzen, als wir uns heute vorstellen, wie ja schon in den letzten Jahren eine gerechtere, von falschem Enthusiasmus, wie parteilicher Gegnerschaft sich gleich fernhaltende Beurteilung eingesetzt hat. Seidl, der am 9. Dezember 1848 als Sohn des kunstsinnigen Bäckers Anton Seidl in München geboren war, hatte nach Absolvierung der Latein- und Gewerbeschule das hiesige Polytechnikum bezogen, anfangs noch schwankend, welchem Beruf er sich zuwenden sollte, als der große Krieg ihn auf das Schlachtfeld rief, wo er sich als Artillerist bei Beaugency das Verdienstkreuz erwarb. Nach dem Friedensschluß trat er wieder in das Polytechnikum ein, widmete sich nun ausschließlich der Baukunst unter Gottfried Neureuther und erregte bereits 1876 auf der deutschen Kunstgewerbeausstellung im Glaspalast Aufsehen mit einem sehr schlichten und einfachen bürgerlichen Wohnzimmer. Er trat in nähere Beziehung zu Lenbach, Gedon und Rudolf Seitz, mit welch letzterem er eine, vornehmlich auf dem Formenschatz der Renaissance und des Barock basierende »Werkstätte für Handwerkskunst und Wohnungseinrichtung« gründete. Die Reihe seiner gleichfalls die Formen der deutschen Renaissance bevorzugenden Privat- und öffentlichen Bauten eröffnete er mit dem sogen. »Deutschen Haus« beim ehemaligen botanischen Garten in München, dem hier wie in ganz Deutschland eine große Zahl, auch weiteren Kreisen bekannter Schöpfungen folgte. Es seien genannt die Ausgestaltungen des Franziskaner- und Arzberger Kellers, das Gasthaus zum »Bauerngirgl« in München, die großen Bierhäuser zum »Spaten« in Berlin, das »Münchener Kindlin Straßburg, die Rathäuser in Ingolstadt, Worms und Bremen, die Privathäuser Franz v. Lenbachs, Fr. A. v. Kaulbachs, Toni Stadlers, des Kunsthändlers Böhler — eins seiner harmonischsten Werke — der Neubau des Ruffiniblocks, das Karlstorrondell, das Künstlerhaus, das Onuphriushaus, sämtlich in München, die Schlösser und Villen Freiherr von Heyl in Darmstadt, Schoen in Worms, Büdesheim (Graf Oriola), Repten (Fürst Henkel Donnersmark), die kirchlichen Bauten St. Anna am Lechel in München und St. Gottlieb in Hernsheim und schließlich
Nicht groß, aber besonders fein gelungen ist diesmal die plastische Abteilung der Sezession. In ihr dominiert Ernst Barlach, der mit einer glänzenden Kollektion auftritt. Seine Holz-Figuren und -Gruppen, die kleine Gestalten durch eine souveräne Formanschauung aus allen Resten des Genremäßigen zum Monumentalen emporheben, haben in der subjektiven Art zu vereinfachen, zusammenzufassen und ungewöhnliche überraschende Bewegungsmotive wirken zu lassen, etwas Hinreißendes; man kann den Eindruck dieser Dinge gar nicht vergessen. Daß Barlach auch anderes Material zu behandeln versteht, zeigt seine meisterliche Porzellanbüste Tilla Durieux’, deren slawischen Rassekopf er mit ausgezeichneter Kunst für die glasierte Masse behandelt hat. Von Gaul sieht man zwei prächtige Steinarbeiten: liegende Panther. Von Kolbe die schöne Figur einer »Amazone«, halb flächig in der Anordnung, von größtem Reiz; von Tuaillon diesmal nur kleinere Statuetten. Neue Namen ziehen auch hier die Aufmerksamkeit auf sich, so Renee Sintenis, eine junge Berliner Dame, die zwei delikate Bronzefigürchen, weibliche Akte, ausstellt. So Ernesto de Fiori, ein junger Österreicher, der die aparte, in manchen Zügen an Minne erinnernde Figur eines
Jünglings in Bronze schickte. Wilhelm Lehmbruck kennen wir schon als eine der stärksten Hoffnungen unserer modernen Plastik; auch Karl Ebbinghaus, der eine Büste beisteuerte, ist kein Fremder mehr.
So schließt sich ein ungewöhnlich reicher Kreis zusammen, der in der Tat die ganze Fülle des modernen Schaffens vom reifen Können fertiger Meister bis zum tastenden Suchen vorwärtsstürmender Neulinge umschreibt.
M. O.
NEKROLOGE
-f- München. Prof. Dr. hon. c. Gabriel Ritter von Seidl, der bekannte Architekt und Ehrenbürger der Stadt München, ist Sonntag, den 27. April, 3/4 4 Uhr nachmittags, nach langem, schwerem Leiden im 65. Lebensjahre verschieden. Mit ihm ist neuerdings eine der typischsten Erscheinungen jenes autokratischen Künstlerkreises dahingegangen, der in Franz von Lenbach sein Haupt und seinen markantesten Vertreter anerkannt hatte, der in seinen Bestrebungen manchmal nicht ganz unberechtigte Anfeindungen von Seite der Jüngeren hatte erdulden müssen und gleichwohl für die Entwicklung der Kunst in Deutschland von sehr großer Bedeutung war. Die »Retrospektivität«, die diesen Künstlern zum Vorwurf gemacht wurde, hat den Grund geschaffen, auf dem die moderne Architektur, das moderne Kunsthandwerk emporwachsen konnten und -eine spätere Kunstgeschichte wird ihre Bedeutung vielleicht höher einschätzen, als wir uns heute vorstellen, wie ja schon in den letzten Jahren eine gerechtere, von falschem Enthusiasmus, wie parteilicher Gegnerschaft sich gleich fernhaltende Beurteilung eingesetzt hat. Seidl, der am 9. Dezember 1848 als Sohn des kunstsinnigen Bäckers Anton Seidl in München geboren war, hatte nach Absolvierung der Latein- und Gewerbeschule das hiesige Polytechnikum bezogen, anfangs noch schwankend, welchem Beruf er sich zuwenden sollte, als der große Krieg ihn auf das Schlachtfeld rief, wo er sich als Artillerist bei Beaugency das Verdienstkreuz erwarb. Nach dem Friedensschluß trat er wieder in das Polytechnikum ein, widmete sich nun ausschließlich der Baukunst unter Gottfried Neureuther und erregte bereits 1876 auf der deutschen Kunstgewerbeausstellung im Glaspalast Aufsehen mit einem sehr schlichten und einfachen bürgerlichen Wohnzimmer. Er trat in nähere Beziehung zu Lenbach, Gedon und Rudolf Seitz, mit welch letzterem er eine, vornehmlich auf dem Formenschatz der Renaissance und des Barock basierende »Werkstätte für Handwerkskunst und Wohnungseinrichtung« gründete. Die Reihe seiner gleichfalls die Formen der deutschen Renaissance bevorzugenden Privat- und öffentlichen Bauten eröffnete er mit dem sogen. »Deutschen Haus« beim ehemaligen botanischen Garten in München, dem hier wie in ganz Deutschland eine große Zahl, auch weiteren Kreisen bekannter Schöpfungen folgte. Es seien genannt die Ausgestaltungen des Franziskaner- und Arzberger Kellers, das Gasthaus zum »Bauerngirgl« in München, die großen Bierhäuser zum »Spaten« in Berlin, das »Münchener Kindlin Straßburg, die Rathäuser in Ingolstadt, Worms und Bremen, die Privathäuser Franz v. Lenbachs, Fr. A. v. Kaulbachs, Toni Stadlers, des Kunsthändlers Böhler — eins seiner harmonischsten Werke — der Neubau des Ruffiniblocks, das Karlstorrondell, das Künstlerhaus, das Onuphriushaus, sämtlich in München, die Schlösser und Villen Freiherr von Heyl in Darmstadt, Schoen in Worms, Büdesheim (Graf Oriola), Repten (Fürst Henkel Donnersmark), die kirchlichen Bauten St. Anna am Lechel in München und St. Gottlieb in Hernsheim und schließlich