manches erwarten. Oustav Barrauds »Fille blonde« zeigt einmal mehr, wieviel hochentwickelter Geschmack an sich zu leisten vermag. Maurice Barraud darf aber sicherlich zu den stolzesten Hoffnungen der Genfer Sektion gezählt werden. Man braucht kein Prophet zu sein, um das vor seinen Pastellen, besonders »Etüde«, »Poeme-paien«, »Femme au soulier rose«, zu erkennen. Eine Herrschaft des menschlichen Körpers, eine Steigerung der Farbenglut im Pastell und eine souveräne Handhabung des Raumes sind die sichtbarsten Merkmale dieser eigentümlich üppigen, schwellenden und doch gehaltenen, kühlen und elastischmännlichen Darstellung. Forestiers Blumenstudien fallen angenehm auf. Sie suchen noch den Ausweg zwischen dem Natürlichen und dem Bildmäßigen. Giovanni Giacometti, dessen farbensatte Kunst immer weiter bekannt wird, hat nur als eingeladener Gast an dieser Ausstellung teilgenommen, da er nicht zur Genfer Sektion gehört, und seine Teilnahme ist auch eher repräsentativer Natur. Sehr bemerkenswert ist das kleine Bildchen »Arracheur de pommes de terre« von Hermenjat, der hier auf einem fast undenkbar kleinen Raum eine seltsame Wirkung von Größe und Einfachheit der Bewegung erreicht. John Torcapel ist entschieden auf dem besten Wege, eine überaus differenzierte, bewegte Vision der heimischen Landschaft in sich aufzubauen. Seine Ausdrucksmittel sind originell, ohne gesucht zu sein. Er wird uns gewiß noch öfters beschäftigen. Otto Vautier ist ein reifer Künstler, dessen Können und Grenzen klar zu übersehen sind. Das dem Genfer überhaupt eigene starke Gefühl für Tradition hält ihn fern von allem revolutionären Suchen. Er hat sich stetig und in strengem Zusammenhang zur respektablen Höhe seiner heutigen Leistung hinaufentwickelt. Ein Bild wie sein »Attention matinale« nimmt gefangen. Die Zartheit, Luftigkeit eines Boucher webt das grünlich zitternde Licht um einen schlank hinfließenden Frauenleib, nur ist Vautiers Sinnlichkeit keine stoffliche, wie die Bouchers, sondern eine atmosphärische. An Eleganz und zart angewandtem Reichtum seiner Palette dürfte ihm nicht sobald jemand gleichkommen. Es sind wirklich so recht Bilder, die man haben möchte. Edouard Vallet kämpft noch immer den unentschiedenen Kampf zwischen seinen sich widersprechenden Neigungen. Das Gefällige, heiter Zierliche und das ahndungsvoll Schwere, Bedeutsame zieht ihn gleichmäßig hinan. Es ist fast aufregend, diesem Kampf zuzusehen und dennoch würde man wünschen, er möchte bald sich entscheiden. Es wächst nichts auf Kreuzwegen. So gerne man in Niederhäusern-Rodo den Zunftmeister der Bildhauer sonst mitverehrt, so kann seine Eigenart, so wenig wie die seines ebenfalls sehr schätzenswerten Kollegen James Vibert, an den diesmal ausgestellten Werken richtig erfaßt werden. Richard Messleny, Genf.
Ausstellung im Städtischen Museum in Amsterdam. Drei Sonderausstellungen holländischer Maler sind augenblicklich im Städtischen Museum zu Amsterdam zu sehen. Über den jüngsten der Einsender, den Autodidakten J. J. Doeser (geb. 1884), hat die »Zeitschrift für bildende Kunst« kürzlich einen Aufsatz gebracht. Von einer neuen Seite lernt man ihn in dieser Ausstellung jedoch kaum kennen; er hat sein Stoffgebiet erweitert, andere Formen des Elends in den Kreis seiner Kunst gezogen, aber daß er in der künstlerischen Bewältigung und Durchbildung des Stoffes Fortschritte gemacht hat, kann man nicht sagen. Doch muß man anerkennen, daß er trotz mancher Unvollkommenheiten der Zeichnung und koloristischer Härten, die in seinen Ölgemälden stören — in den Pastellzeichnungen offenbart sich im Gegensätze dazu ein viel feineres Farbengefühl —, hier und da wieder durch
den Ausdruck, durch einen Blick, eine Geste zu ergreifen und zu erschüttern weiß. Es ist nur schade, daß er dabei des Öfteren nicht die Klippe vermeidet, seine Empfindungen, seine Reflexionen in die dargestellten Figuren hineinzuprojizieren, wodurch dieselben dann leicht etwas Falsches und Gemachtes bekommen. Von den neuen Stoffen, die er behandelt, sind weitaus die meisten Darstellungen von Prostistuierten: da lauert eine abends an einer Straßenecke, eine andere promeniert in der Dämmerung an einem einsamen Kai, während der »Freund« in einiger Entfernung wartet, eine andere, halb bekleidet, bringt ihr Haar in Ordnung, während ein auf dem Sofa sitzender Besucher gelangweilt-gleichgültig zuschaut, andere sitzen ain Morgen, müde und abgespannt in dem kahlen, nüchternen Raum eines öffentlichen Hauses; lauter Themen, die zwar von Theophile Steinlen mit unvergleichlich größerer Meisterschaft behandelt sind, denen aber Doeser doch eigene Töne zu entlocken versteht. Eins der besten Bilder dieser Art zeigt ein aufgeputztes kleines Mädchen auf der Straße zwischen einem Zuhälter und einer Dirne, die es zu dem entwürdigendsten Gewerbe anzuhalten scheinen; hier ist das Gemeine, ja das Teuflische in den Gesichtern der beiden erwachsenen Personen in geradezu beängstigender Wahrheit zum Ausdruck gebracht. Andere Vorstellungen sind dem Leben der Bergarbeiter entnommen; gut beobachtet und auch in der Farbe wahrscheinlich ist da besonders ein Bild, wo die im Inneren des Bergwerkes mit Spitzhacke bei spärlichem Grubenlicht arbeitenden halbnackten Männer bei ihrer mühevollen Arbeit dargestellt sind. Von liebevollem Eindringen in den eigentümlichen Charakter der Personen zeugen auch der alte Stuhlflechter und ein Interieur mit nähenden Mädchen, das durch das Idyllische des Vorwurfes und die friedliche Stimmung ganz aus dem Rahmen seines übrigen Werkes fällt. Zu den ergreifendsten Sachen gehört die Darstellung einer durch Armut und Entbehrung abgemagerten Mutter mit ihrem kleinen Kind auf dem Arm; hier ist durch das starke Gefühl der Gegenstand wirklich bewältigt.
Eine sehr vielseitige, unermüdlich tätige Künstlerin ist unstreitig die zweite Einsenderin, Frau van Trigt-Hoevenaar (geb. 1854), die Witwe des Malers van Trigt. Sie wagt sich an alle Kunstgattungen, sie malt, sie radiert und sie bildhauert; aber in erster Linie ist sie Malerin, 107 Ölgemälde und 39 Aquarelle legen von ihrem Fleiß und ihrem Mut Zeugnis ab. Sie begann mit Landschaften und Stadtansichten, die durch die intime Auffassung und die saubere Ausführung als typisch holländisch bezeichnet werden müssen, die sich aber ganz in den herkömmlichen, soliden Bahnen bewegten. Es gibt aus dieser Periode sehr stimmungsvolle Landschaften von ihr, die durch eine gewisse Zartheit des Empfindens ausgezeichnet sind, z. B. die Flußlandschaft in Mondscheinbeleuchtung mit dem großen Baum im Vordergrund; auch die Ansichten Amsterdamer oder Haarlemer Grachten haben bemerkenswerte Qualitäten. Später werden ihre Sachen unruhiger, nervöser, dramatischer und in der Ausführung skizzenhafter und dekorativer. Mit großer Vorliebe behandelt sie den Kampf und den Übergang zwischen Licht und Dunkel in der Natur; Kontraste in der Beleuchtung, schneller Wechsel in derselben, ziehen sie besonders an, ein plötzlich aus den Wolken brechendes Meer von Licht, wie etwa auf dem großgesehenen Rotterdamer Hafenbilde, oder ein eben beginnendes Gewitter mit seinen unheildrohenden dunkeln Wolken und den eigentümlichen Lichteffekten, wie auf einem anderen Bild aus dem Rotterdamer Hafen, das an Turner erinnert. Manche ihrer Landschaften haben durch das Überraschende der Beleuchtung etwas von Fata-Morgana-Erscheinungen, so verschiedene Motive aus Paris; auf einem dieser Bilder gibt der Gegensatz