gar nicht bestehen, weil sie nicht mit lauter Genies und führenden Persönlichkeiten, sondern auch mit redlich strebenden Talenten zu rechnen hat, die gerade das Füllsel zwischen den großen Meistern der älteren Moderne und der stürmischen Jugend bilden müßten. Vielleicht sieht man das jetzt auch ein und es bereitet sich langsam eine Versöhnung vor, die allen Berliner Kunstfreunden willkommen sein wird. Denn wir brauchen hier die Sezession wie’s liebe Brot und würden in den Sumpf geraten, wenn sie geschwächt oder gesprengt würde.
Im Kunstsalon Gurlitt sieht man zurzeit bemerkenswerte neue Arbeiten von Henri Matisse. Sie sind auf der Durchreise nach Moskau, wo ein Gönner des Pariser Malers mehrere der Bilder bestellt hat. Matisse selbst war schon vorher in der Zarenstadt, und man sieht deutlich, daß ihm dort von altrussischer Kunst her, namentlich von den Miniaturen der frühen Zeit, Anregungen zugeströmt sind, die ihn in Farbenwahl wie Komposition befruchtet haben. Er verband das dann mit den funkelnden Helligkeiten Nordafrikas, wo er die Themata dieser Gemälde fand. Am meisten interessieren davon drei zusammengehörige Bilder. Zwei Blicke aus einem Fenster und durch einen maurischen Rundbogen in die Ebene und aufs Meer, wo sich zwischen tiefblauen und grünen Schatten märchenhafte Sonnenhelle auftut. Zwischen ihnen als Mittelstück der Hof eines marokkanischen Hauses, in dem ein junges Mädchen auf dunklem Gebetteppich kniet. Das Matissesche Prinzip der Zerlegung und Vereinfachung gewählter Ausschnitte in stark leuchtende Felder reiner Lokalfarben, die alle bräunlichen und schwärzlichen Schatten und Modellierungen strikt vermeiden und fast im Sinne alter Mosaiken das völlig ins Malerische umgesetzte Wirklichkeitsbild streng an die Fläche halten, läßt sich an diesen Beispielen vortrefflich studieren. Ähnlich an diesem wundervollen neuen Stilleben aus Callablüten, Iris und Mimosen zwischen verschiedenfarbigen, etwas ausgeklügelt, aber delikat gewählten Vorhängen, einem Werke von außerordentlicher Qualität. Weniger, scheint mir, an den großen neuen Figurenstücken, in denen die Manier jener alten Miniaturen aufs Gemälde, das Aquarellartige auf die Öltechnik übertragen ist, wodurch sehr leicht eine Gefahr des Leeren, Plakatmäßigen entsteht. Die Farbenzusammenstellung interessiert auch hier ungemein, aber man findet mehr Geschmack als Qualität dabei, und keine sinnliche Kraft, die unmittelbar wirkte.
Vorher war bei Gurlitt eine Gruppe jüngerer Dresdener Künstler vertreten, die viel Beachtung fanden. Es waren drei Maler, Schüler von Gotthardt Kuehl: Ernst Müller- Graefe, der seine bemerkenswerten Vorarbeiten für die Wandgemälde im Treppenhause des Altenburger Museums zeigte; der Skandinave Johan Johansson, bei dem sich die Dresdener Schule mit nordischen Einflüssen, besonders Zügen von Zorn, mischt; G. A. Schreiber, der gute Porträtstudien schickte. Dazu dann ein sehr talentvoller junger Bildhauer Paul Pils, der vor allem an einem großen weiblichen Bronzekopf ein außerordentliches Gefühl für die abstrakte Reinheit der plastischen Form bekundet, die sich mit individueller Beseelung verbindet. — Zu gleicher Zeit stellte der junge Münchener Rudolf Hesse lustig kritzelnde und schnörkelnde Zeichnungen und Karikaturen aus, in denen sich eine starke Begabung offenbarte. Es scheinen darin Züge vom seligen Wilhelm Busch, ja, von Büschs Vorahner Rudolf Töpffer wieder lebendig geworden zu sein, ohne daß man von Nachahmung sprechen könnte. Ein wirklich witziger Kopf führt hier Bleistift und Feder.
Im Lichthofe des Kunstgewerbe-Museums ist soeben eine Ausstellung der Bauten eröffnet worden, die der kürzlich verstorbene, ausgezeichnete Architekt der Reichsbank,
Baurat Habicht, im Laufe der letzten Jahre für das Institut in ganz Deutschland geschaffen hat. Es ist höchst interessant, daß hier von Reichs wegen ein durchaus modern gesinntes Talent gefördert wurde; vergebens fragt man sich, warum bei so offenbaren Erfolgen unsere sonstigen offiziellen Instanzen sich dennoch dauernd mit meist unbedeutenden Kräften bei ihren Bauaufgaben begnügen. Habicht hat mit Geschick und feiner Anpassungsfähigkeit seine Bauten in den einzelnen Städten jeweilig ihrer Umgebung eingefügt, ohne etwa historisierende Stilspielereien zu treiben, vielmehr rein aus einem untrüglichen Gefühl dafür, wie er seine aus der Zeitempfindung erwachsene architektonische Anschauung mit den lokalen Bedingungen in Einklang bringen könnte.
Magdeburg. In der April-Ausstellung des Kunstvereins war als Vertreter der neueren Richtung Karl Caspar- München zu nennen. Caspar geht mehr auf plastischformale Bestrebungen aus; seine Farben sind etwas stumpf und matt. Er bevorzugt religiöse Themen, denen er durch eine vereinfachte Komposition und klare Gliederung der Figuren neue Seiten abgewinnen will, doch lösen sich seine Figuren nur schwer von dem Hintergründe, vielleicht ist dies eine Folge seiner fleckigen, meist ins Graue überspielenden Malweise. Seine Einzelfiguren und Akte gefallen mehr. Rein malerisch genommen sind die Gemälde der Ines Wetzel-Berlin wohl die stärksten der diesmaligen Ausstellung. Sie zeigt Landschaftsausschnitte aus der deutschen Tiefebene, namentlich aus der Mark. Kräftige, pastös aufgetragene Farben im Verein mit einer klaren Raumdarstellung geben den Bildern ihre gute Wirkung. Eine recht sympathische Künstlerpersönlichkeit ist auch Plinio Colombi, Wabern bei Bern; seine Darstellungen aus dem Hochgebirge, besonders Schneelandschaften, fallen durch ihre lichten und starken Farben auf. Auch ein paar Stilleben zeigen den feinen Geschmack des Künstlers. Bei den Stilleben von Robert Breyer-München stört die etwas verwirrende Fülle der Motive und ihre unruhige Wiedergabe; weniger würde auch hier mehr sein. Ziemlich unbedeutend sind die Bilder von Gustav Wimmer- Stettin. Trotz einer minutiösen Zeichnung sind seine Bilder flau und langweilig. In den unteren Räumen herrscht neben einer Ausstellung von Originalzeichnungen zum Simplizissimus das Kunstgewerbliche. Grete Asendorff- Steinmetz, Berlin-Steglitz, stellt recht hübsche kunstgewerbliche Kleinigkeiten, hauptsächlich Metallarbeiten aus. Die Möbel von Professor Richard Dorschfeldt-Magdeburg sind etwas reichlich schmucklos und glatt. Sehr gefällig wirken dagegen in Form und Farbe die Keramiken von Fritz von Heider-Magdeburg.
Frankfurt a. M. Der Kunstverein zeigte im April Entwürfe und Studien von Brütt (Cronberg) für die Ausmalung des Bürgersaales. Deutlicher fast als die ausgeführten großen Bilder zeigen die Studien die geschmackvolle Gesamtkomposition, deren wesentlichster Faktor die Farbe ist. — Das Kunstgewerbemuseum stellte Bühnenbilder und Figurinen von Ottomar Starke, dem Frankfurter Theatermaler, aus. Frankfurt hat allen Grund, sich seiner Tätigkeit dankbar zu freuen. Am besten gelungen scheinen mir die Dekorationen, Figurinen, Gruppenbildungen für Glucks Orpheus zu sein. Er erreicht hier sehr starke Wirkungen mit ganz einfachen, monumentalen, unrealistischen Formen der Landschaft, der Gebäude, mit reliefartiger Aufstellung und Schiebung des Chores, mit deutlicher Anlehnung an archaische Vasenbilder in der Kostümierung und Bewegung einzelner Figuren, in dem Rhythmus der Bewegung von Gruppen. Weniger sagt mir das archaisierende Moment in den Figurinen für Mozartsche
Im Kunstsalon Gurlitt sieht man zurzeit bemerkenswerte neue Arbeiten von Henri Matisse. Sie sind auf der Durchreise nach Moskau, wo ein Gönner des Pariser Malers mehrere der Bilder bestellt hat. Matisse selbst war schon vorher in der Zarenstadt, und man sieht deutlich, daß ihm dort von altrussischer Kunst her, namentlich von den Miniaturen der frühen Zeit, Anregungen zugeströmt sind, die ihn in Farbenwahl wie Komposition befruchtet haben. Er verband das dann mit den funkelnden Helligkeiten Nordafrikas, wo er die Themata dieser Gemälde fand. Am meisten interessieren davon drei zusammengehörige Bilder. Zwei Blicke aus einem Fenster und durch einen maurischen Rundbogen in die Ebene und aufs Meer, wo sich zwischen tiefblauen und grünen Schatten märchenhafte Sonnenhelle auftut. Zwischen ihnen als Mittelstück der Hof eines marokkanischen Hauses, in dem ein junges Mädchen auf dunklem Gebetteppich kniet. Das Matissesche Prinzip der Zerlegung und Vereinfachung gewählter Ausschnitte in stark leuchtende Felder reiner Lokalfarben, die alle bräunlichen und schwärzlichen Schatten und Modellierungen strikt vermeiden und fast im Sinne alter Mosaiken das völlig ins Malerische umgesetzte Wirklichkeitsbild streng an die Fläche halten, läßt sich an diesen Beispielen vortrefflich studieren. Ähnlich an diesem wundervollen neuen Stilleben aus Callablüten, Iris und Mimosen zwischen verschiedenfarbigen, etwas ausgeklügelt, aber delikat gewählten Vorhängen, einem Werke von außerordentlicher Qualität. Weniger, scheint mir, an den großen neuen Figurenstücken, in denen die Manier jener alten Miniaturen aufs Gemälde, das Aquarellartige auf die Öltechnik übertragen ist, wodurch sehr leicht eine Gefahr des Leeren, Plakatmäßigen entsteht. Die Farbenzusammenstellung interessiert auch hier ungemein, aber man findet mehr Geschmack als Qualität dabei, und keine sinnliche Kraft, die unmittelbar wirkte.
Vorher war bei Gurlitt eine Gruppe jüngerer Dresdener Künstler vertreten, die viel Beachtung fanden. Es waren drei Maler, Schüler von Gotthardt Kuehl: Ernst Müller- Graefe, der seine bemerkenswerten Vorarbeiten für die Wandgemälde im Treppenhause des Altenburger Museums zeigte; der Skandinave Johan Johansson, bei dem sich die Dresdener Schule mit nordischen Einflüssen, besonders Zügen von Zorn, mischt; G. A. Schreiber, der gute Porträtstudien schickte. Dazu dann ein sehr talentvoller junger Bildhauer Paul Pils, der vor allem an einem großen weiblichen Bronzekopf ein außerordentliches Gefühl für die abstrakte Reinheit der plastischen Form bekundet, die sich mit individueller Beseelung verbindet. — Zu gleicher Zeit stellte der junge Münchener Rudolf Hesse lustig kritzelnde und schnörkelnde Zeichnungen und Karikaturen aus, in denen sich eine starke Begabung offenbarte. Es scheinen darin Züge vom seligen Wilhelm Busch, ja, von Büschs Vorahner Rudolf Töpffer wieder lebendig geworden zu sein, ohne daß man von Nachahmung sprechen könnte. Ein wirklich witziger Kopf führt hier Bleistift und Feder.
Im Lichthofe des Kunstgewerbe-Museums ist soeben eine Ausstellung der Bauten eröffnet worden, die der kürzlich verstorbene, ausgezeichnete Architekt der Reichsbank,
Baurat Habicht, im Laufe der letzten Jahre für das Institut in ganz Deutschland geschaffen hat. Es ist höchst interessant, daß hier von Reichs wegen ein durchaus modern gesinntes Talent gefördert wurde; vergebens fragt man sich, warum bei so offenbaren Erfolgen unsere sonstigen offiziellen Instanzen sich dennoch dauernd mit meist unbedeutenden Kräften bei ihren Bauaufgaben begnügen. Habicht hat mit Geschick und feiner Anpassungsfähigkeit seine Bauten in den einzelnen Städten jeweilig ihrer Umgebung eingefügt, ohne etwa historisierende Stilspielereien zu treiben, vielmehr rein aus einem untrüglichen Gefühl dafür, wie er seine aus der Zeitempfindung erwachsene architektonische Anschauung mit den lokalen Bedingungen in Einklang bringen könnte.
Magdeburg. In der April-Ausstellung des Kunstvereins war als Vertreter der neueren Richtung Karl Caspar- München zu nennen. Caspar geht mehr auf plastischformale Bestrebungen aus; seine Farben sind etwas stumpf und matt. Er bevorzugt religiöse Themen, denen er durch eine vereinfachte Komposition und klare Gliederung der Figuren neue Seiten abgewinnen will, doch lösen sich seine Figuren nur schwer von dem Hintergründe, vielleicht ist dies eine Folge seiner fleckigen, meist ins Graue überspielenden Malweise. Seine Einzelfiguren und Akte gefallen mehr. Rein malerisch genommen sind die Gemälde der Ines Wetzel-Berlin wohl die stärksten der diesmaligen Ausstellung. Sie zeigt Landschaftsausschnitte aus der deutschen Tiefebene, namentlich aus der Mark. Kräftige, pastös aufgetragene Farben im Verein mit einer klaren Raumdarstellung geben den Bildern ihre gute Wirkung. Eine recht sympathische Künstlerpersönlichkeit ist auch Plinio Colombi, Wabern bei Bern; seine Darstellungen aus dem Hochgebirge, besonders Schneelandschaften, fallen durch ihre lichten und starken Farben auf. Auch ein paar Stilleben zeigen den feinen Geschmack des Künstlers. Bei den Stilleben von Robert Breyer-München stört die etwas verwirrende Fülle der Motive und ihre unruhige Wiedergabe; weniger würde auch hier mehr sein. Ziemlich unbedeutend sind die Bilder von Gustav Wimmer- Stettin. Trotz einer minutiösen Zeichnung sind seine Bilder flau und langweilig. In den unteren Räumen herrscht neben einer Ausstellung von Originalzeichnungen zum Simplizissimus das Kunstgewerbliche. Grete Asendorff- Steinmetz, Berlin-Steglitz, stellt recht hübsche kunstgewerbliche Kleinigkeiten, hauptsächlich Metallarbeiten aus. Die Möbel von Professor Richard Dorschfeldt-Magdeburg sind etwas reichlich schmucklos und glatt. Sehr gefällig wirken dagegen in Form und Farbe die Keramiken von Fritz von Heider-Magdeburg.
Frankfurt a. M. Der Kunstverein zeigte im April Entwürfe und Studien von Brütt (Cronberg) für die Ausmalung des Bürgersaales. Deutlicher fast als die ausgeführten großen Bilder zeigen die Studien die geschmackvolle Gesamtkomposition, deren wesentlichster Faktor die Farbe ist. — Das Kunstgewerbemuseum stellte Bühnenbilder und Figurinen von Ottomar Starke, dem Frankfurter Theatermaler, aus. Frankfurt hat allen Grund, sich seiner Tätigkeit dankbar zu freuen. Am besten gelungen scheinen mir die Dekorationen, Figurinen, Gruppenbildungen für Glucks Orpheus zu sein. Er erreicht hier sehr starke Wirkungen mit ganz einfachen, monumentalen, unrealistischen Formen der Landschaft, der Gebäude, mit reliefartiger Aufstellung und Schiebung des Chores, mit deutlicher Anlehnung an archaische Vasenbilder in der Kostümierung und Bewegung einzelner Figuren, in dem Rhythmus der Bewegung von Gruppen. Weniger sagt mir das archaisierende Moment in den Figurinen für Mozartsche