KUNSTCHRONIK
Neue Folge. XXIV. Jahrgang 1912/1913 Nr. 27. 4. April 1913
Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark. Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a. Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.
DIE LETZTJÄHRIGEN AUSGRABUNGEN IN ÄGYPTEN
In meiner »Archäologischen Nachlese« (»Kunstchronik« 1912/13 Nr. 10 und 11) mußte ich Ägypten übergehen, da trotz mannigfacher in Zeitungen und Zeitschriften übergegangener Einzelnachrichten über archäologische Ausgrabungen und Funde im Nillande, von denen auch an dieser Stelle Kenntnis genommen wurde (siehe »Kunstchronik« 1911/12, Spalten 277, 316, 503, 521), eine systematische Berichterstattung nur an der Hand offizieller Publikationen möglich ist. Der »Archaeologieal Report« des Egypt Exploration Fund bringt nun Offizielles nicht allein über die Arbeiten des Egypt Exploration Fund selbst, sondern ihm werden auch von den Leitern anderer an der Archäologie Ägyptens interessierter Institutionen, als British School inkl. Egyptian Research Account, Archaeologieal Survey usw. maßgebliche Mitteilungen über ihre jeweilige Tätigkeit gemacht. Lückenlos ist jedoch der Report des Egypt Exploration Fund keineswegs, so daß auch unsere archäologische Nachlese aus Ägypten noch der Ergänzungen bedarf.
Der Egypt Exploration Fund selbst hat seine ganze Tätigkeit auf Abydos konzentriert, wo er an der Stätte, wo man das Osireion annimmt, ganz bedeutende Resultate erzielt hat. Abydos war schon im Altertum durch seinen Osirisdienst berühmt. Es war eine der ältesten Städte des Landes, und ein Heiligtum des Gottes muß schon zu sehr früher Zeit da gestanden haben. Ob der Gott schon ursprünglich den Namen getragen hat, ist nicht sicher. Als Schakal- oder Hundegott wurde er auch Apuatu oder Upuatu genannt. Vor zwei Jahren wurde, nicht weit von dem Tempel Ramses II., auch ein Schakal- oder Hundsfriedhof gefunden. Strabo beschreibt die gewaltigen Bauten, die er dort selbst sah; denn es war ein besonders heiliger Ort, da man annahm, daß das Haupt des Gottes Osiris in einem sogenannten Osiristempel begraben worden war, der sicherlich der von Seti I. erbaute und seinem Sohne Ramses II. erweiterte Tempel war, dessen Skulpturen ihn als das »Memnonium« des Gottes erweisen. Frühere, über die Tempel hinausgehende Ausgrabungen sind nicht gediehen. Erst Miß Murray hat hinter dem Tempel in den noch zu dem Tempeltemenos gehörigen Gebieten gegraben und hat eine unterirdische, in den Mergel der Wüste eingeschnittene Halle gefunden, deren Wände mit Texten des Totenbuches geschmückt waren und alle den Namen des Pharao Merneptah, des Sohnes Ramses II. tragen. Die Halle endigt in eine kleine, ebenfalls mit Grabfiguren und Texten geschmückte Kammer. Gerade vor der Kammer wies ein mit einer Platte geschlossener Torweg auf eine dahinter beginnende Passage. Weiter
war Miß Murray nicht gekommen, und hier begannen die letzten Ausgrabungen von Flinders Petrie, der zunächst in die Passage eindrang, die bis fast an ihre Decke mit Schutt gefüllt war. Sie führte abwärts auf einem in den Mergel geschnittenen Wege und die Seitenwände waren gut erhalten. Monolithe Sandsteine, welche die Decke gebildet haben, waren bis auf einen weggeschleppt. Auf beiden Seiten des Weges fanden sich gut ausgeführte Kapitel aus dem Totenbuche. Der Tote war Merneptah. Eine ausgezeichnete, in dem Archaeologieal Report des Egypt Explor. Fund abgebildete Platte zeigt u. a. Merneptah, wie er am Brettspiele sitzt, wobei jeder Stein ein verschiedenes Tier darstellt. — Nach 14 m abwärts gehendem Wege endigte die Passage horizontal auf weite Kammern und einen mit einem gewaltigen Monolith von fast 5 m Länge geschlossenen Abschluß; hinter diesem Monolith standen noch zwei andere von gleicher Größe und Dicke. Dahinter waren weitere Kammern. Die Kammern sind nur teilweise ausgeräumt worden. Eine ähnliche Konstruktion wie diese gewaltige Anlage, die mit Monolithblöcken bedeckt war, worauf gewaltige Sandablagen sich gelegt hatten, ist in Ägypten nicht bekannt. Sie sieht aus, als wenn sie das Kenotaph des Merneptah selbst gewesen sei, aber jedenfalls nicht ursprünglich, sondern sie war von ihm usurpiert worden. Die Wände der Kammern lassen auf die zwölfte Dynastie schließen. Die Inschriften weisen dann direkt auf die Usurpation durch Merneptah. Und daß sie nicht ursprünglich für ihn bestimmt war, geht auch noch aus der Anlage der Texte hervor, die oft nicht mit den Vignetten korrespondieren und überhaupt stark in Unordnung sind.
Aus den Arbeiten an den Grabanlagen und Friedhöfen von Abydos, die ebenfalls von dem Egypt Exploration Fund vorgenommen worden sind, hat T. Eric Peet verschiedenes Wichtige zu bemerken. In dem großen südlichen Friedhof von Abydos wurden eine Anzahl allerdings recht armseliger Schaftgräber der sechsten Dynastie untersucht. Dabei kamen auch zwei kleine Mastabas aus Ziegeln zutage, die in die ptolemäische Periode oder unmittelbar vorher zu datieren sind. — Hierauf wurde ein großer Friedhof mit Schaftgräbern und Mastabas aus der Zeit kurz vor der zwölften Dynastie zwischen der Ruine Shunet-ez- Zebib und dem bebauten Land untersucht, welches ganze Gebiet noch ziemlich jungfräulich war. Die hier aufgedeckten Mastabas sind alle viereckig, fast rechteckig, die Kammer ist klein und durch eine gewölbte Tür in der Ostseite der Mastaba zugänglich. Zuweilen lag ein kleiner Hof mit niederem Wall davor. Die Stele mit dem Abbild des Toten stand meist gegenüber dem Eingang. Eine große Anzahl
Neue Folge. XXIV. Jahrgang 1912/1913 Nr. 27. 4. April 1913
Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark. Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a. Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.
DIE LETZTJÄHRIGEN AUSGRABUNGEN IN ÄGYPTEN
In meiner »Archäologischen Nachlese« (»Kunstchronik« 1912/13 Nr. 10 und 11) mußte ich Ägypten übergehen, da trotz mannigfacher in Zeitungen und Zeitschriften übergegangener Einzelnachrichten über archäologische Ausgrabungen und Funde im Nillande, von denen auch an dieser Stelle Kenntnis genommen wurde (siehe »Kunstchronik« 1911/12, Spalten 277, 316, 503, 521), eine systematische Berichterstattung nur an der Hand offizieller Publikationen möglich ist. Der »Archaeologieal Report« des Egypt Exploration Fund bringt nun Offizielles nicht allein über die Arbeiten des Egypt Exploration Fund selbst, sondern ihm werden auch von den Leitern anderer an der Archäologie Ägyptens interessierter Institutionen, als British School inkl. Egyptian Research Account, Archaeologieal Survey usw. maßgebliche Mitteilungen über ihre jeweilige Tätigkeit gemacht. Lückenlos ist jedoch der Report des Egypt Exploration Fund keineswegs, so daß auch unsere archäologische Nachlese aus Ägypten noch der Ergänzungen bedarf.
Der Egypt Exploration Fund selbst hat seine ganze Tätigkeit auf Abydos konzentriert, wo er an der Stätte, wo man das Osireion annimmt, ganz bedeutende Resultate erzielt hat. Abydos war schon im Altertum durch seinen Osirisdienst berühmt. Es war eine der ältesten Städte des Landes, und ein Heiligtum des Gottes muß schon zu sehr früher Zeit da gestanden haben. Ob der Gott schon ursprünglich den Namen getragen hat, ist nicht sicher. Als Schakal- oder Hundegott wurde er auch Apuatu oder Upuatu genannt. Vor zwei Jahren wurde, nicht weit von dem Tempel Ramses II., auch ein Schakal- oder Hundsfriedhof gefunden. Strabo beschreibt die gewaltigen Bauten, die er dort selbst sah; denn es war ein besonders heiliger Ort, da man annahm, daß das Haupt des Gottes Osiris in einem sogenannten Osiristempel begraben worden war, der sicherlich der von Seti I. erbaute und seinem Sohne Ramses II. erweiterte Tempel war, dessen Skulpturen ihn als das »Memnonium« des Gottes erweisen. Frühere, über die Tempel hinausgehende Ausgrabungen sind nicht gediehen. Erst Miß Murray hat hinter dem Tempel in den noch zu dem Tempeltemenos gehörigen Gebieten gegraben und hat eine unterirdische, in den Mergel der Wüste eingeschnittene Halle gefunden, deren Wände mit Texten des Totenbuches geschmückt waren und alle den Namen des Pharao Merneptah, des Sohnes Ramses II. tragen. Die Halle endigt in eine kleine, ebenfalls mit Grabfiguren und Texten geschmückte Kammer. Gerade vor der Kammer wies ein mit einer Platte geschlossener Torweg auf eine dahinter beginnende Passage. Weiter
war Miß Murray nicht gekommen, und hier begannen die letzten Ausgrabungen von Flinders Petrie, der zunächst in die Passage eindrang, die bis fast an ihre Decke mit Schutt gefüllt war. Sie führte abwärts auf einem in den Mergel geschnittenen Wege und die Seitenwände waren gut erhalten. Monolithe Sandsteine, welche die Decke gebildet haben, waren bis auf einen weggeschleppt. Auf beiden Seiten des Weges fanden sich gut ausgeführte Kapitel aus dem Totenbuche. Der Tote war Merneptah. Eine ausgezeichnete, in dem Archaeologieal Report des Egypt Explor. Fund abgebildete Platte zeigt u. a. Merneptah, wie er am Brettspiele sitzt, wobei jeder Stein ein verschiedenes Tier darstellt. — Nach 14 m abwärts gehendem Wege endigte die Passage horizontal auf weite Kammern und einen mit einem gewaltigen Monolith von fast 5 m Länge geschlossenen Abschluß; hinter diesem Monolith standen noch zwei andere von gleicher Größe und Dicke. Dahinter waren weitere Kammern. Die Kammern sind nur teilweise ausgeräumt worden. Eine ähnliche Konstruktion wie diese gewaltige Anlage, die mit Monolithblöcken bedeckt war, worauf gewaltige Sandablagen sich gelegt hatten, ist in Ägypten nicht bekannt. Sie sieht aus, als wenn sie das Kenotaph des Merneptah selbst gewesen sei, aber jedenfalls nicht ursprünglich, sondern sie war von ihm usurpiert worden. Die Wände der Kammern lassen auf die zwölfte Dynastie schließen. Die Inschriften weisen dann direkt auf die Usurpation durch Merneptah. Und daß sie nicht ursprünglich für ihn bestimmt war, geht auch noch aus der Anlage der Texte hervor, die oft nicht mit den Vignetten korrespondieren und überhaupt stark in Unordnung sind.
Aus den Arbeiten an den Grabanlagen und Friedhöfen von Abydos, die ebenfalls von dem Egypt Exploration Fund vorgenommen worden sind, hat T. Eric Peet verschiedenes Wichtige zu bemerken. In dem großen südlichen Friedhof von Abydos wurden eine Anzahl allerdings recht armseliger Schaftgräber der sechsten Dynastie untersucht. Dabei kamen auch zwei kleine Mastabas aus Ziegeln zutage, die in die ptolemäische Periode oder unmittelbar vorher zu datieren sind. — Hierauf wurde ein großer Friedhof mit Schaftgräbern und Mastabas aus der Zeit kurz vor der zwölften Dynastie zwischen der Ruine Shunet-ez- Zebib und dem bebauten Land untersucht, welches ganze Gebiet noch ziemlich jungfräulich war. Die hier aufgedeckten Mastabas sind alle viereckig, fast rechteckig, die Kammer ist klein und durch eine gewölbte Tür in der Ostseite der Mastaba zugänglich. Zuweilen lag ein kleiner Hof mit niederem Wall davor. Die Stele mit dem Abbild des Toten stand meist gegenüber dem Eingang. Eine große Anzahl