derne« schwören, und deren Verständnis a priori für sich in Anspruch nähmen. Im Gegenteil. Ihr Erscheinen ist eine Demonstration, ein Protest wider den Versuch der Einbürgerung der Moderne in jene Räume, in denen ihnen gewissermaßen die Übung des Hausrechtes zusteht. Und eine »zweifelhafte Gesellschaft« sind »die Modernen« immer noch für viele Stammgäste des Kunstvereins. Selbst Max Liebermann ist bei diesen über einiges Naserümpfen immer noch nicht hinaus.
Die Aprilausstellung des Kunstvereins hat wieder einmal einen kleinen Entrüstungssturm aufgewühlt. Der seit kurzem mit der Leitung der Vereinsgeschäfte betraute Sekretär Hofrat Brodersen hat einige Kollektionen ausgestellt, die nach dem Dafürhalten der Freunde der betreffenden Maler — Othon Friesz, Robert Genin und Prof. E. R. Weiß — mit viel Liebe gemalt sind, was nicht hinderte, daß sie bei dem Stamm der Vereinsmitglieder auf keine Gegenliebe trafen. Offenbar hat es schriftliche und mündliche Angriffe geregnet. Denn der in die Enge getriebene Hofrat veröffentlichte in den hiesigen Zeitungen eine Erklärung, in der er daran erinnert, daß es Aufgabe der Vereinsleitung sei, auch Werke von solchen Künstlern vorzuführen, die »noch um Geltung ringen«. Von den umstrittenen Künstlern ist Othon Friesz die stärkste Begabung, obwohl seine durchaus flächigen Gemälde, die wie Gobelinmuster wirken, unverkennbar unter Mareesscher und der Einwirkung von Puvis de Chavannes stehen. Auch Robert Genin, in Neigung und Richtung jenem wesensverwandt, gefällt sich in archaisierenden Darstellungen, während Professor Weiß in seinen Figuren- und Landschaftsbildern mit Behagen im Fahrwasser des Neo-Impressionismus dahintreibt. Ich will weder bei der Frage verweilen, ob die qualitative Beschaffenheit dieser Gemälde eine rechtliche Ünterlage für die Proteste bietet, noch auch dabei, ob die Aufstellung Brodersens von dem Ausstellungsrecht der Werke auch solcher Künstler, »die noch um Geltung ringen«, über allen Einspruch hinaus erhaben ist. Einst galt freilich auch von der Kunst wie von den Naturprodukten der Satz, daß nur die ausgereifte Frucht auf den Markt gebracht werden solle. Doch hat sich ja darin so vieles geändert.
In den letzten Wochen waren hier drei Sammlungen ausgestellt, die zum Teil schon unter den Hammer gekommen sind, teils im Mai versteigert werden sollen. Die eine Sammlung enthielt Hamburgensien, die zweite vorwiegend Arbeiten der ostasiatischen Kleinkunst, die dritte Werke moderner Meisterradierer (Israels, Zorn, Liebermann, Kalckreuth, Corinth u. a.). Das Interessanteste an diesen Sammlungen bestand darin, daß sie eben in Hamburg angelegt und Ausfluß waren ganz persönlicher Neigungen ihrer Besitzer. Vor einem Menschenalter konnte man nämlich in Häusern selbst reicher Hamburger Kaufherren wohl wertvolle Gobelins, Teppiche, und mit Vorliebe Waffen aus den entlegensten Weltteilen finden, doch selten nur, daß man auf ein gutes Gemälde oder ein anderes Kunstwerk traf. Fand sich dennoch eines, so war es in der Mehrheit der Fälle durch Zufall hierher verschlagen; der innere Zusammenhang fehlte, fehlte vollends im Sammeln. Sammler von Werken der freien oder angewandten Kunst waren weiße Raben.
Von den in der letzten Zeit hier veranstalteten mancherlei Ausstellungen hat die des Dresdeners Arthur Rudolf (Galerie Commeter) das lebhafteste Interesse erweckt. Im Kolorit und in der Wahl der Sujets nicht selten von einem frappierenden Wagemut, der in einzelnen Fällen (wie z. B. in einem Selbstbildnis als Ganzakt und in einem Kniebild Carl Hauptmanns) hart die Grenzen des Zulässigen streift, offenbart sich in diesen Arbeiten ein starkes Talent, dessen Vorführung gewiß keinerlei Einspruch aufkommen
läßt, obwohl es sich auch hier um einen noch im Stadium des Ringens nach Geltung stehenden Künstler handelt.
Eine (im Kunstsalon L. Bock & Sohn) gezeigte Reihe von Ganzbildnissen des Hamburgers Hermann Kauffmann ist für den Konservatismus in der Hamburger Bildnismalerei ebenso bezeichnend wie für die Stellung des Künstlers in der zeitgenössischen Kunst. Man fühlt förmlich den Zwang, der den Künstler nötigt, alles auf den inneren Einklang mit der vornehmen Wohnungseinrichtung abzustimmen, doch ist in diesen wohl frisierten Gemälden so manches enthalten, was darauf hinweist, daß es dem Künstler auch nicht an Rassigkeit fehlte, wenn die Auftraggeber nur »rassig« hätten gemalt sein wollen.
H. E. Wallsee.
Londoner Ausstellungen. In der »Leicester- Galerie« werden dem Publikum eine bedeutende Anzahl von Arbeiten dreier Künstler, darunter die des verstorbenen William Callow geboten. Er war hinreichend bekannt als Aquarellmaler, und infolge einer außergewöhnlich langen Schaffensperiode bildete er gewißermaßen das Bindeglied zwischen der alten englischen und der neuen Schule in dem genannten Spezialzweige. Was aber niemand in den betreffenden Fachkreisen bisher gewußt hatte, ist die Tatsache, daß der verstorbene Künstler ein vollendeter Bleistiftzeichner war, und daß alle Welt geglaubt hatte, seine Aquarellen seien sozusagen auf den ersten Wurf hin, namentlich ohne jede Unterlage von Skizzen entstanden. Aus den in der Ausstellung vorhandenen Bleistiftblättern erkennen wir nun aber deutlich, daß es diese an Ort und Stelle angefertigten Arbeiten waren, welche als Grundlage für die Ausführung seiner hochgeschätzten Aquarellen dienten. Der Irrtum ist um so erklärlicher, weil alle seine Bilder unmittelbare Verbindung mit der Natur bezeugen und, ganz besonders in der Wiedergabe der Atmosphäre und des Lichtes, die wunderbar feinsten Nuancen wahrheitsgetreu darbieten. Selbst die besten Freunde des Künstlers kannten die hier vereinigte Sammlung nicht, die sich übrigens auf die Jahre 1840—1880 verteilt und als Sujets ländliche englische Szenerien enthält. — Im vollen Gegensatz zu Callow steht der Akademiker Herbert Draper, von dem hier eine Reihe sehr hübscher Alpenlandschaften vereinigt sind. Was ihnen an Kraft und Tiefe abgeht, hat der Künstler durch Eleganz und Schönheit ersetzt. Er idealisiert und hält an der klassischen Auffassung unter allen Umständen fest. Seine Landschaften sind durch Nymphen und Najaden belebt, die er meistens in süditalienische Gebirgsszenerien versetzt. — Der dritte Künstler, der endlich in der Leicester-Galerie ausstellt, ist A. J. Munnings, ein verhältnismäßig noch junger Maler, der sich als entschiedener Impressionist auf keinerlei Kompromisse einläßt. Seine Stärke beruht in der Darstellung der eigenartigsten Lichteffekte in Genrebildern. Unter diesen hebe ich hervor »Die Ernte« und »Das Bootshaus«.
Zwei junge Damen von ungewöhnlichem und vielversprechendem Talent, Miß Amelia Bowerley und Miß Estella Canziani, stellten gemeinschaftlich in der Privatwohnung der letzteren, 3. Palace Green, eine Reihe von recht gelungenen Bildern aus. Über den Werdegang der ersteren, die aus einer Künstlerfamilie stammt, und Mitglied der hiesigen »Maler-Radierer«, des »Royal Art Club« und der »Womens Guild of Arts« ist, mögen einige Worte gestattet sein: Der verstorbene Vater der Malerin hat zahlreiche Porträts der königlichen Familie hergestellt, so unter anderen das des Königs Georg V. als Kind, des Herzogs von Clarence, der Prinzessin Louise. Ihre Studien begann Miß Bowerley in München, während sie später in London unter der Anleitung von Sir Frank
Die Aprilausstellung des Kunstvereins hat wieder einmal einen kleinen Entrüstungssturm aufgewühlt. Der seit kurzem mit der Leitung der Vereinsgeschäfte betraute Sekretär Hofrat Brodersen hat einige Kollektionen ausgestellt, die nach dem Dafürhalten der Freunde der betreffenden Maler — Othon Friesz, Robert Genin und Prof. E. R. Weiß — mit viel Liebe gemalt sind, was nicht hinderte, daß sie bei dem Stamm der Vereinsmitglieder auf keine Gegenliebe trafen. Offenbar hat es schriftliche und mündliche Angriffe geregnet. Denn der in die Enge getriebene Hofrat veröffentlichte in den hiesigen Zeitungen eine Erklärung, in der er daran erinnert, daß es Aufgabe der Vereinsleitung sei, auch Werke von solchen Künstlern vorzuführen, die »noch um Geltung ringen«. Von den umstrittenen Künstlern ist Othon Friesz die stärkste Begabung, obwohl seine durchaus flächigen Gemälde, die wie Gobelinmuster wirken, unverkennbar unter Mareesscher und der Einwirkung von Puvis de Chavannes stehen. Auch Robert Genin, in Neigung und Richtung jenem wesensverwandt, gefällt sich in archaisierenden Darstellungen, während Professor Weiß in seinen Figuren- und Landschaftsbildern mit Behagen im Fahrwasser des Neo-Impressionismus dahintreibt. Ich will weder bei der Frage verweilen, ob die qualitative Beschaffenheit dieser Gemälde eine rechtliche Ünterlage für die Proteste bietet, noch auch dabei, ob die Aufstellung Brodersens von dem Ausstellungsrecht der Werke auch solcher Künstler, »die noch um Geltung ringen«, über allen Einspruch hinaus erhaben ist. Einst galt freilich auch von der Kunst wie von den Naturprodukten der Satz, daß nur die ausgereifte Frucht auf den Markt gebracht werden solle. Doch hat sich ja darin so vieles geändert.
In den letzten Wochen waren hier drei Sammlungen ausgestellt, die zum Teil schon unter den Hammer gekommen sind, teils im Mai versteigert werden sollen. Die eine Sammlung enthielt Hamburgensien, die zweite vorwiegend Arbeiten der ostasiatischen Kleinkunst, die dritte Werke moderner Meisterradierer (Israels, Zorn, Liebermann, Kalckreuth, Corinth u. a.). Das Interessanteste an diesen Sammlungen bestand darin, daß sie eben in Hamburg angelegt und Ausfluß waren ganz persönlicher Neigungen ihrer Besitzer. Vor einem Menschenalter konnte man nämlich in Häusern selbst reicher Hamburger Kaufherren wohl wertvolle Gobelins, Teppiche, und mit Vorliebe Waffen aus den entlegensten Weltteilen finden, doch selten nur, daß man auf ein gutes Gemälde oder ein anderes Kunstwerk traf. Fand sich dennoch eines, so war es in der Mehrheit der Fälle durch Zufall hierher verschlagen; der innere Zusammenhang fehlte, fehlte vollends im Sammeln. Sammler von Werken der freien oder angewandten Kunst waren weiße Raben.
Von den in der letzten Zeit hier veranstalteten mancherlei Ausstellungen hat die des Dresdeners Arthur Rudolf (Galerie Commeter) das lebhafteste Interesse erweckt. Im Kolorit und in der Wahl der Sujets nicht selten von einem frappierenden Wagemut, der in einzelnen Fällen (wie z. B. in einem Selbstbildnis als Ganzakt und in einem Kniebild Carl Hauptmanns) hart die Grenzen des Zulässigen streift, offenbart sich in diesen Arbeiten ein starkes Talent, dessen Vorführung gewiß keinerlei Einspruch aufkommen
läßt, obwohl es sich auch hier um einen noch im Stadium des Ringens nach Geltung stehenden Künstler handelt.
Eine (im Kunstsalon L. Bock & Sohn) gezeigte Reihe von Ganzbildnissen des Hamburgers Hermann Kauffmann ist für den Konservatismus in der Hamburger Bildnismalerei ebenso bezeichnend wie für die Stellung des Künstlers in der zeitgenössischen Kunst. Man fühlt förmlich den Zwang, der den Künstler nötigt, alles auf den inneren Einklang mit der vornehmen Wohnungseinrichtung abzustimmen, doch ist in diesen wohl frisierten Gemälden so manches enthalten, was darauf hinweist, daß es dem Künstler auch nicht an Rassigkeit fehlte, wenn die Auftraggeber nur »rassig« hätten gemalt sein wollen.
H. E. Wallsee.
Londoner Ausstellungen. In der »Leicester- Galerie« werden dem Publikum eine bedeutende Anzahl von Arbeiten dreier Künstler, darunter die des verstorbenen William Callow geboten. Er war hinreichend bekannt als Aquarellmaler, und infolge einer außergewöhnlich langen Schaffensperiode bildete er gewißermaßen das Bindeglied zwischen der alten englischen und der neuen Schule in dem genannten Spezialzweige. Was aber niemand in den betreffenden Fachkreisen bisher gewußt hatte, ist die Tatsache, daß der verstorbene Künstler ein vollendeter Bleistiftzeichner war, und daß alle Welt geglaubt hatte, seine Aquarellen seien sozusagen auf den ersten Wurf hin, namentlich ohne jede Unterlage von Skizzen entstanden. Aus den in der Ausstellung vorhandenen Bleistiftblättern erkennen wir nun aber deutlich, daß es diese an Ort und Stelle angefertigten Arbeiten waren, welche als Grundlage für die Ausführung seiner hochgeschätzten Aquarellen dienten. Der Irrtum ist um so erklärlicher, weil alle seine Bilder unmittelbare Verbindung mit der Natur bezeugen und, ganz besonders in der Wiedergabe der Atmosphäre und des Lichtes, die wunderbar feinsten Nuancen wahrheitsgetreu darbieten. Selbst die besten Freunde des Künstlers kannten die hier vereinigte Sammlung nicht, die sich übrigens auf die Jahre 1840—1880 verteilt und als Sujets ländliche englische Szenerien enthält. — Im vollen Gegensatz zu Callow steht der Akademiker Herbert Draper, von dem hier eine Reihe sehr hübscher Alpenlandschaften vereinigt sind. Was ihnen an Kraft und Tiefe abgeht, hat der Künstler durch Eleganz und Schönheit ersetzt. Er idealisiert und hält an der klassischen Auffassung unter allen Umständen fest. Seine Landschaften sind durch Nymphen und Najaden belebt, die er meistens in süditalienische Gebirgsszenerien versetzt. — Der dritte Künstler, der endlich in der Leicester-Galerie ausstellt, ist A. J. Munnings, ein verhältnismäßig noch junger Maler, der sich als entschiedener Impressionist auf keinerlei Kompromisse einläßt. Seine Stärke beruht in der Darstellung der eigenartigsten Lichteffekte in Genrebildern. Unter diesen hebe ich hervor »Die Ernte« und »Das Bootshaus«.
Zwei junge Damen von ungewöhnlichem und vielversprechendem Talent, Miß Amelia Bowerley und Miß Estella Canziani, stellten gemeinschaftlich in der Privatwohnung der letzteren, 3. Palace Green, eine Reihe von recht gelungenen Bildern aus. Über den Werdegang der ersteren, die aus einer Künstlerfamilie stammt, und Mitglied der hiesigen »Maler-Radierer«, des »Royal Art Club« und der »Womens Guild of Arts« ist, mögen einige Worte gestattet sein: Der verstorbene Vater der Malerin hat zahlreiche Porträts der königlichen Familie hergestellt, so unter anderen das des Königs Georg V. als Kind, des Herzogs von Clarence, der Prinzessin Louise. Ihre Studien begann Miß Bowerley in München, während sie später in London unter der Anleitung von Sir Frank