den erhabensten Träumen des menschlichen Geistes gleich, er wird geprügelt und verspottet, aber niemals sinkt er zur Niedrigkeit des täglichen Lebensschmutzes herab, stets bewahrt er sich die reine, in der schönsten Idealwelt schwebende Seele. So hat Gandara ihn gemalt, häßlich, mager, zerrissen, zerbläut, mit eingefallenen Wangen, schielendem Auge und dabei jeder Zoll ein Ritter ohne Furcht und Tadel, das Prototyp des Idealisten, dem keine Verleumdung, kein Spott, keine Feindseligkeit etwas anhaben kann. Wahrscheinlich konnte nur ein Spanier diese wunderbare Verkörperung des spanischen oder vielmehr des kastilischen Volkes so erschöpfend darslellen, wie es Antonio de Ia Gandara gelungen ist, aber auch die Spanier —und Gott weiß, wie oft sie es versucht haben! — sind niemals dem scharfsinnigen Edlen von der Mancha so auf Herz und Nieren gegangen wie Gandara. Wenn seine Porträts und Landschaften alle vergessen sind, wird dieser Don Quijote den Namen seines Malers auf die Nachwelt bringen.
Vielleicht aus rein persönlichen Gründen (denn wenn man mir alle Bücher wegnähme und nur den Don Quijote ließe, würde ich nicht sehr klagen) hat mir diese Arbeit Gandaras so sehr gefallen, und vielleicht sind es auch persönliche Gründe, die mich vor den venezianischen Ansichten von J. J. Gabriel festhielten. Venedig wird erschrecklich viel gemalt. Es gibt keine Ausstellung von hundert Nummern, wo Venedig nicht wenigstens fünf- oder sechsmal vertreten wäre. Aber es geht damit wie mit Don Quijote oder wie mit Beethoven, der auch erschrecklich oft das Opfer der bildenden Künstler ist. Nur äußerst selten dringt ein Künstler bis auf das innerste Wesendes Themas ein, nur sehrvereinzelt zeigt man uns ein Venedig, das wirklich das Venedig ist, das wir in der Erinnerung aus der Lagunenstadt mit uns weggenommen haben. Gabriel ist einer der seltenen Maler, dem der Griff gelungen ist, vor dessen Bildern man Heimweh nach den Kanälen und ihren Palästen bekommt und aufs neue von dem Zauber umsponnen wird, der nun schon so gänzlich abgeleiert und banalisiert scheint, aber nicht ist; so wenig wie das Thema Dantes, Don Quijotes oder Beethovens ausgeleiert ist, weil tausend schlechte und mittelmäßige Maler und Bildhauer uns mit ihren Auslegungen die Ohren vollgesungen haben.
Roll hat einen großen, etwas leer wirkenden Plafond ausgestellt, den er Apotheose nennt. Man erblickt darauf eine Freiheitsgöttin oder eine Republik, begleitet von blumenstreuenden Mädchen in einem wolkigen Himmel, während an den Seiten Dichter, Künstler, Arbeiter, Erfinder sich regen, um den Preis aus den Händen der Göttin zu empfangen. Boldini zeigt die üblichen virtuosen und des Körpers wie der Seele gleichermaßen entbehrenden Bildnisse von Herren und Damen aus der Gesellschaft; die Bilder von Gaston Latouche bewegen sich ebenfalls in den altbekannten Geleisen: moderne Damen und Faune in einem Rokoko-Interieur; die alte rauschende Farbenpracht ist geblieben, aber wir sind schon zu sehr an sie gewöhnt, um uns wie früher von ihr bezaubern zu lassen; Adolphe Willette will absolut der Maler großer monumentaler Bilder werden, auf denen philosophiert wird; anstatt uns mit seinen entzückenden Zeichnungen zu erfreuen, in denen es ihm kein Zeitgenosse gleichtut, malt er große Bilder, die uns von keiner Seite gefallen wollen; in diesem Jahre hat er eine Art von Kulturgeschichte des Tanzes gemalt: in der Mitte ein Apachenpaar, ringsum ein Paar aus Murgers Boheme, aus der Zeit von Dumas’ Musketieren, Pierrot und Pierrette, ein elegantes modernes Paar aus irgend einem vornehmen Gesellschaftskreise und als philosophischer Abschluß ein mittelalterliches Paar, das vom Tode abgeholt wird; letzten Endes also eine Art von Totentanz, wobei am hübschesten, weil der Eigenart des Künstlers am
besten entsprechend, ein modernes Kleeblatt, Trottin, Chasseur eines Restaurants und Zuckerbäckerjunge, gelungen ist; in der Farbe ist das Bild, wie fast alle Ölmalereien Willettes, wenig erfreulich.
Ein weiteres Durchwandern der Räume und die Wiederholung der Bemerkungen in meinem Kataloge wäre kaum lohnend. Aman-Jean ist unverändert, Albert Besnards Bildnis des Journalisten Dubar gehört nicht zu den besten Arbeiten des Malers, Carolus-Duran, soeben von Rom nach Paris zurückgekehrt, stellt zwei recht schwache Bilder aus, Claudio Castelucho zeigt ein ausgezeichnetes Damenbildnis in Weiß, Cottet und Simon sind gut wie immer, aber wenn man alle hier ausgestellten Arbeiten nennen wollte, die gut und tüchtig sind, ohne hervorragend zu sein, könnte man Seiten auf Seiten vollschreiben.
Auch in der Skulptur ist nichts Hinreißendes, denn der aus dem roh behauenen Marmorblock herausschauende Puvis de Chavannes, das von Rodin geschaffene Denkmal für den großen Maler, und die gleich einem Torso zerschlagene, gewaltsam gewundene weibliche Gestalt von dem nämlichen Bildhauer gehen nicht aus den Absonderlichkeiten heraus, die wir an Rodin schon gewöhnt sind, und zeigen uns auch das Talent ihres Urhebers von keiner neuen Seite, — und Arnold Rechberg, der sich gewaltige Mühe gibt, damit die Zeitungen seinen Namen nennen und seine Werke loben, zeigt in seiner prätentiösen Büste einer spanischen Prinzessin und in seinem noch viel anspruchsvolleren Denkmal eines englischen Offiziers so geringes künstlerisches Empfinden und Können, daß ich mich genieren würde, seinen Namen zu nennen, wenn er nicht in allen Pariser Reklamespalten zu lesen wäre.
Karl Eugen Schmidt, Paris.
Königsberg i. Pr. In der neu erbauten Kunsthalle wurde im April die 47. Kunstausstellung eröffnet. Mit Schaffung dieses guten Ausstellungslokals ist die Grundlage für die Fortentwickelung des hiesigen Kunstlebens gesichert. Die Ausstellung ist recht zahlreich von heimischen und auswärtigen Künstlern beschickt worden. Wie Kunstvereinsausstellungen im allgemeinen, vertritt auch diese kein ausgesprochenes Programm, sie will ihren Mitgliedern möglichst viel bieten, huldigt jedoch fortschrittlichen Tendenzen. Die Jury hat alles Unzulängliche fern gehalten und es ist ein guter Durchschnitt zu konstatieren. Von Kölligsberger Künstlern tut sich besonders Ludwig Deltmann hervor. Sein großes Trachtenbild »Mädchen auf Föhr« weist malerische Vorzüge bei guter Betonung des Charakteristischen des eigenartigen Friesenstammes auf. Als geschickten impressionistischen Landschafter zeigt er sich in dem »Windstoß« und dem Aquarell mit den blühenden Mandelbäumen. Am köstlichsten wirkt jedoch ein Interieur aus »St. Marien in Danzig«, das von einer wundervollen Farbenwirkung ist. Der Zahl nach am meisten vertreten ist Carl Albrecht, dieser etwas unzeitgemäße Stilleben- und Interieurmaler, der in sorgfältiger, mehr bunter als farbiger Weise seine Blumenstücke und zarten Landschaften malt. Mit beiden Füßen fest in der Natur stehen die Landschaften Olof Jernbergs, sie geben die farbige Pracht ostpreußischer Seeund Waldlandschaften wieder. Ein gutes Interieur hat Carl Storch gemalt und Otto Heichert ein Porträt seines Töchterchens. Von jüngeren Künstlern ist noch Domscheit, Grau, Anderson, Eisenblätter und Wedel mit guten Landschaften und der Graphiker Heinrich Wolff mit mehreren technisch gelungenen Porträts und mit einer Serie für ihn sehr charakteristischer Silhouetten zu erwähnen. Die Ostpreußen, die in Berlin leben, haben sich auch zahlreich eingefunden. So sind gute Arbeiten von Lovis Corinth, Bischoff-Culm, von Brockhusen, Waldemar Röster, Degner, Partikel u. a. vertreten. Von den übrigen Berlinern hat
Vielleicht aus rein persönlichen Gründen (denn wenn man mir alle Bücher wegnähme und nur den Don Quijote ließe, würde ich nicht sehr klagen) hat mir diese Arbeit Gandaras so sehr gefallen, und vielleicht sind es auch persönliche Gründe, die mich vor den venezianischen Ansichten von J. J. Gabriel festhielten. Venedig wird erschrecklich viel gemalt. Es gibt keine Ausstellung von hundert Nummern, wo Venedig nicht wenigstens fünf- oder sechsmal vertreten wäre. Aber es geht damit wie mit Don Quijote oder wie mit Beethoven, der auch erschrecklich oft das Opfer der bildenden Künstler ist. Nur äußerst selten dringt ein Künstler bis auf das innerste Wesendes Themas ein, nur sehrvereinzelt zeigt man uns ein Venedig, das wirklich das Venedig ist, das wir in der Erinnerung aus der Lagunenstadt mit uns weggenommen haben. Gabriel ist einer der seltenen Maler, dem der Griff gelungen ist, vor dessen Bildern man Heimweh nach den Kanälen und ihren Palästen bekommt und aufs neue von dem Zauber umsponnen wird, der nun schon so gänzlich abgeleiert und banalisiert scheint, aber nicht ist; so wenig wie das Thema Dantes, Don Quijotes oder Beethovens ausgeleiert ist, weil tausend schlechte und mittelmäßige Maler und Bildhauer uns mit ihren Auslegungen die Ohren vollgesungen haben.
Roll hat einen großen, etwas leer wirkenden Plafond ausgestellt, den er Apotheose nennt. Man erblickt darauf eine Freiheitsgöttin oder eine Republik, begleitet von blumenstreuenden Mädchen in einem wolkigen Himmel, während an den Seiten Dichter, Künstler, Arbeiter, Erfinder sich regen, um den Preis aus den Händen der Göttin zu empfangen. Boldini zeigt die üblichen virtuosen und des Körpers wie der Seele gleichermaßen entbehrenden Bildnisse von Herren und Damen aus der Gesellschaft; die Bilder von Gaston Latouche bewegen sich ebenfalls in den altbekannten Geleisen: moderne Damen und Faune in einem Rokoko-Interieur; die alte rauschende Farbenpracht ist geblieben, aber wir sind schon zu sehr an sie gewöhnt, um uns wie früher von ihr bezaubern zu lassen; Adolphe Willette will absolut der Maler großer monumentaler Bilder werden, auf denen philosophiert wird; anstatt uns mit seinen entzückenden Zeichnungen zu erfreuen, in denen es ihm kein Zeitgenosse gleichtut, malt er große Bilder, die uns von keiner Seite gefallen wollen; in diesem Jahre hat er eine Art von Kulturgeschichte des Tanzes gemalt: in der Mitte ein Apachenpaar, ringsum ein Paar aus Murgers Boheme, aus der Zeit von Dumas’ Musketieren, Pierrot und Pierrette, ein elegantes modernes Paar aus irgend einem vornehmen Gesellschaftskreise und als philosophischer Abschluß ein mittelalterliches Paar, das vom Tode abgeholt wird; letzten Endes also eine Art von Totentanz, wobei am hübschesten, weil der Eigenart des Künstlers am
besten entsprechend, ein modernes Kleeblatt, Trottin, Chasseur eines Restaurants und Zuckerbäckerjunge, gelungen ist; in der Farbe ist das Bild, wie fast alle Ölmalereien Willettes, wenig erfreulich.
Ein weiteres Durchwandern der Räume und die Wiederholung der Bemerkungen in meinem Kataloge wäre kaum lohnend. Aman-Jean ist unverändert, Albert Besnards Bildnis des Journalisten Dubar gehört nicht zu den besten Arbeiten des Malers, Carolus-Duran, soeben von Rom nach Paris zurückgekehrt, stellt zwei recht schwache Bilder aus, Claudio Castelucho zeigt ein ausgezeichnetes Damenbildnis in Weiß, Cottet und Simon sind gut wie immer, aber wenn man alle hier ausgestellten Arbeiten nennen wollte, die gut und tüchtig sind, ohne hervorragend zu sein, könnte man Seiten auf Seiten vollschreiben.
Auch in der Skulptur ist nichts Hinreißendes, denn der aus dem roh behauenen Marmorblock herausschauende Puvis de Chavannes, das von Rodin geschaffene Denkmal für den großen Maler, und die gleich einem Torso zerschlagene, gewaltsam gewundene weibliche Gestalt von dem nämlichen Bildhauer gehen nicht aus den Absonderlichkeiten heraus, die wir an Rodin schon gewöhnt sind, und zeigen uns auch das Talent ihres Urhebers von keiner neuen Seite, — und Arnold Rechberg, der sich gewaltige Mühe gibt, damit die Zeitungen seinen Namen nennen und seine Werke loben, zeigt in seiner prätentiösen Büste einer spanischen Prinzessin und in seinem noch viel anspruchsvolleren Denkmal eines englischen Offiziers so geringes künstlerisches Empfinden und Können, daß ich mich genieren würde, seinen Namen zu nennen, wenn er nicht in allen Pariser Reklamespalten zu lesen wäre.
Karl Eugen Schmidt, Paris.
Königsberg i. Pr. In der neu erbauten Kunsthalle wurde im April die 47. Kunstausstellung eröffnet. Mit Schaffung dieses guten Ausstellungslokals ist die Grundlage für die Fortentwickelung des hiesigen Kunstlebens gesichert. Die Ausstellung ist recht zahlreich von heimischen und auswärtigen Künstlern beschickt worden. Wie Kunstvereinsausstellungen im allgemeinen, vertritt auch diese kein ausgesprochenes Programm, sie will ihren Mitgliedern möglichst viel bieten, huldigt jedoch fortschrittlichen Tendenzen. Die Jury hat alles Unzulängliche fern gehalten und es ist ein guter Durchschnitt zu konstatieren. Von Kölligsberger Künstlern tut sich besonders Ludwig Deltmann hervor. Sein großes Trachtenbild »Mädchen auf Föhr« weist malerische Vorzüge bei guter Betonung des Charakteristischen des eigenartigen Friesenstammes auf. Als geschickten impressionistischen Landschafter zeigt er sich in dem »Windstoß« und dem Aquarell mit den blühenden Mandelbäumen. Am köstlichsten wirkt jedoch ein Interieur aus »St. Marien in Danzig«, das von einer wundervollen Farbenwirkung ist. Der Zahl nach am meisten vertreten ist Carl Albrecht, dieser etwas unzeitgemäße Stilleben- und Interieurmaler, der in sorgfältiger, mehr bunter als farbiger Weise seine Blumenstücke und zarten Landschaften malt. Mit beiden Füßen fest in der Natur stehen die Landschaften Olof Jernbergs, sie geben die farbige Pracht ostpreußischer Seeund Waldlandschaften wieder. Ein gutes Interieur hat Carl Storch gemalt und Otto Heichert ein Porträt seines Töchterchens. Von jüngeren Künstlern ist noch Domscheit, Grau, Anderson, Eisenblätter und Wedel mit guten Landschaften und der Graphiker Heinrich Wolff mit mehreren technisch gelungenen Porträts und mit einer Serie für ihn sehr charakteristischer Silhouetten zu erwähnen. Die Ostpreußen, die in Berlin leben, haben sich auch zahlreich eingefunden. So sind gute Arbeiten von Lovis Corinth, Bischoff-Culm, von Brockhusen, Waldemar Röster, Degner, Partikel u. a. vertreten. Von den übrigen Berlinern hat