Im Sinne dieses Fortschreitens auf der Bahn der zeichnerischen Reinkultur ist die Stiftzeichnung zahlreich und eindrucksvoll vertreten. Schon daß Max Klinger mit vier Bildniszeichnungen mit in die Reihe tritt — Graf Kalckreuth, Vater und Sohn, der Dichter Stephan George, Prof. O. Greiner — verleiht dieser Abteilung einen vornehmen Klang. Und daß eine ganze Reihe sächsischer Künstler gerade in dieser Kunstform so vorzüglich abschneidet, — in Werken von Robert Sterl, O. R. Bossert, Wilh. Claudius, Wilh. Claus, Horst Eysold — ist gewiß kein bloßer Zufall. Ein gut Teil des Verdienstes hieran darf wohl schon der von dem großen Führer gegebenen Anleitung zugesprochen werden. Wenn es auch an wohlgelungenen Versuchen zur Mitbelebung des Interesses für Lithographie und Schabkunst nicht fehlt — hier kommen F. Hodler, Rob. Sterl, Erich Grüner, Carlos Gretlie, Müller-Gräfe, Georg Jahn zunächst in Betracht —, und wenn der auch sonst fleißig geübte Holzschnitt durch die Zuerkennung des diesjährigen Villa-Romana-Preises an den, hier lediglich mit in dieser Technik hergestellten farbigen Blättern vertretenen Moriz Melzer, sogar im Lichte einer gewissen Nobilitierung erscheint, so steht doch die Radierung als Kunstform und als Leistung im Vordergründe des Interesses. O. R Bosserts Zyklus »Vom Meere«, Otto Fischers Lindenhof und Frühlingslandschaft, L. Corinths Zyklus »Die ersten Menschen«, Alois Kolbs »Karneval«, Hans Meids Reiterbilder und Architekturen, Rieh. Müllers»Entwendete Perücke«, Käthe Kollwitz, »Tod und Frau« — um nur einige zu nennen — sind nicht mehr Wegleiter zur Gewinnung, sondern es sind Dokumente einer bereits gewonnenen festen Stilform, die ebenso durch weitgehendste Ausnutzung der der Radierung eigenen Tonigkeit, wie durch das Persönliche ihrer Note sich sieghaft behauptet. Erfreulich, daß im Anschluß hieran auch von Hamburgs junger Kunst gesprochen werden darf. Auch in Schaper, Nölken, Ahlers-Hestermann, Ruckteschell und (trotz der pechigen Farbe seines Liliencron-Bildnis-Druckes) obenan in Arthur Illies steckt, was man »Radiergeist« nennt, und ohne dessen Vorhandensein auch aus dem auf anderen Gebieten sonst tüchtigsten Künstler kein richtiger Radierer werden kann.
H. E. Wallsee.
Die Juryfreie Kunstschau Berlin 1913 findet als die IV. Juryfreie Kunstschau der Vereinigung bildender Künstler in besonderen Räumen in der Postdamer Straße in den Monaten August und September statt.
Frankfurt a. M. Eine wirkliche Lücke im Frankfurter Ausstellungswesen auszufüllen, hat sich der neugegründete Kunstsalon Hahn zur Aufgabe gemacht. Sein Programm ist die Ausstellung moderner Skulptur. Bei der stiefmütterlichen Behandlung, die die Plastik im allgemeinen bei den Kunstsalons findet, ist das neue Unternehmen herzlich zu begrüßen. Im Mai sahen wir dort eine umfangreiche Kollektion von Bernhard Hoetger, die die Entwicklung des Künstlers von impressionistischer zu formaler Gestaltung gut veranschaulichte. — Der Kunstsalon Goldschmidt zeigte die Zaesleinsche Corinth-Sammlung, in der vor allem ältere Bilder aus der Pariser Zeit interessieren. — Im Salon Schneider waren größere Kollektionen von Theo von Brockhusen und Leo Klein-Diepold ausgestellt. — Der Kunstverein stellte Arbeiten von Egger-Lienz aus. Neben den bekannten Kompositionen aus der Tiroler Geschichte einen merkwürdig flachen und in dekorativer Art befangenen »Einzug Etzels«. Gleichzeitig vermittelte er uns die Bekanntschaft mit einer großen Reihe von Bildern von Tarkhoff (Paris). Seine Landschaften, Stilleben, das in mehreren Variationen wiederkehrende Thema von Mutter und Kind sind von sehr kräftiger, impulsiver Art. Der entspricht die sehr breite, manchmal etwas deutlich schwungvolle im
pressionistische Technik, die sich zuweilen van Goghschen Mitteln nähert. Die sprühende, leuchtende Farbgebung entgeht nicht immer der Gefahr, bunt zu wirken. — Stiller, wenig kräftig aber geschmackvoll und kultiviert sind die sympathischen, vielleicht zunächst noch etwas zu deutlich unter dem Einfluß des Cezanne stehenden Landschaften und Porträts von Isselmann (Rees am Rhein), die bei Schames ausgestellt waren.
a. w.
Magdeburg. In der Mai-Ausstellung des Kunstvereins ist Carlos Grethe-Stuttgart zweifelsohne die stärkste Begabung. Seine vortrefflichen Darstellungen aus den Nordseehäfen und Bilder der Meeresküste bei trübem und nebligem Wetter sind ja zu bekannt, als daß sie einer besondere Empfehlung bedürften. Aus dieser Reihe der grauen und dunklen Bilder fällt eins heraus, das die prächtige Wirkung eines Sonnenstrahles, der gerade die Wolken durchbrochen hat und nun auf der Weite des Meeres aufleuchtet, wiedergibt. Die Fischerbilder von Carlos Grethe bringen nicht bestimmte Charaktere, sondern zeigen mehr den Typus des Nordseefischers in seiner wuchtigen und monumentalen Gestalt. (Vergl. auch Zeitschr. f. bild. K. Maiheft 1913).
Ganz anders geartete Künstlerpersönlichkeiten sind E. R. Weiß-Berlin und Wilhelm Howard-Paris. Sie sind ohne französische Vorbilder gar nicht denkbar und besonders die Stilleben des ersteren sind mehr als ihnen gut wäre von Cezanne beeinflußt. Besser und freier sind seine Landschaftsausschnitte, besonders der Birnbaum in seiner Blütenpracht ist vorzüglich gemalt. Von Wilhelm Howard gefiel mir außer dem Mädchenporträt die Gärtnerei am besten; es ist großartig, was der Künstler aus diesem langweiligen und prosaischen Motiv, Mistbeete und eine weiße Mauer, gemacht hat. Auch Hans von Hayeck- Dachau bevorzugt trotz seines südlichen Wohnsitzes Motive aus den Nordseehäfen. Er will mehr bringen als Carlos Grethe, ihn interessiert besonders das bunte, viel geschäftige Leben und Treiben des Hafens; seine Bilder wirken aber längst nicht so einheitlich und großartig wie die von Carlos Grethe. Von Hayeck kommt nie so recht über die Skizze heraus, das zeigen auch seine Manöverbilder und Landschaften. Richard Dreher-Dresden hatte eine Reihe von Zeichnungen und Aquarelle ausgestellt, die von einer selbständigen Auffassung und Darstellung der französischen Landschaft zeugen.
ln der kunstgewerblichen Abteilung war neben sehr fein und zart gearbeiteten Spitzen aus der Düsseldorfer Spitzenschule eine Wanderausstellung des deutschen Museums in Hagen i. W. zu sehen. Besonders gefielen die bedruckten Leinen- und Seidenstoffe, die von Riemerschmied, Gußmann und J. Hoffmann entworfen waren; T. T. Heine wirkt etwas zu kleinlich im Muster. Die Keramiken der Bürgeler Töpfervereinigung zeichnen sich sowohl durch Güte des Materials als auch durch wohlfeile Preise aus, so daß sie einen bedeutenden Absatz gefunden haben.
Genf. — Exposition Jacques Odier (Mus6e Rath). Odier, ein Schüler D’Harpignies’, stellt eine zahlreiche, wohl sein ganzes Schaffen, wenn nicht umfassende, so doch charakterisierende Sammlung aus. Seine Landschaft ist überaus wenig differenziert. Der hellblaue, müde Ton, der über seiner Welt liegt, ist nicht wandlungsfähig, die Farbe schwächlich, ohne zart zu sein. Es ist eine Landschaftskunst, die so stark geographisch anmutet, daß man die nüchterne Luft gut dekorierter Wartesäle zu spüren meint. Zuviel Können für einen Dilettanten, viel zu wenig Empfindung, Eigenart für einen Künstler. Und so bleibt ein quälender, hoffnungsloser Eindruck übrig.
Aquarelles Barbier (Mus€e Rath). Motive von Genf