KUNSTCHRONIK
Neue Folge. XXIV. Jahrgang 1912/1913 Nr. 37. 13. Juni 1913
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Die nächste Nummer der Kunstchronik, Nr. 38, erscheint am 27. Juni
Wilhelm Leibi: Pallas Athene. 563 :452 mm
EIN UNBEKANNTES JUOENDWERK LEIBLS
Das Werk Leibis ist durch die Arbeit der Kunstgeschichte so vollständig bereits festgelegt, daß jede Bereicherung von Bedeutung ist. Es ist bekannt, daß Leibi besonders von seinen Jugendarbeiten alles vernichtete, was er nicht für gut hielt. Der hier abgebildete Athenekopf ist gerettet worden. Er befindet sich in Münchner Privatbesitz und ist durch die Künstler Luitpold Faustner und Splitgerber völlig sicher verbürgt. Leibi malte das Bild im Jahre 1864 in einer Mittagspause an der Münchner Akademie als Schüler von Anschütz. Zu der Ungewohntheit des Sujets an sich kommt noch die überraschende Malart. Das Bild ist, fein den graugelben Ton haltend, flott und breit heruntergehauen. Der Hintergrund, der natürlich ohne weiteres entfernt werden kann, stammt von anderer Hand. Jedenfalls verdient das Stück große Bedeutung. Selbst in der einzigartigen, großen Leiblsammlung des Wallraf-Richartz-Museums in Köln findet sich kein ähnliches Werk aus dieser Zeit. DR. KONRAD WEINMAYER.
WIENER BRIEF
Die diesjährigen Frühjahrsausstellungen der einzelnen Künstlervereinigungen zeigen das seit langer Zeit gewohnte, nur wenig veränderte Gesicht, das aber durch diese Tatsache allein, durch das Sichnicht-ändern, gealtert erscheint. Die einzelnen Vereinigungen sind offenbar so fest von der Höhe und Güte der Leistungen ihrer Mitglieder überzeugt, daß sie nicht für frische Kräftezufuhr sorgen zu müssen glauben und »neue Leute« nach Tunlichkeit fernhalten. Vielleicht sprechen da auch Gründe anderer als rein künstlerischer Natur mit; vielleicht soll die in Wien ohnehin geringe Kauflust nicht von den bekannten »Namen« abgelenkt werden. So hat sich denn im Künstlerhause und in der Sezession allmählich die Gewohnheit herausgebildet, an den gleichen Stellen immer Bilder der gleichen Maler unterzubringen, so daß man in jeder neuen Ausstellung glaubt, eine alte wiederzusehen und nur durch besonders aufregend schlechte oder geschmacklose Arbeiten aus der gleichmäßigen Ruhe stiller Langweile aufgeschreckt wird. Der Referent, der nicht lokalen Interessen dient und nicht gezwungen ist, die »Entwickelungen«, »Fortschritte« oder »Rückschritte« dieser braven Malermeister zu belauschen und ihnen danach Fleiß- oder Tadelzettel zu verabreichen, hat bei diesen sich ewig wiederholenden Kunstjahrmärkten wenig Gelegenheit, einem weiteren Kreise irgend etwas Beachtenswertes mitzuteilen. Die auf diesen Ausstellungen vertretene österreichische Kunst steht außerhalb der die gebildete europäische Welt bewegenden Kunstinteressen; sie hat einen weltabgeschiedenen, provinziellen Charakter; sie ist »Heimatkunst« im schlechten Sinne des Wortes. In Wien kämpft man noch heute um die Daseinsberechtigung des Impressionismus, der in anderen Ländern bereits als eine historische abgeschlossene Epoche betrachtet wird. Hier können es die Kunstreferenten der meistgelesenen Tagesblätter unter dem Beifalle des Publikums noch wagen, Manet, Renoir, Cezanne, Gauguin und anderen Stümperhaftigkeit und Sudelei vorzuwerfen. Und die wenigen »europäischen«, im neuen »Bunde österreichischer Künstler« vereinigten Künstler haben es bezeichnenderweise vorgezogen, ihre erste große Ausstellung nicht in Wien, sondern in — Budapest zu veranstalten!
Das Bedeutendste in der Ausstellung der Sezession scheinen mir die Plastiken des Gastes Anton Hanak zu sein, die zum Teil auf den letzten großen Kunstausstellungen in Rom und Dresden zu sehen waren. Dieser junge mährische Bildhauer vereinigt in eigenartiger Mischung eine große Kraft starker und monu