doch so reife Malkunst dieser späten Bilder, die mit fast unmerklichen Nuancen ganz weniger Farben auskommt, beweist, daß Renoir einer der größten, wenn nicht der größte Maler katexochen des 19. Jahrhunderts war, und das in jenem Sinne verstanden, wie etwa Correggio der größte Maler des 16. gewesen ist. Mit diesem hat Renoir auch die Unbekümmertheit um die zeitbewegenden Probleme gemein, die naive sinnliche Freude am blühenden Fleische des Frauenkörpers, das Fernsein aller intellektuellen literarischen Gedanken. Zwei schöne Landschaften von Cezanne gaben der Ausstellung den Abschluß nach oben, während eine interessante »Pietavon 1850 von Puvis de Chavannes, die noch ganz im Banne der großen italienischen Barockmaler steht, die große französische Historienmalerei repräsentierte. Bei Arnot bildete das große Bild der »Wandernden Musikanten« von Manet (1868) das Zentrum der Ausstellung. Eine schöne Landschaft von Courbet und eine Studie (Albanese) von Delacroix repräsentierten das frühe 19. Jahrhundert, während die Glanzzeit des Impressionismus außer durch das erwähnte große Bild von Manet, durch einen frühen Boudin, durch Bilder von Pissaro, Sisley u. a., besonders gut wieder durch ein außerordentlich schönes Stilleben (1871) und durch ein Porträt der achtziger Jahre von Renoir vertreten war. Von jüngeren Künstlern erschienen Cezanne mit dem kraftvollen Porträt von Valabregne und Gauguin mit einer späten Landschaft in Tahiti.
Vor der Franzosenausstellung hatte der Sammler Dr. Oskar Reichel-Wien den größten Teil seiner Sammlung bei Miethke dem Publikum gezeigt. Außer einigen Bildern der Wiener Jüngsten (leider waren die Bilder, die Reichel von Kokoschka besitzt, nicht ausgestellt) interessierte vor allem der Hauptstock der Sammlung, eine große Anzahl Bilder, Studien, Zeichnungen des österreichischen Malers Anton Romako(i834—89), der bei Lebzeiten verlacht wurde und oft dem Verhungern nahe war und auch nach seinem Tode lange verkannt wurde, bis man sich seit ein paar Jahren für seine Kunst zu interessieren und ihn zu sammeln begann. Bei Dr. Reichel nun kann man Bilder aus allen Perioden des merkwürdigen Künstlers sehen, der Schüler Rahls an der Wiener Akademie war und dessen erste Bilder an diesen erinnern. Je älter er wird, besonders aber seit seinem römischen Aufenthalt (seit 1862) wird die Farbe bei ihm immer mehr ornamental benutzt; kräftige Farben leuchten auf dunklem oder auf gobelinartigem Blumenhintergrund auf. EineseltsameMischung von starker Stofflichkeit und mystischer Beseelung hebt diese Bilder aus ihrer zeitgenössischen Umgebung hoch heraus. Daneben gibt es ganz einfache schlichte Landschaften, besonders Alpentäler und Alpenseen, von ihm, von einem so wundervollen Duft in Farbe und Luft, daß man auch hier unter deutschen Malern nur wenig seinesgleichen findet. Dann wieder romantische Bilder, ein »nächtlicher Kampf« zweier Ritter in einer brennenden Stadt, wo das ganze Bild in Farben loht. Gegen Ende seines Lebens wird er, nach einem schnell überwundenen Einfluß von Moreau, ganz hell, flächig, scharf, zeichnerisch. Romako wird in Zukunft von
den Geschichtsschreibern der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts mehr beachtet werden müssen, als das bisher geschehen ist.
Vor einiger Zeit fand im Rathause eine Ausstellung der eingelaufenen und jurierten Entwürfe für das Wiener städtische Museum auf der Schmelz statt. Die lange Leidensgeschichte dieses Museums, das ursprünglich auf dem Karlsplatze hätte errichtet werden sollen, wo sich um das Projekt Otto Wagners ein heftiger, noch in aller Erinnerung stehender Kampf erhob, scheint ihrem Ende zuzugehen. Man ist aus verschiedenen Gründen dazu gekommen, das Museum auf dem ehemaligen Friedhofe auf dem aufgelassenen Exerzierplätze der »Schmelz«, weit draußen an der Peripherie der Stadt, zu errichten, ein Gedanke, der museumstechnisch nicht gerade sehr glücklich erscheint. Diese Idee hätte einigermaßen glücklich genannt werden können, wenn es gelungen wäre, wie es beabsichtigt war, dort draußen eine Art Kunstzentrum zu schaffen, indem man die Akademie der bildenden Künste und das projektierte Staatsgaleriegebäude in der Nähe des Stadtmuseums erbaut hätte. Doch haben sich die beteiligten Kreise mit Recht gegen diese Verlegung von Gebäuden, die mit dem Stadtzentrum durch die mannigfachsten Interessen eng verknüpft sind, an die äußerste Peripherie entschieden gewehrt, so daß man diesen großen Plan fallen lassen mußte. Das Stadtmuseum soll aber doch hinauskommen. Die Jury (an der Prof. Peter Behrens teilgenommen hat und dessen Einfluß wohl manches an dem für Wiener Verhältnisse erstaunlich vernünftigen Urteilsspruche zu verdanken ist) sprach zwei Preise zu je 11 000 Kronen dem Projekte des Hofrates Otto Wagner und, dem des Assistenten an der Technischen Hochschule Emil Tranquillini und des Architekten Karl Hofmann, zwei Preise zu 8500 Kronen dem Projekte Architekt Lehrmann und Walter und dem des Oberbaurates Baumann, vier Preise zu 3000 Kronen den Projekten Max Hegele, Architekt Viktor Jonkisch, Architekt Payr und Baier, und des Architekten Anton Floderer (Wilmersdorf) zu. Während Wagners Projekt, das als Museumsbau entschieden das bedeutendste und beste ist, den Hauptnachdruck auf die innere Ausgestaltung, auf einen möglichst klaren und praktischen Grundriß und einen bequemen Aufriß verlegt (»Ein Museum soll nichts anderes sein als eine große Vitrine, in der die Gegenstände möglichst gut zur Geltung kommen«), nach außen hin aber sich mit ganz einfachen, architektonisch geschlossenen Ausdrucksformen begnügt, nimmt das andere mit. dem ersten Preise gekrönte Projekt Tranquillini-Hofmann zuviel Rücksicht auf ein malerisches, »gemütvolles« Äußere, mit Turm, Giebeln, mit zerrissenen verschiedenartig zerteilten Massen (kurz in der Art des Seidlschen Nationalmuseums), wodurch begreiflicherweise die schöne Übersichtlichkeit im Innern leidet. Dazu kommen dann verschiedene unglücklich verstandene Ideen, so die Rekonstruktion eines vor etlichen zwanzig Jahren demolierten Arkadenhofes eines Bürgerhauses aus dem 16. Jahrhundert, die Übertragung einer Barockkapelle vom »Gürtel« u. a. m. Es ist zu