KUNSTCHRONIK
Neue Folge. XXIV. Jahrgang 1912/1913 Nr. 38. 27. Juni 1913
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Die nächste Nummer der Kunstchronik, Nr. 39, erscheint am 11. Juli
JULIUS HOFMANN
Am Pfingstmontag, den 12. Mai, starb zu Wien im 73. Lebensjahre der als Verfasser des besten Goyakatalogs wie als Kunstfreund und Sammler bekannte Dr. Julius Hofmann. Mit ihm ist ein Mann aus dem Leben geschieden, der still und stetig seinen Weg ging und der allen, die das Glück hatten, ihm zu begegnen, in freundlicher Erinnerung bleiben wird.
Hofmann war in erster Linie Kupferstichsammler, leidenschaftlicher Sammler, der sein Hauptaugenmerk darauf richtete, die Entwicklung der graphischen Künste an gewählten Beispielen aller Zeiten darzustellen. Mit bewunderungswürdiger Umsicht und Geduld wußte er so bei relativ bescheidenem Aufwand in etwa drei Dezennien eine Sammlung zu vereinigen, in der man von Schongauer und Meckenem bis zu Meryon, Klinger und Bone so ziemlich alle berühmten Namen vertreten fand. Eine besondere Vorliebe bekundete er für die von künstlerischen Gesichtspunkten ausgewählten holländischen Radierer, die van der Kellen in seinem leider als Torso zurückgebliebenen Peintre-Graveur (1866) aus der Menge der bloßen »Zeitgenossen« als die besten und wichtigsten hervorhob, dann auch — wahrscheinlich durch seinen Freund Henri Hymans angeregt — für die Rubensstecher. Er war ein Sammler vom alten Schlage, von jenem eigentlich im Aussterben begriffenen Typus, den man nur mit dem immer noch unübersetzbaren Ehrentitel »Amateur« kennzeichnen kann. Er glaubte noch an die Wichtigkeit der Etats, der spitzen oder gerundeten Plattenecken und schenkte Stichelglitschern, Ätzflecken, polierten Rändern eine so liebevolle Beachtung, wie sie nur der vertraute Verkehr mit einem alten Freunde zeitigt.
Und ein alter Freund war ihm seine Sammlung von jeher. Er kannte kein größeres Vergnügen, als sich in stillen Stunden eine Mappe vorzunehmen und Blatt um Blatt zärtlich zu betrachten, wobei er für den musterhaft geführten Zettelkatalog die sorgsamsten Notizen über Zustand, Literatur, Wasserzeichen und Provenienz zu Papier brachte. Später verdichteten sich diese Notizen, die er in den großen Wiener Sammlungen und auf Reisen bereicherte, zu seinem Erstlingswerk, dem 1907 erschienenen ausgezeichneten Katalog der Radierungen und Lithographien Goyas. 1911 folgte die Publikation der Stiche des italienischen Meisters P. P., die er auf seine Kosten veröffentlichte und anspruchslos fast nur zu Geschenken an Freunde verwendete. Noch bis kurz vor seinem Tode beschäftigte ihn eine subtile Untersuchung der Plattenzustände von Boiswerts Rubenslandschaften. Der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst leistete er als Mitglied des Kuratoriums
und des Verwaltungsrates wertvolle Dienste. Nebenbei beschäftigte er sich als eifriges Mitglied des Wiener Kameraklubs mit der Amateurphotographie und besonders mit dem Gummidruck, über dessen komplizierte Technik er 1899 im Photographischen Zentralblatt eine längere Studie veröffentlichte.
Es ist bei einem Menschen von Hofmanns Eigenart selbst in einer Fachzeitschrift nicht ganz möglich, das Persönliche zu unterdrücken. Darum soll hier von dem Toten gesagt werden, was man von dem Lebenden aus begreiflicher Zurückhaltung öffentlich auszusprechen vermied.
Julius Hofmann war eine weiche, warmherzige Persönlichkeit, ein treuer, anhänglicher Freund und dabei von jener herzgewinnenden Bescheidenheit, die mit zunehmendem Alter und wachsender Lebenserfahrung, ja auch mit den bitteren Enttäuschungen des Daseins erworben und bezahlt wird. Er war Diabetiker, und da er als Arzt gut über sich Bescheid wußte, unterwarf er sich lange Jahre hindurch den empfindlichsten Entbehrungen, um der Krankheit Herr zu werden. — Eine geradezu rührende Freundschaft verband ihn mit dem ihm im Tode voraufgegangenen Henri Hymans in Brüssel, dem »liebenswürdigsten Menschen der Welt«. Ihm und dem Unterzeichneten widmete er sein Goya-Buch, und Hymans nannte ihn nie anders als den »braven Hofmann«. —
Die Gutekunstschen Maiauktionen, die uns Freunde mitunter in Stuttgart zusammenführten, wurden zu unvergeßlichen Festtagen für alle, die daran teilnahmen. Schon 1879 hatte uns ein Zufall bei der Auktion Drugulin in Leipzig vereinigt. Meine Freundschaft mit Henri Hymans datiert von daher, Julius Hofmann lernte ich aber erst 1884 als Arzt in Karlsbad kennen und lieben. Ich erinnere mich, wie glücklich er war, einem Gleichgesinnten abends nach der ermüdenden Praxis ein paar Mappen seiner damals noch kleinen Sammlung zeigen zu können.
Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit waren die Triebfedern seines Tuns, und die stille Arbeit, die er tagaus, tagein seiner geliebten Sammlung widmete, kam unserer Wissenschaft zugute und sichert dem nunmehr Heimgegangenen ein ehrenvolles Andenken bei allen, denen die Geschichte des Kupferstichs am Herzen liegt. — Requiescat in pace! — _____
MAX LEHRS.
NEKROLOGE
+ München. Der Landschafter Georg Flad, ein gebürtiger Heidelberger, Schüler der Düsseldorfer Akademie unter Ducker, ist Montag, den 2. Juni in Dachau, wo er seil vielen Jahren lebte, im Alter von 60 Jahren gestorben.