kitschiger dekorativer Mittelmäßigkeiten eine gewisse Virtuosität der Messerführung an den Tag gelegt werden, aber diese äußere Routine sollte man zurückdrängen und nicht noch nähren. Man könnte sagen, daß die moderne Holzschnitzerei in ähnlicher Art das ursprünglich dem Material Gemäße sucht, wie der moderne Holzschnitt es in seiner Weise tut. Ebenso wie hier der zuletzt in Amerika zur höchsten Virtuosität ausgebildete »Holzstich« heute vermieden wird, der einst als Reproduktionsmittel seinen Sinn hatte, aber heute in diesem Amt nicht mehr gebraucht wird und darum schleunigst über Bord geworfen wurde, so heißt es auch bei der Holzschnitzerei vorgehen, d. h. auch hier aus Virtuosität und Routine zur Einfachheit, zum Holzartigen zurückkehren. Überblickt man das, was die Ausstellung bietet; so wird man nur weniges hervorheben, das sich auf der rechten Linie bewegt. So etwa die Arbeiten von Wilhelm Haverkamp, der wie in seiner Büste Friedrichs des Großen offenbar von vornherein ans Holz denkt. Oder die Werke von Virgil Rainer, der ausnahmsweise seine Sachen selbst schnitzt. Oder die alten Bildwerken des 15. und 16. Jahrhunderts nachempfundenen gotischen Figürchen von Hermann Möller, die ja keinen modernen Charakter tragen, sondern als halbe Kopien erscheinen, die aber doch wenigstens das Holz als Holz fassen. Weiter die Evangelistengestalten des Markus und Matthäus von Gerhard Janensch, die sich frei an Barockmuster anlehnen und namentlich in der Gewandung das bestimmte, durchs Material gegebene Ziel im Auge behalten. Endlich die grotesken Tierfiguren von Anton Puchegger, die neben Kruses Schöpfungen dem Ideal vielleicht am nächsten kommen. Aber für eine Kollektion von 125 Nummern ist diese Serie zu klein. Immerhin ist es erfreulich, daß schon ein Anfang gemacht wurde, nur soll man mit mehr Bedacht weiter fortfahren.
Es trifft sich gut, daß zu gleicher Zeit die Ausstellung eines Holzschnittmeisters zu sehen ist, der — freilich graphisch und nicht bildnerisch — auf die richtige Behandlung des Holzes hinweist. In dem »Graphischen Kabinett« von J. B. Neumann am Kurfürstendamm, wo man stets interessante und fesselnde Dinge findet, trifft man jetzt eine ganze Sammlung von Wilhelm Laage, einem viel zu wenig bekannten Manne. Hoffentlich trägt diese Ausstellung dazu bei, den Namen Laages, der bisher nur kleinen Zirkeln geläufig war, dem größeren Publikum nahe zu bringen. Denn hier ist wahrhaft ein deutscher Künstler von echtem Kern und eignem Wesen, wie sie heute nicht zu Dutzenden herumlaufen. Laage ist von Geburt ein Norddeutscher, er ist in der friesischen Ebene zu Hause, aber er lebt seit langem in Süddeutschland, in Reutlingen, und ist daher zumeist, wenn er überhaupt hervortrat, im Kreise der Stuttgarter aufgetaucht. Er hat auch vielfach süddeutsche Motive behandelt und für den Charakter des schwäbischen und fränkischen Landes einen vorzüglichen Ausdruck gefunden. Eine ganze Reihe seiner Blätter gilt dem Kunsthause und dem Park von Pfullingen, das dort ein Mäzen zur künstlerischen Erquickung seiner Landsleute angelegt hat. Aber das eigentliche Wesen des Künstlers offenbart sich erst in den Schnitten, zu denen ihn die niederdeutsche Heide und Küste angeregt haben. Laage hat hier Ausschnitte von einer Einfachheit und Größe der Naturanschauung geschaffen, die zum Wundervollsten gehören, was die moderne deutsche Graphik überhaupt hervorgebracht hat. Man sieht Blicke über die endlose Ebene der Heide, die nur durch ein Gehöft, eine leise Hügelschwellung, ein niedriges Gebüsch unterbrochen wird, Blicke auf die untergehende Sonne am Meer oder auf nächtliche Gefilde, über die der Mond zwischen zerrissenen Wolken scheint, oder Motive
von den Häfen und Dämmen und Deichen in Friesland. Das alles in einer merkwürdigen Sprache, die Natürliches mit souveränem Griff vereinfacht und auf eine schlichte stolze Formel reduziert. Von selbst nehmen diese Holzschnitte einen eigentümlich verinnerlichten Ausdruck an, nicht eine absichtlich gesuchte Empfindsamkeit, sondern eine eingeborene Mystik, die aus der Anschauung erwachsen ist. Laage hat lange bevor er Zeichnungen von van Gogh oder Lithographien und Holzschnitte von Edvard Munch gesehen hat, vielfach Blätter geschaffen, die etwas von dem gewaltigen Zusammenfassen und der tiefen Beseelung aufweisen, die man bei diesen Meistern findet. Es ist, als wenn hier eine geheimnisvolle Verwandtschaft bestände. Wiederholt hat Laage auch das Phantastische direkt und äußerlich entboten, etwa bei dem Dorfbrand, wo die das Feuer aufpeitschenden, wild daherbrausenden Winde durch Luftdämonen personifiziert sind, oder bei einer Kirchhofsszene, oder bei einer von Stürmen heimgesuchten Landschaft, über der am Himmel plötzlich das Haupt Christi erscheint. Man kann auch diesen Blättern Unmittelbarkeit des Gefühls nicht absprechen, aber jene anderen, gleichsam »absichtsloseren«, wirken stärker und packender. Es ist interessant zu beobachten, wie Laage technisch vorgeht, wie er mit breiten schwarzen Flächen operiert, in die oft nur ein leichter Ritz des Messers helle Varianten bringt, wie er dann wieder mit einzelnen andeutenden Linien wirtschaftet, oft mit ein paar Kontrasten von Hell und Dunkel auskommt, oder das Holzschnittbild reicher belebt. Aber es ist niemals »Tonschnitt«, was er treibt, niemals ein Abschweifen in die Ausdrucksmittel anderer graphischer Verfahren. Und namentlich bemerkenswert sind seine Drucke von mehreren Platten, bei denen er nicht wie gewöhnlich mit mehreren Farbplatten operiert, sondern die koloristische Nüance dadurch erreicht, daß er Schwarz- Weiß von Platten verschiedenen Holzes druckt, um so mannigfache Valeurs des Schwarz zu erzielen. m. o.
+ München. Die Eröffnung der XI. Internationalen Kunstausstellung fand Sonntag, den 1. Juni durch den Prinzregenten im Glaspalast statt. Auf die Ansprache des ersten Präsidenten der Münchner Künstlergenossenschaft, Prof. Petersen, gab der Regent seinem Bedauern Ausdruck, daß es seinem Vater nicht mehr vergönnt gewesen, diese Ausstellung zu eröffnen und sprach allen, die sich um ihr Zustandekommen verdient gemacht hatten, seinen Dank aus. Bei dem anschließenden flüchtigen Rundgang gewann man den Eindruck, daß das Hauptgewicht auch hinsichtlich der Qualität bei den Deutschen liege und hier wieder bei der Münchener Sezession, die eine Anzahl recht guter Arbeiten aufzu weisen hat, wie Habermann, Weisgerber, Groeber, Bürgers, Stadler u. a. Von den Ausländern ist Österreich mit am besten vertreten, darunter Franz Rumpler und Gustav Klimt mit kleineren Kollektionen. Die übrigen ausländischen Gäste schneiden im ganzen nicht sehr gut ab, wenngleich von einzelnen sehr tüchtige Arbeiten zu sehen sind. Vor allem fällt bei vielen fremden Sälen die schlechte Hängung auf, die ihren Grund darin hat, daß man bemüht war, möglichst viel Arbeiten des betreffenden Landes unterzubringen, was den Gesamteindruck leider sehr beeinträchtigt. Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung wird demnächst folgen.
Karlsruhe. Der vergangene Monat hat eine der wichtigsten Fragen des Karlsruher Kunstlebens zur Entscheidung gebracht. Die Erbauung einer städtischen Ausstellungshalle, welche für das Stadtjubiläum im Jahre 1915 fertiggestellt und mit der großen Kunstausstellung dieses Jahres eröffnet werden soll, ist nunmehr zum endgültigen Beschluß erhoben worden. Die Architekten Curjel