KUNSTCHRONIK
Neue Folge. XXIV. Jahrgang1912/1913Nr. 1. 4. Oktober 1912
Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark. Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11a. Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.
Redaktionsschluß Sonnabend mittag.
DIE NEUERWERBUNGEN DER
BERLINER MUSEEN
Der Katalog der Geschenke Wilhelm Bodes an die Berliner Museen, den ein ungenannter Freund dem Generaldirektor als Ehrengabe zu seinem vierzigjährigen Dienstjubiläum überreichte, und von dem auch an dieser Stelle die Rede war, ist an dem gleichen Tage noch um ein gutes Stück überholt worden, denn den Geschenken, die Bode den ihm unterstellten Sammlungen überwies, schloß sich zum Jubiläumstage eine große Reihe neuer Gaben befreundeter Sammler und Kunsthändler an. Bode selbst führt sie in dem letzten Hefte der Amtlichen Berichte in die Literatur ein.
Voran steht eine Stiftung, die in vollem Umfange den Sammlungen des im Bau befindlichen Deutschen Museums, der eigensten Schöpfung Bodes, zugute kommen soll. Noch ist diese Stiftung nicht abgeschlossen, und über die Höhe der Summe und ihre Bestimmung wird später berichtet werden.
Die neuerdings geschenkten Gemälde bereichern vor allem die niederländische Abteilung in sehr erwünschter Weise, da zwei Hauptmeister nun erst gebührend in der Sammlung vertreten sein werden. Der eine ist Nikolaes Maes, dessen große Verstoßung der Hagar Herr Julius Boehler zum Geschenk machte, der andere Aelbert Cuijp, dessen schöne und ebenfalls umfangreiche »Jagdbeute« Mr. Arthur Sulley in London der Sammlung überwies. War Cuijp bisher nur mit kleineren Landschaften vertreten, so zeigt ihn das neue Bild als glänzenden Tiermaler. Der tote Schwan gehört zu seinen besten malerischen Leistungen. Das Stück Landschaft mit dem Haus und dem Schlitten schließt das Bild an die kleine wundervoll goldtonige Landschaft, die das Museum besitzt, an. Maes war mit der apfelschälenden Frau vorzüglich, aber einseitig vertreten. So ist die große Komposition eine sehr erwünschte Bereicherung, die von dem außerordentlichen Können des Meisters die beste Anschauung gibt. Prachtvoll ist das Rot des Rockes der Hagar, von außerordentlicher Zartheit der Rückenakt des vorn sitzenden Kindes.
Der italienischen Abteilung konnte ein Bild des merkwürdigen Magnasco angereiht werden, der auf seine moderne Wiederentdeckung nur zu warten scheint. Der Berliner Katalog nannte seinen Namen bisher nicht. Bode, äußert aber bei dieser Gelegenheit die Ansicht, daß auch der früher Salvator Rosa genannte »Seesturm« der Sammlung von Magnasco herrühre. Das jetzt von Sir William van Horne in Montreal geschenkte Werk stellt einen Hochzeitszug dar, wahrscheinlich im Anschluß an eine Klassikerstelle. Lanzi nennt
Magnasco den Cerquozzi seiner Schule und rühmt seine Fähigkeit raschen Pinselstrichs und die Kunst des Charakterisierens in sittenbildlichen Darstellungen. Das neue Bild ist ein typisches Werk des Meisters und füllt somit eine Lücke der Sammlung aufs beste aus.
Schwerer einzureihen ist das Brustbild eines Mannes, das das Monogramm Albrecht Dürers trägt, aber sicher nicht von dem Meister herrührt. Es ist ein Geschenk des Herrn Ferdinand Herrmann in New York. Bode bringt den Namen Martin Schaffners für das Bild in Vorschlag und bezeichnet damit den Stil des Werkes.
Noch reicher als die Gemäldegalerie wurde bei dieser Gelegenheit die Abteilung der Plastiken bedacht. Voran steht eine entzückende Bronzestatuette des David mit dem Haupte des Goliath, sehr eigenartig in der Bekleidung mit dem Fell wie in der ausladenden Stellung und dem koketten Neigen des Kopfes. Befreundete Sammler aus Amerika schenkten dieses reizende Werk zusammen mit dem sehr ernsten, großen Stuckrelief der Madonna, das in Siena gegen Ende des 15. Jahrhunderts entstanden ist. Das Marmororiginal des Reliefs ist bereits im Besitze der Sammlung. Die Stuckwiederholung ist höchst wertvoll durch die ganz ungewöhnlich gut erhaltene alte Bemalung und Vergoldung.
Ebenfalls aus Siena stammt die im Motiv besonders ansprechende Tonstatuette der Madonna, ein Geschenk des Professor Luigi Grassi in Florenz. Die schlichte Gruppe der stehenden Frau mit dem Kinde, das sich an ihren Arm schmiegt, die edlen Linien des Gewandes atmen den Geist sienesischer Kunst des Quattrocento.
Von Niccolò dell’ Arca, dem seltenen bolognesischen Meister, besitzt das Museum bereits die schöne und bekannte Statuette eines lesenden hl. Bernhard. Nun kommt ein Madonnenrelief in Ton hinzu, das Professor Elia Volpi in Florenz schenkte. Maria sitzt, das in ihrem Schoß schlafende Kind anbetend. Ein einfach gerader Natursinn spricht aus dem Werke.
Florenz endlich ist mit einem Madonnenrelief in Stuck vertreten, das aus Pesaro stammt und dort von dem Florentiner Domenico Rosselli geschaffen wurde. Es ist ein Geschenk des Mr. R. Langton Douglas in London.
Eine Gruppe für sich bilden drei Madonnenreliefs, die ein ganz neues Licht auf die mannigfaltigen Beziehungen der Kunst diesseits und jenseits der Alpen werfen. Ein paduanisches Stuckrelief stellt die Nachbildung eines wohl bayerischen Originales der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts dar. Ein schwäbisches Madonnenrelief vom Ende des 15. Jahrhunderts wurde in der Lombardei in Stuck nachgeformt. Der Rahmen wenigstens weist die typisch lombardischen Formen