KUNSTCHRONIK
Neue Folge. XXIV. Jahrgang1912/1913
Nr. 14. 3. Januar 1913
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RÖMISCHER BRIEF
Giacomo Bonis Tätigkeit, die sich vom Forum aus auch auf den Palatin erstreckt hat, fängt an in diesem neuen Revier die besten Früchte zu tragen. Auch hier, wie schon auf dem Forum, waren wir an ein bestimmtes, seit Jahren unverändertes Bild gewöhnt und von wichtigen Funden in neuerer Zeit sind nur die Ausgrabungen Gattis und Vaglieris zu verzeichnen, die zur Entdeckung einer vorgeschichtlichen Ansiedelung geführt hatten.
Bonis Forschungen haben auch diese ältesten Ansiedelungen ins Auge gefaßt als äußerstes Ziel, aber er konnte und wollte natürlich von der späteren Bautätigkeit, die den palatinischen Hügel neben dem kapitolinischen zum berühmtesten des Septimontiums gemacht hat, nicht absehn, und so hat er einen großen organischen Plan entworfen, an dessen Ausführung er kräftig arbeitet. Von den rauhen Behausungen der ältesten Palatinbewohner bis zu den strahlenden Palästen der Welt-Kaiser, das ist sein Losungswort. Bonis Plan ist es also, den Palast aufzufinden, den der Architekt Rabirius ungefähr im Jahre 91 n. Chr. auf dem Palatin erbaute, und die Änderungen dieses Baues durch die Arbeiten von Jahrhunderten bis auf Maxentius und Konstantin zu verfolgen. Boni will auch den neronianischen Bau erforschen und die älteren Wohnungen zurück bis auf Augustus, und einen klaren Blick gewinnen über die alten Straßen, welche den Palatin durchkreuzten und die Privathäuser, die darauf standen, und Männern, wie Leaurus und Crassus, Catilina und Clodius, Cicero und Hortensius gehörten. Zu den interessantesten Problemen gehört die Erforschung des Terrains, auf welchem die großen Prunksäle des domitianischen Palastes stehn.
Jetzt sind große Ausgrabungen planmäßig begonnen worden und die glänzenden Resultate übersteigen die kühnsten Erwartungen. Boni hat hier, wie schon auf dem Forum, das System der Forschung nach Schichten angewandt, und ist es ihm auf diese Weise gelungen, schichtweise übereinander gebaute Häuser zu entdecken. Seine erste Forschung spielte sich sozusagen auf der Oberfläche des historischen Hügels ab, da wo wir gewohnt waren, die Überreste des Palastes der Flavier mit ihren mächtigen, leider fast bis auf die Grundfesten zerstörten Mauern zu besuchen. Unter der Basilika hat man die großen Behälter zur Konservierung der lebendigen Fische gefunden, die Vivaria piscium, in die zum Teil auch Seewasser gebracht wurde, um die Erhaltung von Muränen und anderen feinen Meerfischen zn ermöglichen. Wie wir sehen werden, gehörten die Vivaria zum großen Haus Kaiser Neros, welcher hier vor den Flaviern hauste und sie wurden
durch die Neubauten dieser neuen Herren des Palatins zerstört. Neros Haus hatte aber schon andere Wohnstätten zerstört, deren Überreste Boni gefunden hat. Im Tablinum, der Aula Regia des Palastes, hat Boni die Pfeiler gefunden, auf denen der Sockel des Kaiserthrons ruhte. So glaubt er auch im Lararium die Arae entdeckt zu haben, die Domitian und Eliogabalus da geweiht hatten.
Ganz und gar verändert ist das Aussehen des großen Peristylium, wo man auf das ganz erhaltene mächtige Impluvium gestoßen ist. Man hat die Nischen, welche die Wände schmückten, entdeckt und die Wasserrohren. Ein kleiner innerer, abgegrenzter Raum in achteckiger Form zeigt uns, daß bald das Impluvium als zu groß angesehen wurde und beschränkt werden mußte. Während unter dem Triclinium interessante Bauten ans Licht gekommen sind, hat man im Triclinium selbst große Bruchstücke des herrlich gearbeiteten Gebälks gefunden und daneben sind auf der Seite von Villa Mills nicht nur ein Nymphäum in Form und Schmuck dem auf der Kapitolsseite, das man seit langem kennt, ähnlich, sondern auch Wohn- und Wirtschaftsräume zum Vorschein gekommen.
Diese nah unter der Oberfläche gemachten Entdeckungen haben aber nur einen geringen Wert im Vergleich zu dem, was Boni an älteren Wohnhäusern in tieferen Schichten gefunden hat. —
Wie ich schon oben bemerkte, hatten die Vivaria piscium aus Neros Zeit dem Bau Domitians weichen müssen, und schon dieser neronische Bau stand auf einem älteren wohl aus der Zeit Julius Cäsars stammenden, und diesem Haus war wiederum ein anderes aus republikanischer Zeit zum Opfer gefallen. Nirgends sonst hat man wohl eine solche Übereinandertürmung gefunden, wenn man bedenkt, dass unter dem republikanischen Haus Boni auf die Favissae Palalinae gestoßen ist; diese dunklen Höhlen, welche durch organische und unorganische Überreste klar als älteste Wohnungsstätten sich unserem erstaunten Auge kundgeben.
Das durch den neronianischen Bau zerstörte Haus, welches, wie wir schon oben andeuteten, wohl ungefähr in die Zeit Julius Cäsars zu setzen ist, bewahrt ganz köstliche Überreste reicher Dekoration, und ist diese Dekoration höchst eigentümlich und interessant, weil sich darin klar und deutlich ägyptische Motive zeigen. Trotz der Zerstörungen Neros und Domitians sind nicht nur große Wandflächen erhalten, sondern auch ein weites Stück der Wölbung eines großen Saales, in den dann später die Vivaria hineingebaut wurden. Auf den Wänden haben die Dekorationen die Form von Kandelabern, welche mit den Federn