Erst wenn die Leistungsfähigkeit der Rembrandtschule genau erkannt sein wird, wird sich auch ermessen lassen, welche Werke dem Meister selbst endgültig zuzuschreiben seien. Dann werden sich Bode und Bredius, die beiden Rufer im Streite, wieder die Hand geben können als diejenigen, deren vereinten Bemühungen es gelungen sein wird, den wahren Rembrandt, und zwar in dem vollen Umfang seiner Größe, der Welt zu schenken.
NEKROLOGE
Mit Edouard Detaille ist ohne Zweifel der populärste französische Künstler unserer Zeit aus dem Leben geschieden. Wo man in Frankreich überhaupt einen Öldruck oder eine Heliogravüre an der Wand des Bauernhauses, im Barbierladen oder im Wirtshause hängen sah und sieht, da stellt die Sache irgend eine militärische Szene von Detaille vor, und wo man überhaupt nur einen französischen Malernamen zu nennen weiß, da lautet er Detaille. In allen Stücken war Detaille somit der Nachfolger und Erbe Horace Vernets, den man vor achtzig Jahren als den größten Meister seiner und der meisten anderen Zeiten bewunderte, und von dem heute kein Museum ein Bild geschenkt haben möchte. Detaille wird es vermutlich ebenso ergehen, ja, es ist ihm schon bei Lebzeiten so ergangen, obgleich er, wie schon gesagt, der populärste und beliebteste, bekannteste und in den weitesten Kreisen verehrte französische Maler war. Er und Vernet bieten eben nur wieder neue Beweise für die Tatsache, daß diese weitesten Kreise nichts von Kunst verstehen und ihren Beifall durchaus nicht aus ästhetischen Gründen dem oder jenem Maler oder Dichter schenken. Detaille hatte im Kriege von 1870 seinen Weg gefunden und malte seither immer wieder den tapfern französischen Soldaten in beliebter Stellung. Und er malte ihn so richtig und genau, daß jeder, der sich einmal eine Uniform aus der Nähe angesehen hatte, der wohl gar selbst einmal im bunten Rock gesteckt hatte, voller Begeisterung konstatierte, wie da nicht das allerkleinste Versehen zu rügen war. Es fehlte kein Knopf und keine Litze. Detaille war der gründlichste und zuverlässigste Kenner aller seit zweihundert Jahren gebrauchten Uniformen, er war ein lebendiges Lexikon für Armeeschneider und hätte nicht nur die deutschen und französischen, sondern überhaupt alle Armeen der Gegenwart aufs herrlichste und richtigste einkleiden können, falls einmal durch irgend ein Wunder alle Uniformen aus der Welt verschwunden wären. Künstlerisch verdient er nicht die ihm von Kennerseite entgegengebrachte absolute Mißachtung. Als Zeichner steht er auf einer achtungheischenden Stufe, wenn auch seine Zeichnung sehr trocken und durchaus nicht geistreich ist. Jedenfalls dürften nicht viele seiner modernen Verächter imstande sein, ein Pferd oder einen Soldaten so richtig und genau aus dem, Kopfe aufzuzeichnen wie Detaille, der nicht nur die Uniform, sondern auch den Menschen und sein Pferd aufs genaueste kannte. Sowie man freilich von dieser Korrektheit und Richtigkeit der Zeichnung absieht, ist es aus mit dem Künstler Detaille, und alle die großen Bilder, die der französische Staat und die Stadt Paris von ihm haben malen lassen, werden hoffentlich nicht ewig im Hotel de Ville und im Pantheon bleiben, wo sie neben Puvis de Chavannes überaus leer, langweilig und inhaltlos aussehen trotz der Fahnen, Kanonen, Säbel, Gäule, Helmbüsche und Schießgewehre. Detaille war im Jahre 1848 in Paris geboren und arbeitete zuerst bei Meissonier, dann bei Cabanel. Sein erstes Bild, das Atelier Meissoniers zeigend, stellte er schon 1867 aus, und ihm folgten einige historische Kostümbilder, bis der Krieg ihn in Einklang mit der Volksseele brachte uud zum populärsten Maler machte. Seither hat er fast ausschließlich Soldatenbilder
gemalt, und zwar so viele, daß es unmöglich wäre, sie auch nur der Hauptsache nach hier zu nennen. Zwei davon, der Traum und die Übergabe von Hüningen, hängen im Luxembourg, andere, große dekorative Wandgemälde sieht man — leider! — im Pantheon und in Pariser Rathaus. Noch sei das mit Neuville zusammen gemalte große Panorama von Rezonville erwähnt, das ihn zuerst in ganz Frankreich bekannt machte. Auch einige Bildnisse hat er gemalt. Der verstorbene König von England verehrte ihn sehr und ließ sich von ihm als Feldmarschall hoch zu Roß malen. Auch der jetzige König und sein Bruder sind von Detaille gemalt worden — es kann eben nicht jeder König einen Velasquez oder van Dyck als Hofmaler haben, und die Uniformen hätten diese beiden sicherlich nicht so korrekt wiedergegeben wie Detaille. Übrigens hat Detaille, den die Gegner seiner Malerei gerne einen Militärschneider nannten, in seinem Testament gewissermaßen diese Ansicht bestätigt, denn er hinterläßt sein Haus in Paris einer Gesellschaft, die daraus ein Uniformenmuseum machen soll. Detaille selbst hatte eine große Uniformensammlung, die in dem neuen Museum gezeigt werden soll. Der zweite Stock soll die Malereien Detailles aufnehmen, soweit sie nicht nach seiner letzten Verfügung von zwei dazu ernannten Freunden für die Aufbewahrung unwürdig erklärt und verbrannt werden. Zum Glück ist kein moderner Kunstkritiker unter diesen beiden Freunden, sonst könnte es dem Nachlaß Detailles übel ergehen. Als weitere etwas seltsam anmutende Bestimmung des Testaments sei erwähnt, daß Detaille einen seiner Freunde beauftragt, über die Errichtung eines Denkmals für ihn zu wachen, wonach wir also eine Statue des Soldatenmalers für Paris erwarten dürfen, zum Teil von Detaille selbst bezahlt.
o Am 29. Dezember starb in Weimar, erst 39 Jahre alt, der Düsseldorfer Maler Otto Boyer. Auf den rheinischen Kunstausstellungen der letzten Jahre waren seine Figurenbilder, beispielsweise »Die Schwestern« auf der Düsseldorfer Frühjahrsausstellung 1912, durch eine starke und gewählte Farbigkeit angenehm aufgefallen. Boyer hatte durch einen längeren Aufenthalt im Süden, zumal in Capri, die Freude an kräftigen koloristischen Wirkungen wiedergewonnen. Zuletzt hatte er sich dem Kunstgewerbe zugewandt und bereits Wertvolles auf dem Gebiete der Glasmalerei geleistet. Düsseldorf verliert in Boyer, dessen lebhafte Phantasie ihm auch bei seiner schriftstellerischen Betätigung zugute kam, eine seiner ursprünglichsten Begabungen.
PERSONALIEN
Graz. Der außerordentliche Professor der Kunstgeschichte an der Grazer Universität Hermann Egger ist zum ordentlichen Professor ernannt worden. Egger hatte einen Ruf nach Prag als Nachfolger Heinrich Alfred Schmids abgelehnt.
Prag. Der Lehrer an der Kunstgewerbeschule in Prag Jan Preisler ist zum ordentlichen Professor an der Kunstakademie in Prag ernannt worden. Preisler ist einer der bedeutendsten jüngeren tschechischen Maler.
Wie verlautet, beabsichtigt der Maler Carolus Duran von der Leitung der Villa Medici in Rom zurückzutreten. Diese Stelle ist zwar eigentlich eine Sinekure, was die Leitung der Kunstschule selbst anlangt, aber ihr Direktor wird doch von den nach Rom kommenden französischen Beamten und sonstigen offiziellen Persönlichkeiten sehr geplagt, also daß das Amt nicht nur Freuden bringt. Als Carolus Duran als Nachfolger des Bildhauers Guillaume die Stellung erhielt, hatte sich auch Albert Besnard eifrig