Bilder angewiesen bleibt. — Von Greco zu Cézanne ist der Weg nicht weit, man sieht die Zusammenhänge, besonders auf dem Gebiete der Phänomenalität der Erscheinung, auch auf dem der Farbe. Der »junge Mann in der roten Weste« ist ein Schulbeispiel für die koloristischen Zusammenhänge, aber die »Badenden« zeigen erst ganz, wie groß und selbstherrlich dieser Cézanne war, sie zeigen es so deutlich wie jene »Landschaft mit den schiefen Häusern«, mit der sich auf der ganzen Welt eben nur Grecos Toledo vergleichen läßt. Unter den schönen Stilleben ist eines in seiner Art diesen beiden Meisterwerken gleichwertig, die anderen stehen etwa auf der Höhe der beiden Berliner Bilder, sie haben den letzten Rest von Realismus noch nicht überwunden.
Cézanne tritt in der Sammlung Nemes als Vollender der modernen französischen Malerei auf. Neben ihm nimmt der letzte der alten Meister, Courbet, merkwürdig viel Raum ein, merkwürdig vielleicht nur deshalb, weil er nicht sehr gut vertreten ist; außer mit einer guten Landschaft und den hochbedeutenden »Zwei Mädchen am Balkonfenster« sind eigentlich nur schwache oder sehr unsympathische Bilder von ihm vorhanden. Streiten ließe sich über das große Familienbild. Einen Augenblick denkt man vor ihm, hier öffne sich ein Weg nach vorwärts zu Cézanne und nach rückwärts zu Goya, man ist in dieser Sammlung eben wie von selber »entwicklungsgeschichtlich« gestimmt. Aber wenn man nüchtern bleibt, sieht man bald, daß das Gemälde am Ende vorwiegend ungeschickt ist und im Grunde nur wenig höher an Qualität, als etwa jene schlechten frühen Werke von Hans Thoma, denen es so ähnlich sieht.
Zwischen Courbet und Cézanne stehen die sogenannten Impressionisten, voran Manet, mit dem genial hingestellten Clemenceau, dem vlämisch wirkenden Studienkopf zur Negerin auf der Olympia (1863), mit der fabelhaft geistreichen »Dame in Schwarz«, mit den pompösen Pfirsichen und endlich mit dem absolut unabhängigen Straßenbild. Die eine Landschaft von Claude Monet, mit den Schiffen am Strande, ist ersten Ranges, und hat, ebenso wie ein ähnliches Bild in einer anderen Budapester Sammlung, auffallenderweise Beziehungen zu Cézanne. Renoir ist eindrucksvoll aber nicht sehr gut vertreten, Degas wie üblich. — Wie sich das andere Endziel der französischen Malerei des 19. Jahrhunderts, van Gogh, aus dem Impressionismus entwickelt, zeigen drei seiner Gemälde: Ein unbeträchtliches Stilleben, eine Landschaft, die noch Claude Monets Schneebildern nahesteht, aber auch schon eigenmächtige Züge hat, und endlich ein ganz herrliches Stilleben von einer unbegreiflichen Freiheit der Auffassung.
Man sieht, auch für die Kenntnis der Kunst der zweiten Hälfte des Jahrhunderts gibt die Sammlung überraschende Aufschlüsse. Die Pioniere dieses Weges, Delacroix und Daumier, sind jeder mit einem unbedeutenden Werk wohl nur pro forma vertreten. Auch Corots Landschaft ist nicht zwingend, sein Figurenbild, das Mädchen in Blau, dagegen sehr schön. Es gibt ja kaum Figurenbilder von ihm in Deutschland.
Hat man sich an diesen Hauptpunkten der Sammlung einmal klar gemacht, von wo aus dieser Amateur die Kunst ansieht, so begreift man leicht, aus welchem Grunde er seine übrigen alten Gemälde gekauft hat. Die Venezianer, wie der schöne Giovanni Bellini, ein hervorragender Cariani, ein feiner Moroni, und ein sehr schöner Bassano, das versteht sich von selbst. Ebenso das Männerporträt von Frans Hals aus der Sammlung Weber — Manet hat Hals als seinen Lehrer bezeichnet. Um Hals lassen sich dann verschiedene Proben guten Malwerks gruppieren, Stillebenmaler wie der Fischspezialist Beijerens zum Beispiel, den der junge Delacroix studiert hat, und der von Dirk Hals abhängige Genremaler Duck, der mit einer geistreich gestellten Szene vertreten ist, die an Velasquez’ »petits cavaliers« erinnert. Ein Kopf von Cuyp hängt zwischen Courbets und Courbet hält sich sehr gut, Chardin illustriert das Kapitel »Holland-Frankreich«, und so könnte man zu vielen anderen Bildern des 17. Jahrhunderts noch nachweisen, was sie eigentlich uns angehen und sich wertvolle Einsichten verschaffen, über die »Wiederkehr des Gleichen«, wie Nietzsche es nannte.
Man soll den erkenntnistheoretischen programmatischen Wert dieser Sammlung gewiß nicht überschätzen und sich zunächst jenseits aller Wissenschaft immer an die einzelnen Bilder halten, an ihre Schönheit und an die Freude, die sie verschaffen. Aber man soll diesen Wert auch nicht verkleinern. Schon weil dieser kunstbegeisterte unzünftige Amateur in ein paar Jahren geleistet hat, was die Aufgabe manches Museumsleiters sein könnte. EMIL WALDMANN.
NEKROLOGE
In Valladolid starb am 16. Dezember Don José Marti y Monsò, Direktor des Valladolider Provinzialmuseums und der dortigen Kunstschule. Der Verstorbene war ein hervorragender Kenner der altkastilischen Plastik und hat sich durch zahlreiche Forschungen zur Geschichte der Valladolider Kunst, die vor allem in seinen Estudios historico-artisticos niedergelegt sind, verdient gemacht.
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PERSONALIEN
München. Der Streit um die NachfoIgerschaft Tschudis hat nunmehr seine Erledigung gefunden; und zwar in folgender ungewöhnlicher Form, die wir im offiziösen Wortlaute mitteilen: »Seit dem Tode Hugo v. Tschudis führt Konservator Dr. Braune die Direktionsgeschäfte bei den staatlichen Galerien. Die Schwierigkeiten, die einer endgültigen Regelung der Nachfolge v. Tschudis zurzeit entgegenstehen, ließen sich dank dem Entgegenkommen des Malers Professor Anton Stadler in der Hauptsache dadurch beheben, daß er in allen wichtigen Angelegenheiten der staatlichen Galerien sich dem Ministerium als Beirat zur Verfügung gestellt hat, in dieser Eigenschaft den Vorsitz in den bei den Galerien bestehenden Kommissionen übernimmt und alle auf wichtige Angelegenheiten bezüglichen Anträge und Verfügungen der Galeriedirektion mit unterzeichnet. Auf diese Weise konnte für die Direktion der staatlichen Galerien unter Fortdauer der Leitung der Geschäfte durch Konservator Dr. Braune die Mitwirkung Professor Stadlers gesichert und eine Regelung getroffen werden, die unter den gegebenen Umständen wohl die